Meine Geschichten
  Zwei Schritt vor und einen zurück
 
„Ich verstehe das nicht.“ murmelte Officer Jenks frustriert. „Die Mitglieder sollten sich nach beendeter Mission bei uns melden.“ Er warf das Handy vor sich auf den Tisch und dann seiner Gesprächspartnerin einen erzürnten Blick zu, aber die lächelte nur.
„Nun, dann denke ich, dass diese Mission keinen Erfolg hatte.“ erwiderte Commander Danes und stand auf. Sie ging aufreizend langsam um den Tisch herum und blieb hinter Officer Jenks stehen, bevor sie sich zu seinem Ohr herunter beugte.
„Wieder einmal.“ flüsterte sie, richtete sich dann wieder kerzengerade auf und ging fast schon im besten Paradeschritt weiter im Raum auf und ab. Als sie sich an der gegenüberliegenden Wand umdrehte, lag ein zynisches Lächeln auf ihren Lippen. Jenks wusste, wenn sie so fröhlich war, würde er bald mehr als traurig sein.

„Darf ich feststellen, dass...“ fing er an, aber sie ließ ihn nicht ausreden.
„Darf ich feststellen, dass das schon das geschätzte fünfte Mal ist, dass Ihnen die Zielobjekte entkommen sind? Das wirft kein sonderlich gutes Licht auf uns und die Forschung. Wir brauchen die Vampire. Vor allem Kostan und St. John.“ Sie hielt an und stützte sich auf dem Tisch auf, um ihn besser ansehen zu können. Er lehnte sich zurück. Es entsprach nicht seiner Natur, zu lange mit einer Frau im selben Raum zu sein, noch dazu, wenn diese ihm so gefährlich nahe kam. In der Abgeschiedenheit eines privaten Schlafzimmers hatte er nichts dagegen, aber hier...
„Es waren vier Mal.“ wagte er einzuwenden und Devon Danes wagte das Unfassbare, als ihr der Geduldsfaden riss. Sie holte aus und verpasste ihrem Untergebenen mit der flachen Hand einen Schlag, der von den Wänden des kleinen Verhörraumes widerhallte.

Die Neonröhre an der Decke tauchte alles in ein seltsam krankes Licht und sie summte und brummte wie kurz vor der Durchbrennen.
„Es ist mir egal, ob Sie eine Strichliste führen oder nicht!“ erscholl ihre Stimme laut im Raum. Die Wände schienen das Geräusch noch zurück zu werfen und zu vervielfältigen. Jenks hätte sich gern die Ohren zu gehalten. Nur aus Angst vor einem weiteren Schlag ließ er es sein.
„Wichtig ist nur, dass die beiden uns wieder und wieder entkommen, und ich möchte wissen, warum das so ist!“ hatte er geglaubt, es sei nicht möglich, noch lauter zu sprechen ohne zu schreien, wurde er überrascht. Es war doch möglich. Vorsichtig duckte er sich ein paar Zentimeter in seinem Stuhl zusammen und schluckte.

„Es... es gab ein paar Komplikationen....“ murmelte er leise. Aus ihrer Frisur hatten sich ein paar Strähnen gelöst. Unwirsch strich sie sie wieder hinter ihr Ohr zurück und ihre eisblauen Augen fixierten ihn wütend, die Lippen geschürzt.
„Und die wären?“ fragte sie ungeduldig nach und fuhr fort, im Raum auf und ab zu gehen.
„Sie scheinen zu vergessen, dass die Vampire über außerordentlich gute Sinne verfügen. Nicht mal die besten Hunde der Polizei kämen da mit. Sie scheinen immer im Voraus zu wissen, wo wir auftauchen werden.“ Devon Danes drehte sich ruckartig zu ihm herum.
„Und genau da liegt das Problem. Wir wissen nicht, wo sie als nächstes auftauchen werden. Wohl scheinen die aber zu wissen, wo wir als nächstes sein werden. Weil Sie und ihre Männer zu dämlich sind, sich richtig zu tarnen.“ Sie sah unwirsch auf die Uhr, als warte sie auf etwas.

„Das, was wir vor haben, ist ein Himmelfahrtskommando, Commander! Wo immer wir sind, sind sie uns einen Schritt voraus! Mehr als meine Männer am richtigen Ort platzieren und einen Zugriff wagen kann ich nicht machen! Um ihnen eine Falle zu stellen sind diese Männer zu schlau.“ rief er aufgebracht. Sie wandte ihm den Rücken zu und sagte minutenlang gar nichts. „Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit, doch noch an sie heran zu kommen. Was ist mit den beiden Frauen? Sind das auch Vampire?“ fragte sie mit schief gelegtem Kopf. Er zögerte einen Moment. „Nein, ich glaube nicht, Miss. Zumindest haben wir keine Informationen über sie in der Kartei, nur, dass sie mit Kostan und St. John unterwegs sind.“

Devon Danes nickte befriedigt. „Das ist sehr gut.“ murmelte sie und setzte sich an den Tisch. „Wenn es uns gelingt, die beiden von der Gruppe zu trennen, haben wir einen Vorteil. Und noch besser. Wir können sie gefangen nehmen...“
Allmählich begriff Jenks. „Sie wollen... die Vampire mit den beiden Frauen erpressen?“ fragte er. „Das wird niemals funktionieren!“
Jetzt galt das Lächeln wieder ihm.
„Ich denke doch. Merken Sie es nicht? Die Vampire sind uns überlegen. Die Menschen sind es nicht. Deswegen tun sie alles, damit wir die beiden Frauen nicht bekommen. Wenn wir es aber schaffen sollten, eine oder gar beide Frauen in unsere Gewalt zu bekommen, wird das das ultimative Druckmittel. Ich denke Kostan und St. John würden alles tun, damit den beiden nichts geschieht. Auch wenn es darum geht, sich oder andere zu töten. Ich denke schon, dass es funktionieren wird. Das ist alles nur eine Frage der Auslegung.“

Sie ging zur Tür und machte diese auf. Im Rahmen hielt sie noch einmal inne. „Ach und sagen Sie mir doch Bescheid, wenn Sie wieder einen Trupp losschicken. Dann hätte ich jemanden, der Ihnen helfen könnte.“ gab sie kund, bevor die Tür hinter ihr zu schwang.

*


Gar nicht einmal lang, und wir kamen bei der Wohnung an, zu der Miss Robins uns lotste. Ich musste sie fast herein tragen, bevor sie im Bad verschwand und uns bat, es und gemütlich zu machen. Das hieß in unserem Fall, sich auf den Fußboden und den kleinen Zweisitzer vor den Fernseher zu setzen und Nachrichten zu schauen.
Bei einer Reportage über Seattle hielten wir inne. Da ich die Fernbedienung hatte, oblag es mir, den Ton höher zu drehen.
„... das Verbrechen, dass sich gestern um etwa zwölf Uhr fünfzehn Ortszeit ereignete. Augenzeugen berichten von einer Bande, die scheinbar wahllos Menschen ermordete. Schauplatz des Verbrechens war das gestrige Konzert, zu dem einige tausend Schaulustige zugegen waren. Der Hintergrund der Tat ist noch ungeklärt, aber die Polizei geht von einer terroristischen Organisation aus.“ Die Kamera zoomte von der Nachrichtensprecherin weg und spielte Aufnahmen des Tattages. Man sah das Konzert, frenetisch kreischende Teenies und Neonlichter und dann...

Es ging so schnell, dass man es mit normalem Auge gar nicht mehr sah. Wo vorher noch ein junges Mädchen von vielleicht fünfzehn, sechzehn Jahren gestanden hatte, war plötzlich nur noch der Torso zu sehen. Der Kopf fehlte und eine Blutfontäne schoss zum Himmel. Sekunden später wurde die Aufnahme verlangsamt abgespielt. Und als ich sah, was all die anderen mit mir im Raum sahen, zog ich erschrocken die Luft ein. Es war Catherine gewesen. Catherine hatte dem Mädchen den Kopf abgerissen. Es gab wahrscheinlich keine terroristische Bande, zumindest nicht zu dem Tag in Seattle. Das Blutbad auf dem Marktplatz war sie gewesen. Hatte sie Hilfe dabei gehabt oder war ihr das ganz allein eingefallen?
Ich spürte, wie Sophia sich zitternd an mich drückte und ich nahm sie in den Arm. Genau so hätte es ihr gehen können, dachte ich leise. Wie dem Mädchen dort im Fernsehen. Catherine hätte auch ihr einfach den Kopf von den Schultern reißen können. Sie hatte es nicht getan.

Sie hatte mich zu ihr führen wollen, vielleicht, damit sie sie töten konnte, wenn ich anwesend war. Genau hatte ich es nie heraus gefunden und ich war dankbar dafür.
Aber was bezweckte sie damit? Sie mordete in der Öffentlichkeit. Das durfte sie nicht!
Mick schien sich die gleiche Frage zu stellen.
„Aber... das ist gegen alle Regeln, die wir haben! Einem Vampir sollte am ersten Tag eingebläut werden, dass er niemals in der Öffentlichkeit Amok laufen sollte und wenn er es doch tut, hat er oder sie einen Mentor, der das kontrolliert!“ stellte er fest und ich nickte. „Aber du vergisst, dass Catherine kein Neugeborener mehr ist. Sie ist achtundzwanzig Jahre älter als ich und wurde verwandelt, als ich gerade laufen konnte. Ich weiß nicht viel über ihre Vergangenheit, weil sie nie viel von sich erzählt hat, aber...“ einen Moment schwieg ich verblüfft. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen.

„Sie war bei dem Clan, der mich aufgenommen hatte, dabei. Noch nicht lange und sie war noch nicht sonderlich kontrolliert, aber...“
Sie war dabei gewesen. Bei mir und den anderen.
„Und als ich den Clan dann verließ, um meine eigenen Wege zu gehen, habe ich sie nicht wieder gesehen. Zweihundert Jahre lang nicht. Bis wir uns hier ganz in der Nähe wieder begegnet sind. Naja, wir hatten ein paar Jahrzehnte etwas am laufen, und dann verliebte ich mich in jemand anderes. Ich weiß heute, dass das sehr grob war, aber ich ließ sie links liegen und wandte mich anderen Dingen zu. Das hat sie mir bis heute nicht verziehen. Und wozu das geführt hat, wissen wir alle.“

Ich drückte Sophia noch enger an mich und legte meinen Kopf auf ihrem ab.
„Aber wenn sie so weiter macht wie jetzt... wenn sie all diese Menschen wirklich umgebracht hat, bringt sie sich dann nicht selbst in Gefahr?“ fragte Guillermo. Ich nickte.
„Die Legion wird auf sie aufmerksam werden. Und die... Pentagonier.“ schloss ich und schluckte. Natürlich hatte ich allen Grund, Catherine zu hassen, aber...
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und biss mir auf die Lippe. Wenn sie exekutiert würde, dann würde ich das machen, das schwor ich mir.

„Und wer sind diese Pentagonier?“ fragten Mick und Guillermo fast gleichzeitig. Ich seufzte. Noch ein Stück Geschichte, das mit meiner verwoben war.
„Die Pentagonier sind ein sehr, sehr alter Clan von Vampiren. Sie existieren, seit es Vampire gibt und sind dazu da, überall, wo wir ausfällig werden, einzuschreiten und den Sünder für seine Taten zu bestrafen. In diesem Fall werden Sie wohl eine Exekution vornehmen, bevor Catherine der Legion in die Hände fällt.“ Ich hätte gern noch mehr erzählt, aber in dem Moment kam Miss Robins ins Wohnzimmer und ich drehte den Ton des Fernsehers leise, bevor ich ihn ganz ausmachte.

„Irgendetwas relevantes dabei?“ fragte sie betont lässig, aber sie war immer noch zu blass für meinen Geschmack. Fast wie ein Vampir.
Ich schüttelte den Kopf. „Nein, nur langweiliges Zeug. Also, Miss Robins... was Sie gesehen haben, war....“
Sie seufzte und setzte sich auf einen Stuhl, den sie vom Esstisch herüber trug.
„Was ich gesehen habe war die Leiche eines Mannes. Wo waren denn diese so genannten Verhandlungsträger, mit denen Sie sich treffen wollten? Oder haben Sie...“
„Nein“, unterbrach ich sie scharf. „Wir haben den Kassierer nicht umgebracht, wenn Sie das meinen. Das waren die Männer, die eigentlich mit uns.... nun wie sagten Sie? Verhandeln wollten.“ erklärte ich.
„Und wo sind die hin?“ fragte sie skeptisch nach. Allmählich wurde mir diese Frau zuwider. Sie stellte entschieden zu viele Fragen.

Ich seufzte leise und beschränkte mich auf ein Schweigen. Die Wahrheit konnte ich ihr unmöglich sagen und eine Lüge würde sie sofort durchschauen.
Schließlich wurde mir unter ihrem stechenden Blick unbehaglich.
„Also schön. Ich sage Ihnen, was los ist. Diese Männer gehören besagter Organisation an. Sie jagen uns aus uns unerfindlichen Gründen. Uns... uns blieb nichts anderes übrig als...“
„Dann sind Sie so was wie Verbrecher? Mörder oder Diebe? Ich wusste es, ich wusste gleich, dass Ihre Geschichte mit den Kunstgegenständen nicht stimmen...“
Ich hob die Hände und sie verstummte augenblicklich.
„Nein, nein und nochmals nein! Lassen Sie mich endlich ausreden!“ zischte ich und sie schluckte ob meines stechenden Blickes und schwieg.
„Ich weiß nicht, warum sie uns suchen, wir haben uns zumindest nichts zu Schulden kommen lassen.“ sagte ich und wusste gleich, dass ich doppelt log. Wir wussten sehr genau, warum die Legion hinter uns her war und wir hatten uns sehr wohl etwas zu Schulden kommen lassen, wenn es auch notwendig gewesen war, um zu überleben.

„Was haben Sie mit den Männern gemacht? Sind die einfach wieder gegangen, nachdem...“ fragte sie und wieder seufzte ich. Die Wahrheit schien ein Talent dafür zu haben, an den unmöglichsten Stellen zu Tage zu treten.
„Nein. Das sind sie nicht.“ sagte ich nur und hoffte, sie würde den Rest der Schlüsse für sich selbst ziehen. Ich sah, wie ihre Augen immer größer wurden und ihre Hände zitterten. Wie sie noch ein bisschen blasser wurde, wenn das überhaupt möglich war.
„Sie haben sie....“ sie schluckte krampfhaft und ging dann in die Küche, um sich etwas zur Beruhigung zu holen, wie ich vermutete. Dann kam sie zu uns zurück.
„Wir mussten es tun, verstehen Sie?“ fragte Mick leise und der Blick, der ihn traf, hätte ihn im Boden versinken lassen müssen, mit einem schönen Grabstein, auf dem sein Name stand.

„Nein, das verstehe ich nicht! Sie hätten diese Menschen an die Polizei ausliefern können! Sie hätten sehr lange im Gefängnis gesessen und dann...“ fing sie an. Sie zitterte nicht mehr so stark und ich roch das Beruhigungsmittel in dem Glas mit Wasser, dass sie in der Hand hielt. Das noch andauernde Zittern ließ die Flüssigkeit darin konzentrische Kreise schlagen wie in einem See, in den man einen Stein wirft.
„Eben das hätten wir nicht tun können! Man hätte uns niemals geglaubt...“
Dass wir Vampire sind und die Legion uns alle töten will und sie nur deswegen hinter uns her sind. Man hätte uns in die Klapse gesteckt, dachte ich leise.

„Sie hätten es versuchen müssen! Aber Sie können denen ja erklären, was sie getan haben, wenn ich sie her hole...“ meinte sie, stellte das Wasserglas ab und griff nach dem Telefon auf dem Beistelltisch. Blitzartig schoss meine Hand vor und hielt ihr Handgelenk mitten in der Bewegung fest.
Der Blick, der sie traf, hätte erschreckender nicht sein können. Aber obwohl sie sich wand, kam sie nicht frei.
„Das werden Sie nicht tun. Sie werden uns jetzt helfen, hier weg zu kommen und weiter nach Hinweisen bezüglich unserer Mission zu suchen. Oder...“ Ich machte eine Kunstpause und atmete ihren Geruch ein.
„Oder sie werden auf schmerzhafte Weise erfahren, was genau wir mit den Männern gemacht haben. Ist das klar?“ flüsterte ich. Schließlich ließ ich sie los und lehnte mich zurück, um ihr in die Augen sehen zu können, die immer noch vor Furcht geweitet waren. Schließlich schluckte und nickte sie.
„Klar.“ murmelte sie kaum hörbar, aber ich hatte sie verstanden und lehnte mich befriedigt grinsend in dem Polstermöbel zurück.
„Gut. Dann werden wir jetzt besprechen, wie wir weiter vorgehen.“ sagte ich und legte ihnen meinen Plan auseinander.
 
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