Meine Geschichten
  Kapitel 3
 
Stille. Keiner sagte ein Wort. Lance sah erst au den Zettel, dann sah er mich an und nickte.
„ich hatte so etwas befürchtet.“ murmelte er und zog einen Stapel Papier aus der Tasche, den er neben die Nachricht legte. Darauf waren in der selben Schrift Namen geschrieben. Das war die Liste, die ich per Fax erhalten hatte. Jeder im Raum nahm sie in die Hand und las sie durch. Einige warfen sich erschrockene Blicke zu, zischten, tuschelten.
Langsam stand Lance auf und ging dann gemächlich um den Tisch herum, während die Liste weiter von Hand zu Hand wanderte und schließlich bei mir liegen blieb. Ich sah nicht darauf. Den Inhalt, die Namen, kannte ich auswendig, so oft hatte ich sie mir in den vergangenen fünfeinhalb Monaten angesehen. Ich ließ sie vor mir liegen, berührte sie nicht und mir war, als strömte sie eine unbestimmte Hitze aus, die jedem, der sie berührte die Finger versenkte. Die Buchstaben schienen zu glühen und sich in mein Herz zu fressen. Auf dieser Liste standen Vampire von Rang und Namen der ganzen Welt, manche älter, manche jünger als ich. Manchmal stand das Datum der Vernichtung nebst einem Kreuz neben dem Vampir. Manche waren erst vor ein paar Tagen exekutiert worden, und allein das ließ mich die Zähne so wütend aufeinander beißen, das es anhaltend knirschte.

Sophia neben mir legte mir beruhigend die Hand auf den Arm, aber ich hatte die Faust zusammengeballt und die Muskeln meines Arm traten hart hervor. Mich hielt nicht viel davon ab, irgend etwas kaputt zu machen.
„Nun, jetzt, wo ihr alle gesehen habt, was auf dieser Liste steht, lasst mich erklären, was es damit auf sich hat.“ fing Lance an, aber ich hörte kaum einmal hin. Es interessierte mich nicht, wer oder was einen Grund haben sollte, Vampire auf grausame Weise umzubringen. Wie zufällig fiel mein Blick doch auf die Liste und erspähte einen einzelnen namen, als stünde nur er dort und all die anderen nicht.
David Delano

stand dort in schwarzen, schiefen Druckbuchstaben, wie die Hand eines Kindes. Das war der einzige Eintrag, der sich von den anderen abhob. Was er nachträglich eingefügt worden? David... das ließ tief in meinem Innern eine Alarmglocke läuten, aber ich konnte mit dem Namen kein Gesicht assoziieren. Auch der Nachname sagte mir gar nichts. Nur dieses unangenehme Kribbeln auf der Haut, das mich förmlich an schrie. „Sei auf der Hut!“ rief dieses kribbeln in meinem Kopf und sofort war ich schlagartig wach.
„Diese Organisation hat es sich seit jeher zur Aufgabe gemacht, unsere Zahl so gering wie möglich zu halten. Wo immer es zu Gruppentreffen von Vampiren kommt, wissen sie davon. Jedoch töten sie niemals alle Individuen einer Gruppe. Nur bestimmte, einzelne Vampire. Alle, die hier auf dieser Liste stehen.“ er bohrte seinen langen, dünnen Zeigefinger so heftig in das Papier, dass ich fürchtete, es würde reißen. Es bekam nur eine Delle und Lance zog die Hand zurück, als habe er sich verbrannt.

„Diese Liste ist der Grund, warum in den letzten Wochen allein im Bundesstaat Washington fünfundzwanzig Vampire gestorben sind. Sie suchen nicht nach Verbrechern unter uns, nein. Sie sorgen dafür, dass wir nicht zu auffällig werden.“ ich runzelte die Stirn, während er sich eine Franse des nachtschwarzen Haars aus den Augen strich und sich wieder setzte.
„Aber wenn du sagst, sie suchen nicht nach Verbrechern... sie töten uns doch sicherlich nicht zum Spaß, oder?“ Die Frage wäre überflüssig gewesen. Ich wusste auch so, dass sie nicht zum Spaß auszogen, um Vampire zu töten. Ich ahnte, dass ich ihre Gründe besser kannte als alle anderen in diesem Raum.
Lance schnaubte nur.
„Zum Spaß? Nein, sicher nicht. Sie töten die, die zu auffällig werden. Die unsere Welt ins Chaos stürzen könnten. Manche jedoch entwischen ihnen... manche lassen sich nicht auffinden. Aber sie sind schlau. Wen sie einmal in ihre Fänge bekommen haben oder wer auf ihrer Abschussliste ganz oben steht, der entkommt ihnen nicht. Sie finden ihn, immer.“ er sah mich herausfordernd an.
„ich nehme an, du weißt, wovon ich spreche?“ fragte er freundlich und lächelte wieder dieses Lächeln, bei dem einem eiskaltes Wasser den Rücken hinunter träufelte.

„Ich denke, ich weiß, was du meinst, aber mir ist nicht ganz klar, wie du davon wissen kannst.“ erwiderte ich misstrauisch und runzelte die Stirn. Nie wieder würde ich die endlosen Stunden in der Folterkammer vergessen, nie wieder die Schreie der anderen gefangenen, nie wieder, wie John vor meinen Augen zu einem Aschehäufchen geworden war...
„Sagen wir einfach, ich habe meine Quellen.“ konterte er gedehnt. Ein lässiges Grinsen spielte um seine Lippen. „Vielleicht kannst du dein hoch geschätztes Wissen mit den anderen hier teilen? Es wissen nicht alle so gut Bescheid wie du.“ lockte er und ich zog die Nase kraus und fauchte leise.
Seine Augen verengten sich für einem Moment zu Schlitzen, dann sah er gelangweilt aus.
„Also schön. Ich weiß nicht, ob Lance und ich über die selben Typen sprechen, aber ihr wisst, dass auch ich kurze Zeit Gefangener einer solche Gruppe von Vampirjägern war. Dass man mich gefoltert hat, damit ich ihnen sage, wo die anderen Vampire sind.“ Wieder biss ich wütend die Zähne zusammen und Sophias Hand strich tröstend über meinen Handrücken. Das brachte mich dazu, die Faust zu lockern. Meine Hand mit ihrer zu verschränken wagte ich jedoch nicht. Die Gefahr, sie im Reflex oder aus neuerlicher Wut zu zerquetschen, war zu groß.
„Aber... Lance, du hast gesagt, dass sie niemanden, der ihnen einmal entwischt ist, in Ruhe lassen...“ fing sie an und der große Vampir nickte wieder, ein Grinsen spielte um seine Lippen.

„Es ist in der Tat so. Vielleicht ist es ganz gut, dass du erst einmal in Mexico bist, Josef.“ sagte er mit einem Blick auf mich.
„Aber sie haben doch immer noch nicht locker lassen wollen, danach, erinnerst du dich?“ schaltete Mick sich ein. „Der Typ, der dich niedergeschossen hat?“ ich nickte langsam. Auch das war etwas, dass ich nicht würde vergessen können. Wie er die Waffe auf Sophia gerichtete hatte, weil er genau wusste, dass ich mich dazwischen schieben würde...
„Nur wird der der Organisation nicht erzählen können, ob er seinen Auftrag hat ausführen können, da du ihn umgebracht hast.“ murmelte ich und Mick nickte.
„Was aber auch heißt, dass sie sehr bald jemand anderes schicken werden, damit er nach dir sucht. Und da, wo man zuerst anfangen wird, zu suchen...“ wandte Ryder ein und ich warf ihm einen wütenden Blick zu, unter dem er zu Asche hätte werden müssen, bevor mein ganzer Körper kalt und taub wurde, als läge ich in einer Kühltruhe mit einem Pflock durch mein Herz.
„Treasure!“ zischte ich und war in der nächsten Sekunde übe den Tisch gesprungen, hatte Lance an der Kehle gepackt und gegen die Wand gedrückt.
„Du wusstest es! Du hast mich und Sophia von dort weg geholt, damit sie...“ ich kam gar nicht dazu, meine Beschuldigung weiter auszuführen, denn in dem Moment brach er meinen Griff mit Leichtigkeit auf und schleuderte mich über den Tisch.

„Ich hatte keine Ahnung, okay? Ich wusste erst davon, dass sie immer noch hinter dir her sein könnten, als du es grade eben selbst gesagt hast! Meine Information war nur, dass du schon einem in Kontakt mit der Legion getreten bist, mehr nicht.“ knurrte er und ich rutschte vom Tisch und rappelte mich wieder auf.
„Aber diese Legion, wie du sie nennst, scheint auch nicht davor zurück zu schrecken ganze Vampirzirkel dem Erdboden gleich zu machen.“ murmelte Logan, der die Liste zu Rate zog.
Hier.“ er drehte sie so, dass Lance und ich sie sehen konnten und tippte mit dem Finger auf einen Abschnitt.
Fünf Mitglieder eines Zirkels waren dort am selben Tag, in Knightsbridge, Irland, ums leben gekommen.
Plötzlich lächelte ich leicht. „Was ist mit dir und deiner so genannten Familie, Lance? Seid ihr dann nicht auch in gefahr? Ihr habt sehr edles Blut, habe ich mir sagen lassen... du warst doch damals so wütend, dass Coraline sich jemanden ausgesucht hat, der nicht ganz so göttergleich war wie du dich selbst immer hinstellst, oder?“ Ein wütendes Knurren kam aus seiner Kehle, dann wandte er sich ruckartig ab. „Ja! Ja, verdammt, ja!“ er wurde beständig lauter, bis er uns schließlich fast anschrie.

Mit einer einzigen, wütenden Bewegung zog er etwas aus seiner Tasche, so schnell, dass ich es mit normalen Augen nicht mehr gesehen hätte und warf es zwischen uns auf den Tisch. Es war ein altes, vergilbtes Stück Papier. Als ich es vorsichtig ergriff und auseinander faltete, präsentierte sich mir der selbe Text wie auf meinem Blatt.

Du bist der Nächste...

Ich legte es wieder hin, als könnte ich mir an dem Papier die Finger verbrennen.
„Aha. Dann wird mir einiges klar.“ murmelte ich mehr zu mir selbst als zu ihm. „Du brauchst wirklich ganz dringend Hilfe.“ mein Seitenblick prallte an ihm ab, aber der Blick, den er mir zuwarf, war voller Hass. „ich brauche gar nichts! Und du verstehst nicht im Mindesten, um was es hier geht!“ grollte er, dann wandte er sich wieder ab. Er musste keine Angst haben, wenn er uns den Rücken zudrehte.
„Dann erkläre es mir, vielleicht sehen wir dann alle klare.“ Mick legte mir die Hand auf den Arm und zog mich auf den freien Platz neben sich, damit ich keinen Unfug mehr anstellen konnte. Als ob ich einen Babysitter nötig gehabt hätte.

Lance atmete tief durch, zum ersten mal sah er erschöpft aus. „Gut, dann will ich euch erklären, worum es hierbei geht. Diese Legionäre sind nicht nur hinter Vampiren her, sondern auch hinter bestimmten Schätzen, Kunstgegenständen, oder einfach neuen Waffen, um Vampire zu vernichten.“ erklärte er. Das war mir neu. Die Männer, mit denen ich Bekanntschaft gemacht hatte, waren seht gut bewaffnet und durchaus in der Lage gewesen, einen von uns zur Strecke zu bringen, wie ich am eigenen Leib hatte erfahren müssen.
„Aber sie haben dich oder mich sicherlich nicht ausgesucht, weil wir so große Kunstkenner sind.“ meinte ich spöttisch. Lance grollte leise.
„Nein, in der Tat, das haben sie nicht. Sie jagen uns wegen unseres Blutes.“ jetzt blieb sogar mir die Spucke weg. Im Geiste sah ich noch einmal Lola vor mir, die aus Vampirblut und Silber eine Droge hergestellt hatte, das Black Crystal. Und ich hatte das ganze auch noch finanziert, unabsichtlich natürlich. Ich hatte die Ermordung dutzender Vampire finanziert.
„Aha. Diese Legion beschäftigt nicht nur Kunstmäzen, nein, jetzt auch noch Blutsammler...“ flüsterte ich Mick zu, der den Kopf hob. Im selben Moment horchte Beth auf.
„Blutsammler? Sie suchen Vampire mit seltenen Blutgruppen?“ fragte sie erstickt und Lance nickte mit gerunzelter Stirn. „Ja, warum?“
Ich warf Mick einen alarmierten Blick zu.
„Erinnerst du dich an den Chirurgen...?“ fragten wir beide synchron und beide nickten wir. Wie hätten wir das außer Acht lassen können... „Also hat er für die Legion gearbeitet?“ fragte Mick und Logan schnaubte verächtlich. „Sei nicht dämlich Mick. Die Legion jagt uns, sie würden nie mit einem von uns gemeinsame Sache machen!“ verunsichert sah er zu Lance.
„Oder doch?“ hakte er nach.

Der schüttelte nur den Kopf.
„Nein, selbst die Legion ist nicht so dumm, mit ihren Feinden zu kooperieren, die ihr eines Tages in den Rücken fallen könnte.“ sagte er. Ich seufzte.
„Fakt ist also, wir werden von einer Bande holzpflockschwingender, kunstfanatischer Blutsammler verfolgt? Und ich dachte die Bauern mit Mistforken und Fackeln wären schlimm...“Wieder konnte er nur nicken.
„Und was machen wir jetzt? Hier sitzen, Däumchen drehen und warten, bis sie uns holen kommen? Flüchten? Uns ihnen entgegen stellen?“ kam es von allen Seiten und Lance hob die Hände, um wieder Ruhe zu schaffen.
„Wir können nicht gegen sie kämpfen. Noch nicht. Uns fehlen die Angriffspunkte und jeder von uns ist betroffen, weil jeder hier im Raum auf der Liste steht.“ Sophia und Beth warfen sich panische Blicke zu.
„Nun, bis auf die beiden Damen. Da ihr noch keine Vampire seid, besteht wohl kaum eine Gefahr, dass die Legion gerade euch sucht.“ sagte er mit einem gütigen Lächeln und ich sah ihn wütend an.
„Was soll das heißen „da sie noch keine Vampire sind“? Wieso diese Betonung auf dem „noch“?“ fragte ich drohend nach und beugte mich vor.
„Das wird nicht passieren, okay? Beschwöre lieber nichts herauf.“ jetzt war es an ihm, drohend zu grollen.
„Versprich du lieber nichts, was du nicht halten kannst, Kostan.“ zischte er zurück, dann setzte er sich wieder.
„Nun, wie ich gerade sagte, bevor man mich unterbrach“, fuhr er fort, als wäre nichts gewesen und warf mir aus dem Augenwinkel einen Blick zu, „haben wir nur dann eine Chance, wenn wir vor ihnen am Lagerungsort bestimmter Kunstschätze sein können. Damit werden wir morgen beginnen.“

Ich sah ihn immer noch wütend an, als er die Versammlung auflöste.
„Sophia, geh doch mit Beth schon einmal zu euren Zimmern.“ flüsterte ich sanft. Sie sah mich zuerst unsicher an, dann nickte sie und folgte Beth nach draußen. Langsam leerte sich der Saal, nur Mick wartete noch an der Tür und natürlich Lance, der wieder dieses selbstgefällige Grinsen im Gesicht trug.
„Denk lieber einmal dran, dass wir das hier nicht freiwillig mit machen, Comte, okay?“ zischte ich so leise, dass Mick an der Tür mich sicher nicht mehr hörte. Lance lächelte nur Höhnisch.
„Denk du mal lieber daran, wer mit euch im selben Boot sitzt, Kostan.“ er spie meinen Namen aus wie ein Schimpfwort und lächelte dabei gleich bleibend freundlich.
„Ich an deiner Stelle würde es mir mit mir nicht verscherzen. Ich weiß, was du vor mir verborgen hältst. Es ist besser, du gibt’s gut darauf Acht, denn eines Tages könntest du aufwachen und feststellen, dass es nicht mehr in deinem Besitz ist, oder das die anderen erfahren, was du so lange vor Ihnen verschwiegen hast, das wäre doch nicht gut, oder?“ fragte er und ich zischte leise. Ich sah seinem Rücken nach, der sich an Mick vorbei langsam entfernte. Mir war, als würde er mich selbst dadurch noch verhöhnen.
„Josef, kommst du?“ fragte Mick argwöhnisch und ich nickte. Zusammen gingen wir den Weg wieder nach oben in den ersten Stock, wo der Diener Francoise uns die Kühltruhen zeigte, die uns zugewiesen worden waren.

Logan, Ryder und Guillermo schliefen schon. Mick klappte den Deckel einer Truhe hoch und knöpfte sein Hemd auf. Nur ich stand dort und betrachtete die Truhen nachdenklich.
„Was ist, kommst du?“ fragte er wieder und ich schüttelte den Kopf. Er beobachtete mich eindringlich, dann zuckte er die Schultern und steig aus seiner Hose. Ich drehte ihm den Rücken zu und ging hinaus aus dem Raum. Dann suchte ich mir meinen Weg in die zweite Etage des Hauses, wo die beiden Frauen in getrennten Zimmern untergebracht waren. Weiter den Gang herunter schlief die Dienerschaft.
Allein der Gedanke, dass Sophia und Beth zu der niederen Dienerschaft gesteckt wurden, machte mich wahnsinnig wütend. Aber gerade jetzt musste ich meinen Zorn zügeln, auch wenn nur ein Funken reichen würde, um ihn wieder aufflammen zu lassen.

Ich schnupperte an der ersten Tür. Bingo. Hier musste Sophia wohl schon schlafen, denn ich hörte ihre tiefen, ruhigen Atemzüge. Lautlos wie ein Schatten machte ich die Tür auf und schlüpfte hindurch. Wie schon so oft in den vergangenen Monaten setzte ich mich zu ihr auf die Bettkannte. Meine Finger, die durch ihr wirres Haar strichen, hätten auch Schmetterlinge sein können, so sanft war die Berührung. Allein die Kälte weckte sie auf. Verschlafen blinzelte sie mich an. Es dauerte einen Moment, bis sie mich erkannte.
„Na du Murmeltier?“ flüsterte ich und setzte mich so, dass ich sie in den Arm nehmen konnte. Sie schmiegte sich an mich und legte den Kopf auf meine Brust.
Nachdenklich sah sie in die Dunkelheit.
„Josef?“
„Mhh?“ brummte ich zurück und sah aus dem Fenster, während meine Hände ihr Haar kämmten.
„Darf ich dich mal etwas fragen?“ ich sah zu ihr herunter und lächelte.
„Natürlich, mein Engel. Alles, was du magst.“
Sie überlegte einen Moment.
„Als Lance das gesagt hat... dass Beth und ich noch keine Vampire sind... wieso hast du da so heftig reagiert? Willst du denn nicht, dass ich so werde wie du?“
Ich seufzte. Von allen fragen musste sie mir ausgerechnet diese eine stellen, die ich mir schon so lange im Kopf selbst beantwortet hatte. Ich hatte mir die Worte für diesen Moment sorgfältig zurecht gelegt.

„Nein.“ sagte ich schlicht. Überrascht hob sie den Kopf von meiner Brust und sah mich an. Das Mondlicht vom Fenster spiegelte sich in ihren Augen und ich sah mich selbst darin, verzerrt zwar, aber ich konnte deutlich den Schmerz in meinen Augen erkennen, der sich in ihren widerspiegelte.
„Lass mich dir das erklären, ja?“ fragte ich leise und seufzte. „Sophia, du weißt die Antwort doch, oder? Denk mal scharf nach.“ versuchte ich ihr auf die Sprünge zu helfen. Da brauchte sie nicht lang überlegen.
„Es ist wegen Sarah, hab ich Recht? Weil du Angst hast, es könnte schief gehen oder ich könnte dabei sterben.“ erklärte sie schlicht und ich nickte nur. An dem Tag, an dem ich Sarah aus den Trümmern gezogen hatte, mit gebrochenen, verrenkten Gliedern, hatte ich mir hoch und heilig geschworen, nie wieder einen Menschen zu verwandeln.
„Aber was ist, wenn du nun keinen anderen Ausweg hast? Wenn ich in Lebensgefahr schwebe oder im Sterben liege? Würdest du dann...“
Ich konnte mich gerade noch davon abhalten, den Kopf zu schütteln. Ich würde sie zum Tode verurteilen. Aber sagen konnte ich ihr das niemals.
„Ich werde dafür sorgen, dass du niemals in Gefahr kommst.“ flüsterte ich leise. Innerlich lachte ich wütend. Hatte ich das nicht schon so oft gesagt? Und wie oft hatte ich das geschafft? Immerhin war sie von Catherine entführt worden. Und von Auto überfahren. Okay, vielleicht war das Catherines Schuld gewesen, denn in beiden Fällen hatte sie mich davon abgehalten, bei Sophia zu sein. Diesmal jedoch nicht. Das würde ich nicht zulassen.
Die nächsten Worte musste ich mir wirklich abringen. Sie auszusprechen war so, als hätte man mich gezwungen, glühende Kohlen zu essen.
„ich verspreche, dass ich es versuche, wenn du wirklich keinen anderen Ausweg mehr hast. Aber sonst nicht, verstanden?“ sie nickte gegen meine Brust.
„Verstanden.“ flüsterte sie leise, dann schwieg sie nachdenklich.
„Josef?“ fast musste ich schmunzeln. Man hörte das lachen in meiner Stimme, als ich zustimmend brummte.
„Mhhh?“
„Was meint du, was Treasure gerade macht?“ fragte sie so leise, dass ich Mühe hatte, sie zu verstehen. Aber ich nahm das Zittern in ihrer Stimme wahr und zog ihr die Decke höher über die Schultern. Ich wusste, dass das Zittern nicht von der Temperatur kam..

„Sicher schläft sie schon lange. Und das solltest du auch tun.“ ich küsste sie auf den Kopf und wischte mit dem Zeigefinger die Tränen fort, die unter ihren geschlossenen Lidern hervorquollen.
„ich vermisse sie.“ murmelte sie und vergrub den Kopf an meiner Brust. Ich seufzte leise, ein Geräusch, dass ich in letzter zeit öfter von mir hörte.
„ich auch.“ flüsterte ich zurück, aber da war sie schon eingeschlafen.
 
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