Meine Geschichten
  Wer andern eine Grube gräbt...
 
Catherine wusste nicht, wann sie sich zuletzt so schlecht gefühlt hatte. Als Vampir vermutlich noch nie. Höchstens seelisch, zu der Zeit, als Josef sie verlassen hatte. Ohne ein Wort war er gegangen, als er dachte, er hätte sich unter Kontrolle. Sie wusste es besser. Sie wusste, dass es nicht so war, egal, was er selbst sagte. Zu gern hätte sie gesehen, wie er Sophia in Fetzen riss bei ihrer ersten Begegnung... aber leider war es ihr nicht vergönnt gewesen. Stattdessen hatte sie den Fehler gemacht, ihn herauszufordern.
Selbst jetzt noch könnte sie mit dem Kopf gegen die Wand schlagen für ihre eigene Dummheit. Sie hatte ihn angestachelt und ihm immer einen neuen Grund gegeben, sie zu hassen, anstatt ihn gleich zu töten. Vielleicht war es jetzt ganz gut, dass sie versagt hatte.

Doch in anderer Hinsicht hatte sie nicht versagen dürfen, und doch war es passiert. Sie hatte sich von David in eine Falle locken lassen. Er hatte sie auflaufen lassen und war geflüchtet und jetzt drückte er sich dort draußen jenseits der Panzerglasscheibe herum und warf ihr Blicke zu, so voller Schadenfreude und Hass, dass sie ihm am liebsten ins Gesicht gespuckt hätte.
Jetzt wusste sie auch, was passiert war. David hatte sich mit der Legion abgesprochen. Das Massaker auf dem Marktplatz war abgesprochen gewesen. Sie hatten es geplant, um sie zu fangen. Und obwohl David einer ihrer Art war, ein Bruder, wenn man so wollte und ein ziemlich alter und mächtiger noch dazu, machte er mit der Legion Geschäfte, als gäbe es diese ganze Geschichte um das Abschlachten von Vampiren nicht. Als könnte man nebeneinander existieren, wenn man nur böse genug war.

Wieder sah er zu ihr herüber, dann ging er zu der rothaarigen Militärziege, die sie schon dreimal befragt hatte. Aber außer tödlichem Schweigen war nichts über ihre Lippen gekommen. Sie wusste ja nicht mal, wo Josef und die anderen gerade waren. War es bei den meisten anderen nur eine Ausrede, wusste sie es wirklich nicht und das fuchste sie so. Zu gern hätte sie Mick und besonders Josef und noch mehr dieses Flittchen Sophia ans Messer geliefert, aber es ging nicht.
Eine Genugtuung hatte sie jedoch. Ihre Tat ging gerade in den Medien um die ganze Welt. Sie würde die Existenz der Vampire enthüllen und die Legion würde leichtes Spiel haben.

In dieser Hinsicht hatte sie sich aber auch selbst ins eigene Fleisch geschnitten. Denn immerhin war sie eine Vampirin. Sie war älter und mächtiger als Josef. Aber leider war sie nicht so schlau wie er.
Josef Kostan und schlau, dass sie nicht lachte! Der Junge hatte wie immer mehr Glück als Verstand.
Das änderte aber nichts daran, dass sie jetzt hier hockte und nicht er. Vorsichtig versuchte sie, sich etwas bequemer hin zu setzen, aber es war zwecklos. Die Silberketten ließen ihre Arme und Beine nicht mehr reagieren. Es fühlte sich an, als wäre man sehr, sehr lang gerannt. Die Knie zitterten einem und brachen wieder unter dem Körper weg, zu schwach dessen Gewicht zu tragen.
Das gleiche war es mit den Armen. Catherine fühlte sich, als sei sie einen Marathon gelaufen und habe hinterher drei Stunden am Stück Tennis gespielt. Auch ihr Kopf blieb nicht verschont. Vielleicht steckte in ihrem Schädel ja Holzwolle statt eines Hirns? So fühlte es sich zumindest an. Ihre Ohren waren verstopft.

Zwischen all der Folter musste in dem Freshie, den man ihr gestern und heute gegeben hatte, noch etwas anderes gewesen sein. Eine Droge in seinem Blut vielleicht. Sobald sie den Kopf hob, drehte sich alles, also ließ sie sich wieder an der Wand herunter sinken und spielte die Teilnahmslose. Im Moment war ihr wirklich alles egal. Sollten sie sie foltern. Viel würden sie ohnehin nicht aus ihr heraus bekommen. Erstens, weil sie nichts wusste und zweitens, weil sie niemals andere Vampire verraten hatte. Leider war 'niemals' ein sehr dehnbarer Begriff in Catherines Augen. Vielleicht würde sie schwindeln und einfach sagen, Josef hätte ihr gesagt, sie seien in die Wüste Gobi unterwegs gewesen. Wenn man bedachte, was Sonneneinstrahlung mit Vampiren machte, würde die Legion lange suchen müssen und nicht mal ein Aschehäufchen finden. Andererseits würde sie ihm damit nur ein Alibi geben, einen Vorsprung und das war das letzte, was sie wollte. Sie wollte, dass er so litt wie sie. Hätte sie doch nur Sophia umgebracht, als sie die Chance gehabt hatte oder dieses vermaledeite Kind. Wie das entstanden war, konnte sie sich immer noch nicht zusammenreimen. Es war körperlich unmöglich für Vampire, Kinder zu zeugen geschweige denn auszutragen. Wie also hatten sie es angestellt? Vielleicht hatte die kleine Schlampe ihn auch einfach betrogen und er war so blind und merkte es nicht? Wundern würde es Catherine nicht. Soo gutaussehend und toll war Josef nun auch wieder nicht. Sie verfluchte sich dafür, dass sie einmal an ihm gehangen hatte, ja, sie hatte ihm sogar geholfen in der ersten Zeit der Umgewöhnung nach den fünfzehn Jahren des Mordens und des Terrors.

Von ihr aus hätte er so bleiben können, aber es war nicht ihre Entscheidung gewesen.
Mikhael und die anderen hatten sie praktisch dazu gezwungen und so hatte sie sich um ihn gekümmert und geholfen, den völlig verstörten jungen Vampir zu erziehen. Bis mehr daraus geworden war als das Verhältnis einer Mentorin zu ihrem Schüler. Und dann war er einfach gegangen, ohne ein Wort. Eines Nachts war sein Sarg leer. Mikhael und die anderen schienen zu wissen, wo er war, aber sie sagten es ihr nicht. Dafür konnte sie sie verfluchen. Wenn sie ehrlich war, liebte sie ihn immer noch ein bisschen. Wenn r lächelte... das Funkeln in seinen Augen, wenn er Durst hatte... ihm dabei zuzusehen wie er seinen Hunger befriedigte, war eine reine Wonne gewesen. Und jetzt hing er wahrscheinlich permanent an der Ader dieser Viehtreiberin. Ob er sie schon getötet hatte? Wie gern sie das getan hätte...

Plötzlich ging am anderen Ende des Ganges eine Tür auf. Die Militärziege und David drehten sich herum. Sie bemerkte das zufrieden Lächeln, dass über sein Gesicht flog, dann machten die beiden den Weg frei für die zwei Legionäre und den bewusstlosen Mann, den sie zwischen sich trugen. Er hinterließ beim nachschleifen eine Blutspur auf dem Fußboden und seine Kleidung war schmutzig und zerrissen. Sein Haar fiel ihm wie ein dunkle Vorhang ins Gesicht und zuerst erkannte  sie nicht, wer er war. Aber dann wurde er in die Zelle ihr gegenüber geworfen und angekettet und er hob den Kopf.
Zuerst konnte Catherine nicht glauben, was sie sah, aber dann grinste sie befriedigt. Es war ein kleiner Triumph, aber es war ein Triumph.

*


Mick spürte nicht einmal mehr, wie sie ihn in die kleine, dunkle Zelle stießen. Die Schmerzen der Silbermunition waren zu stark. Er hatte versucht, dagegen an zu kämpfen, aber alles was passierte, wenn er versuchte, den Schmerz auszublenden, war, dass er alles ausblendete. Er wurde schlichtweg immer und immer wieder ohnmächtig. Während das Brennen in seinem Körper immer stärker wurde, merkte er nicht, dass sie ihn auch noch mit silbernen Handschellen an die Wand fesselten.
Grob erinnerte er sich noch, was Josef ihm über seine Zeit hier erzählt hatte.
Es war nicht schön gewesen. Auch wenn es ihm nicht passiert war, stellten sich ihm doch die Nackenhaare bei Josef leiser und stockender Erzählung auf. Und jetzt sollte ihm das gleiche passieren? Das konnte er nicht glauben. Was hatte er sich nur dabei gedacht, als er über die Lichtung gerannt war? Warum war er nicht bei den anderen geblieben und hatte mit ihnen zusammen einen Plan ausgearbeitet?

Nachdem die Kugeln ihn getroffen hatten, hatte er nur noch mit bekommen, wie man ihn gepackt und mitgenommen hatte. Von dem verbleib der anderen wusste er nichts. Hatten sie es alle geschafft, aus dieser Hölle zu entkommen? Oder würden sie gleich alle einer nach dem anderen herein geschleppt werden und zu ihm in die Zelle gesperrt werden? Er hoffte es nicht.
Vorsichtig sah er hoch. In der Zelle ihm gegenüber saß eine Vampirin, die ihm seltsam bekannt vorkam. Doch seine Sicht war verschwommen und so musste er ein paar Mal blinzeln, bevor er wieder klar sah. Und dann fuhr ihm der Schreck in die Glieder. Das war Catherine! Die Catherine, die Josef damals verfolgt hatte. Die Sophia in Gefahr gebracht und fast getötet hatte, war hier. Vor seiner Zelle stand eine Frau und ein weiterer Mann, augenscheinlich auch ein Vampir, aber den hatte Mick noch nie gesehen.

Und links und rechts von Catherine saßen noch zwei Vampire in Zellen fest, die er nur zu gut kannte.
Da war der Vampir den er immer noch nicht namentlich kannte. Er hatte im letzten Sommer den Geldgeber des Casinos umgebracht und Josef hatte ihn gehen lassen. Und dann war da noch eine Freundin Lielan. Die beiden sahen nicht sonderlich gut aus. Der Junge blutete aus mehreren Wunden und schien mehr Farbe zu haben als die anderen hier, einschließlich des Mannes vor der Tür. Aber das konnte nicht sein.
Er wollte nicht weiter darüber nach grübeln, beschloss Mick, denn das denken bereitete ihm noch mehr Schmerzen als alles andere. Also schloss er die Augen und öffnete sie erst wieder, als die Tür aufging. Den Mann, der jetzt herein kam, hatte er auch schon einmal gesehen.

Dr. Richard Thomson näherte sich ihm vorsichtig. Er schien seinem geschwächten Zustand nicht zu trauen und auch nicht den schweren Ketten, die ihn teilweise lähmten und es unmöglich machten, dass er sich bewegte, geschweige denn dass er sich wehrte.
Mick schob sich mit letzter Kraft an der Wand hoch. Er wollte seinem Peiniger nicht hockend begegnen. Ein Fauchen kam aus seiner Kehle, aber es klang so rau, wie selbige sich anfühlte. Es war, als hätte man ihm den Schlund mit Sand ausgekleidet und er hatte Durst. Wenn der Mann ihm nur ein bisschen näher kam, konnte er...

So sehr er es auch verabscheute, Menschen zu beißen und von ihnen zu trinken, aber ein Glas A-Positiv frisch aus dem Kühlschrank würde er hier wohl kaum bekommen. Also musste er nehmen, was er kriegen konnte.
„Ganz ruhig.“ kam es aus dem Mund des Arztes. Er wusste ohnehin, was er war, dachte Mick, was machte es also noch für einen Unterschied? Er schob sich noch ein Stück hoch und flog dann ruckartig nach vorn, die Eckzähne gefletscht und wütend knurrend.
Dr. Thomson machte geistesgegenwärtig einen Satz zurück, halb hinaus aus der Tür, um außer Reichweite der gebleckten Zähne zu ein. Der Blick, den Mick ihm zuwarf, war so voller Hass, dass er zurück zuckte.

„Ich will Ihnen helfen!“ flüsterte er, aber Mick konnte die Angst riechen, die von ihm ausströmte. Wenn er ehrlich war, konnte er sie fast schon sehen.
Er fauchte zornig. „Sie wollen mich töten, dass ist alles!“ kreischte er und warf sich wieder gegen die Ketten. Es machte leise „plonk“ und eine Niete löste sich aus der Wand. Durch den Zug wurde sie beschleunigt und bohrte sich recht eindrucksvoll in das Zentimeterdicke Panzerglas der Scheibe. Währe Dr. Thomson nicht weg gesprungen, die Schraube hätte sich in seinen Kopf gebohrt und sein leben augenblicklich beendet.

So aber machte er noch einen Schritt auf Mick zu und zog eine Spritze aus seiner Jackentasche.
„ich gebe Ihnen das. Dann geht es Ihnen sicherlich gleich besser. Zumindest... hat man mir das gesagt.“ murmelte er unsicher. Mick blieb stehen, die Augen noch immer sprühend vor Zorn. Sollte er nur kommen. Er würde ihn packen, ihm das Rückgrat brechen und ihn dann leer saugen.
Aber den Fehler machte der Arzt nicht. Er hatte in seinem Leben viele Patienten behandelt. Gut, keinen so speziellen wie diesen, aber er wusste, dass etwas nicht stimmte. Der Mann stand still, aber er stand zu still. Er plante etwas. Das hatte er zuletzt gesehen, als ein Alkoholiker ihn mit seinem eigenen Skalpell hatte attackieren wollen. Die Narbe an der Schulter hatte er immer noch. So einen Fehler würde er nicht noch einmal machen.

Vielleicht sollte er es so machen wie manche Tierpfleger es machten. Wenn es dort Tiere gab, die wütend waren oder nicht taten, was sie sollten, sich falsch benommen hatten oder was auch immer, dann schlug oder bestrafte man sie nicht. Man ignorierte sie, bis sie sich wieder beruhigt hatten oder ihr schlechtes Betragen vergaßen und versuchte es dann erneut.
Aber das war leichter bei einem Tier, das weniger intelligent war als ein Mensch oder in dem Fall ein … Vampir.
Aber wie lange sollte er einfach hier stehen? Bis der Kerl einschlief oder ohnmächtig wurde? Das schien öfter zu passieren, so auch jetzt. Bevor er sich versah, sackte der junge Mann an der Wand nach unten. Die ketten klirrten leise. Jetzt war seine einzige Chance.

Schnell fummelte er die Kappe von der Kanüle und der Spritze mit der klaren Flüssigkeit, dann trat er an den Vampir heran und jagte ihm die Nadel in die Halsschlagader. Schlagartig war Mick wieder wach, fauchte, kreischte vor Schmerz schrill auf und warf sich ihm entgegen, augenscheinlich mit der Absicht, ihn für den erlittenen Scherz zu töten. Dr. Thomson flüchtete so weit, dass er mit dem Rücken zur Plexiglaswand stand. Krachend riss noch eine Schraube aus ihrer Verankerung und flog funkensprühend gegen die Decke. Er hatte gesehen, was Vampire anstellen konnten, wenn sie die Kraft dazu hatten. Das verdammte Mittel musste wirken, es musste einfach!
Er drehte den Kopf weg, den heißen Atem des Mannes auf dem Gesicht, der nur Zentimeter von ihm entfernt stand. Seine gefletschten Reißzähne schnappten wieder und wieder ins leere, mit einem unheimlichen, klackenden Geräusch. Nur zu gern hätte er diese Zähne in seinen Hals gesenkt, das wusste Richard.

Dann plötzlich riss der Mann den Kopf zurück und röchelte. Zuckend und sich windend ging er zu Boden. Er schien einen epileptischen Anfall zu haben, aber Dr. Thomson wusste es besser. Das stellte das Heilmittel mit allen Vampiren an, die es bekamen. Nach einiger zeit würde das Zucken aufhören. So lange würde er warten müssen.
Es wurden die quälendsten fünf Minuten seines Lebens.
„Verzeih mir. Sie zwingen mich dazu.“ flüsterte er, als er niederkniete und dem Mann die Augenlider zudrückte. Sofort kamen zwei Soldaten und trugen ihn aus dem Raum. Dr. Thomson hatte sich noch nie so schlecht gefühlt.

*


Devon Danes beobachtete das ganze von draußen. Sie sah, wie Richard Thomson nach draußen kam und ohne ein Wort davon ging. Er schwankte leicht und es war ihr, als würde er jeden Moment umfallen. So aber lief er nur an ihr vorbei, grüßte nicht, gab keinen Bericht ab. Er ging einfach nur weg.
Der Vampir hatte sich inzwischen vollkommen beruhigt und zwei Pfleger wickelten ihn in Decken und trugen ihn raus, in eine andere Zelle eine Etage höher, wo er es besser hatte als hier. Dort würde er vierundzwanzig Stunden medizinisch überwacht und versorgt und Devon wusste schon genau, wer diese Aufgabe übernehmen würde.
„Nun, wir haben zwar nicht die Frauen, wie besprochen, aber das ist doch schon einmal etwas.“ sagte sie zufrieden lächelnd. David neben ihr nickte und warf Catherine noch einen Blick zu, der sie schrill fauchen ließ, was natürlich keiner hören konnte außer ihr selbst.
„Ich hätte lieber Josef dort drin sitzen gehabt, aber man kann wohl nicht alles haben.“ murmelte David düster.
Es ist ein Anfang. Und ein guter noch dazu. Wir werden euch bekommen, einen nach dem anderen... Und Josef hebe ich mir bis zum Schluss auf.
 
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