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Kapitel 22 – Ein neues Mitglied

Nach dieser Neuigkeit herrschte Schweigen. Patricia sah uns alle einen nach dem anderen aufmerksam an.
„Nun, wenn Sie nur das wissen wollten...“ meinte sie und schloss das Büchlein wieder in den Schrank. „Haben Sie sonst noch etwas angefasst oder gestohlen?“ fragte sie misstrauisch und ließ sich nicht beeindrucken, dass wir mehr waren als sie. Auch dass wir Männer waren, zumindest zum größten Teil, schien sie nicht sonderlich zu beeindrucken.
„Meine Dame, wenn dem so wäre, wären wir dann noch hier?“ fragte ich freundlich lächelnd und ignorierte Sophias wütenden Blick. Selbst sie würde einmal verstehen, dass es in manchen Situationen durchaus erlaubt war, mit fremden Frauen zu flirten. Zudem hatte diese Patricia Robins nichts, was Sophia nicht auch oder sogar besser hatte, das sah ich auf einen Blick.

Vielleicht lag es nur daran, dass sie ihrer Großtante so ähnlich sah, aber sie zog mich wie magisch an. Ich war fasziniert von ihr, weil ich mich in die Zeit auf dem Schiff zurück versetzt fühlte. Ihre Stimme riss mich aus meinen Betrachtungen.
„Da ist doch noch mehr an der Sache, oder?“ fragte sie und kam mit schief gelegtem Kopf auf mich zu wie jemand, der ein besonders interessantes Kunstobjekt studiert.
„Noch mehr an welcher Sache, bitte?“ fragte ich höflich und schalt mich im Stillen einen Lügner. Ich wusste genau, was sie meinte.
„Sie wissen, was ich meine.“ sagte sie dann auch. In der Hinsicht war sie ihrer Verwandten so ähnlich dass ich mir, wäre ich mir nicht sicher gewesen, dass Emily gestorben war, Sorgen gemacht hätte, die Frau vor mir könnte ein Vampir sein. Aber dass dem nicht so war, wusste ich nur zu gut. Dann hätte ihr der Aufprall auf den Poller nichts ausgemacht. Natürlich wären ihre Knochen gebrochen, aber sie wären wieder geheilt. Selbst, wenn sie sich das Genick gebrochen hätte, wäre das nur ein Knochenbruch gewesen, der geheilt wäre wie alle anderen. Daran wäre sie nicht gestorben und das kalte Meerwasser des Atlantiks hätte ihr ebenso wenig ausgemacht wie ein Schläfchen in einer Kühltruhe. Aber nein. Etwas an dieser Frau und der Frau aus meiner Erinnerung war anders. Emilys Augen waren hellgrün gewesen, wie Licht, dass durch junges, grünes Laub fällt.

Patricia Robins Augen aber waren dunkelblau, wie Meerwasser. Ihre Haut war dunkler als Emilys, wenn auch nur um eine winzige Nuance. Auch nach fast hundert Jahren wusste ich noch genau, wie hell ihre Haut gewesen war. Wie sie geschmeckt und gerochen hatte. Das Gefühl der feinen, hellen Härchen, wie das Fell einer jungen Katze an ihren Oberarmen, wenn ihr kalt war. Ich hatte nur vier Tage mit ihr verbracht und nie gedacht, dass in so kurzer Zeit aus einem eiskalten Blick, den sie mir geschenkt hatte, Liebe werden konnte. Aber das war es. Von dem Moment an, an dem ich sie an mich gedrückt hatte, damit sie nicht über die Reling in den sicheren Tod stürzte. Hatte sie nicht wie dafür geschaffen in meine Umarmung gepasst? War es nicht so bestimmt gewesen, dass wir uns trafen?

Von dem Moment an, an dem sie mir erlaubte, sie zu beißen und in dem ihr Blut süß und warm meine Kehle herunter strömte, war dort eine Verbindung zwischen uns. Keiner von uns erkannte sie, doch ich wusste es, als sie ging. Als ich sie mit aller Macht daran hindern wollte, mich zu verlassen. Gedanklich. Ich hätte sie niemals wirklich daran gehindert, aber der Wunsch danach hatte bestanden. Und dann der Kuss. Nie würde ich vergessen können, wie ihre Lippen geschmeckt hatten. Wie Honig und süße Milch, wie... ich fand keinen passenden Ausdruck und es war egal. Vielleicht hätte ein poetischerer Mann als ich gesagt, dass davor und danach nie wieder ein Kuss so geschmeckt hatte wie dieser eine gestohlene Moment auf dem Promenadendeck, aber zu meiner Schande stimmte das nicht. Ich hatte seitdem viele, viele Frauen geküsst, manche ehrlich, manche nicht. Und bis ich Sophia traf, hatte ich bei keiner davon das Gefühl gehabt, das ich mit Emily auf dem Schiffsdeck gehabt hatte. War das so etwas wie ein Vorzeichen wahrer Liebe? War das das Zeichen wahrer Liebe? Es schien so. Und doch würde ich es nie wirklich erfahren. Es drängte auch nichts danach. Das hier und jetzt war wichtig. Sophia und Treasure und sonst niemand.
Und wo wir gerade vom hier und jetzt sprachen, starrte Miss Robins mich seit geschlagenen fünf Minuten an und wartete auf eine Reaktion.

„Wie bitte?“ fragte ich höflich und tauchte aus meinem Tagtraum auf. In Gedanken sah ich wieder den Kuss vor mir. Es hatte nicht viel gefehlt, und ich hätte Emilys Verschnürung des Kleides gelöst, um... Gegenwart, dachte ich panisch, Gegenwart Josef!
„Entschuldigen Sie, ich war in Gedanken.“ erklärte ich und Miss Robins musterte mich immer noch skeptisch. „Nun, ich meinte soeben, dass ich Ihnen das mit der Großtante nicht abkaufe. Ich kenne meinen Stammbaum sehr genau, müssen Sie wissen, und da tauchen Sie nicht auf. Wie alt sind Sie, was sagten Sie noch gleich?“ fragte sie und ich hätte um ein Haar entrüstet geschnaubt.
410 in ein paar Tagen, wenn Sie es genau wissen wollen. Dachte ich leise.
„Ich denke, das geht Sie wirklich nichts an, aber wenn Sie es wissen wollen, ich bin exakte dreißig Jahre alt.“ Ein Glück, dass man uns Vampire nicht mal ansah, wenn wir die zweitausend überschritten hatten, da wir in dem Zustand blieben, eingefroren sozusagen, in dem wir gebissen worden waren. Was auch das Alter betraf. Ich war biologisch dreißig gewesen, als mein Erzeuger mich gebissen hatte, und das würde ich bis an mein Ende sein.

„Ich... entschuldigen Sie bitte.“ murmelte sie errötend und senkte den Blick. Die Ähnlichkeit versetzte mir einen Stich. Das hier war Emily, mochte die Zeit sagen, was sie wollte. Ich lächelte halb. „Ist schon in Ordnung. Jetzt wissen Sie meinen Namen und mein Alter. Noch etwas? Was ich zuletzt gegessen habe vielleicht? Meine Lieblingsfarbe? Oder vielleicht, was für Kinofilme ich zuletzt gesehen habe? Zu Ihrer Information, es war ein Toast Hawaii und ein Glas französischer Rotwein, meine Lieblingsfarben sind schwarz und dunkelrot und der letzte Film, den ich im Kino gesehen habe, war „Interview mit einem Vampir“.“ sagte ich und lächelte freundlich. Im gleichen Moment fühlte ich, wie Micks Griff um meinen Arm sich verstärkte, als fürchte er, ich könnte zu viel sagen, wie vor so ewigen Zeiten in Sophias Wohnung. Den selben Fehler würde ich nicht noch einmal machen.

„Ich hätte nicht nachfragen dürfen, verzeihen Sie.“ murmelte sie. Dann sah sie mich wieder so stechend an, dass ich unwillkürlich einen Schritt zurück machte.
„Aber das erklärt immer noch eines nicht. Sie sehen mir nicht wie Touristen aus. Und auch nicht wie normale Museumsbesucher.“ erklärte sie. Vielleicht hätte ich statt eines Armanianzuges Shorts und Sandalen mit Tennissocken tragen sollen? Ich seufzte resignierend.
„Und woher, junge Frau, wollen Sie das so genau wissen?“ fragte ich beherrscht höflich nach.
Sie gestattete sich ein Zwinkern in meine Richtung und ich merkte, wie Sophia neben mir die Lippen zusammenkniff. Ich rieb ihr tröstend über den Arm zum Zeichen,dass das hier einfache Konversation war. Aber dort, wo Miss Robins sich mit ihrer Konversationstechnik jetzt hinbewegte, schwebten wir gefährlich nahe über einem gähnenden Abgrund, von dem keiner von uns genau wusste, wie tief er war.

„Nun ja, gewöhnlichen Touristen wird es normalerweise nicht gestattet, den Schlüssel zu den Schränken zu besitzen. Oder haben Sie den dem armen Fred draußen etwa auch gestohlen?“ fragte sie und sah schon nicht mehr so freundlich aus.
„Was meinen Sie mit „auch“?“ fragte ich ruhig, aber mit einer Spur Stahl in der Stimme.
„Hatten wir nicht klar gestellt, dass wir nichts gestohlen hatten? Aber falls sie es wissen wollen, wir sind keine gewöhnlichen Touristen. Wir sind...“
„Im Auftrag der Regierung hier. Es … das ist nicht leicht zu erklären.“ versuchte Mick die Situation zu retten und machte alles nur noch schlimmer, ob unwissentlich oder nicht. Denn diese Frau war niemand, die einen einmal gerochenen Braten so schnell wieder los ließ, darin ähnelte sie ihrer Großtante zu sehr. „Die Regierung? Seit wann interessieren die sich für...“
„Ein paar schimmelige Türen und Kronleuchter? Das frage ich mich langsam auch.“ murmelte ich leise, für einen Moment auf die Infraschallfrequenz verzichtend. Ein Fehler. Sie hatte mich gehört. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen hätte ich auch ihren erstgeborenen Sohn einen Penner schimpfen können, es wäre nicht schlimmer gewesen. Das wäre wahrscheinlich noch glimpflich ausgegangen. Nicht so das, was uns jetzt erwartete.

Schimmelige Türen und Kronleuchter? flüsterte sie mit einer Stimme, die direkt einem Grab entstiegen schien. Ich hatte Recht gehabt. Ihren Sohn zu beleidigen, falls sie den hatte, wäre die besser Option gewesen. Jetzt war es zu spät. Ein nicht so mutiger Mann wäre vielleicht nervös schluckend zurück gewichen, nicht aber ich. Dazu hatte ich in meinem Leben zu viel gesehen, das schlimmer war als eine Frau, die einhundert Jahre alten Metallschrott verteidigte.
„Wissen Sie, wie viel diese schimmeligen Türen und Kronleuchter, wie Sie sie nennen, wert sind?“ flüsterte sie weiter und kam noch ein Stück auf mich zu, um mir den Finger in die Brust zu bohren.

„Also gut, diese unglaublich wundervollen, gut erhaltenen Sammlerstücke.“ rang ich mich zu sagen durch und sie sah gleich besänftigter aus.
„Nun also, wir wurden von der Regierung geschickt, vom Präsidenten höchstselbst sozusagen.“ Ob es auffiel, wenn ich die Wahrheit fast schon bis zum Zerreißen dehnte? Es war alles eine Sache der Auslegung, rief ich mir ins Gedächtnis. Wenn wir hier wieder raus waren, würde niemand nachverfolgen können, woher wir gekommen waren, schließlich verloren sich unsere Spuren irgendwo in der spanischen Wüste.
„Nun wissen Sie, da gibt es diese Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, Kunstschätze auf der ganzen Welt an sich zu bringen und wir haben den Tipp bekommen, dass sie als nächstes hier versuchen werden, ein paar Ausstellungsstücke zu stehlen, deswegen...“
Miss Robins ließ mich nicht ausreden.

„Nun hören Sie mal. Es ist ja nicht so, dass wir hier die Mona Lisa oder das letzte Abendmahl ausgestellt hätten. Was könnte für diese Ihre Organisation so von Wert sein, was hier lagert?“ fragte sie und drehte sich mit ausgebreiteten Armen einmal im Kreis, um auf den ganzen Raum zu deuten.
Ich lächelte leicht.
„Ich hatte gehofft, dass Sie mir das würden sagen können.“ erwiderte ich und sie seufzte leicht.
„Nun, es gibt schon ein paar Stücke... Einrichtungsgegenstände, Schmuck, Möbel, die sehr viel wert sind und die es sich zu stehlen lohnen würde, aber...“ sie warf mir einen neuerlichen, stechenden Blick zu.
„Woher weiß ich, dass sie nicht mit dieser Organisation unter einer Decke stecken und nicht ebenfalls versuchen, Teile der Titanic zu stehlen? Immerhin sind Sie scheinbar mühelos an den Schlüsselbund zu sämtlichen Schränken hier gelangt.“ stellte sie fest und musterte mich kritisch, als könnte ich mir eine Sturmhaube überstreifen und sie mit gezogener Waffe zwingen, mir die wertvollsten Stücke ihrer Sammlung auszuhändigen.

Mein Lächeln blieb, aber jetzt schon nicht mehr so deutlich.
„Meine gute Frau, wenn dem so wäre, würde ich dann hier stehen und mit Ihnen plaudern?“ fragte ich. „Nein, denn wenn dem so wäre, wie Sie sagen, dann würde ich hier mit einer Waffe in der Hand stehen – glauben Sie mir, dessen würde es nicht einmal bedürfen – und Sie zwingen, mir zu geben, was ich brauche. Wir sind hier, um für Ihre Sicherheit zu garantieren.“ klärte ich sie auf. Die Skepsis wich nicht aus ihrem Blick.
„Aber der Schlüsselbund...“ fing sie an, doch Mick unterbrach sie.

„An den Schlüsselbund kamen wir, weil der Mann an der Kasse ihn uns gab. Wir haben nicht einmal darum gebeten, er hat ihn uns praktisch nach geworfen.“ erklärte er und wechselte einen Blick mit mir. Ich nickte bestätigend. „Wir telefonierten mit einem unserer Kontaktmänner aus den Staaten, der uns Informationen über die Le- über die Organisation verschafft. Er sagte uns, wo sie ankommen würden und was zu tun sei. Naja nachdem der nette Herr an der Kasse das wusste, wollte er uns helfen und gab uns die Schlüssel.“ beendete ich meine Erzählung. Lange Zeit sagte niemand etwas. Schließlich seufzte Miss Robins. „Gut, ich glaube Ihnen. Aber was können wir tun?“ fragte sie und ich zog eine Augenbraue hoch.
Wir?“ fragte ich und sah sie überdeutlich an. Dann schüttelte ich den Kopf.
„Sie meinen wohl, was können wir“, Ich deutete auf mich und meine Freunde, „tun? Denn Sie werden uns dabei nicht von Nutzen sein.“ Ihr klappte entrüstet der Mund auf.

„Nun hören Sie mal, ich kann sehr wohl...“
„Nein, können Sie nicht! Was auch immer Sie können, hilft uns nicht, okay?“ unterbrach ich sie rücksichtslos. Ihr Blick hätte mich töten müssen. Sie atmete tief durch.
„Ich frage noch einmal: Was kann ich tun?“ Verstand sie nicht, worum es hier ging? Oder wollte sie nur nicht sehen, wie gefährlich das hier bald werden würde, wenn die Legion wirklich kam?
Ich nahm einen tiefen Atemzug, gleichzeitig zur Beruhigung und zur Überprüfung der Lage. Und im Bruchteil einer Sekunde wusste ich, dass es zu spät war, noch lange zu diskutieren. Die Menschen hörten noch nichts, aber ich hörte genau, was draußen vor der Tür am Kassenschalter vor sich ging. Schreie, Schüsse, brechende Knochen. Zumindest den Schuss musste auch Miss Robins gehört haben, denn sie starrte mich erschrocken an.

„Was...?“ Eilends machte ich einen Schritt vor und schob sie durch eine Tür in einen anderen Korridor, Beth und Sophia hinterher.
„Zeigen Sie den beiden Damen doch den Rest der Ausstellung. Das ist sicher interessanter als langweilige … Verhandlungen.“ sagte ich eine Spur zu laut und eine winzige Spur zu ungezwungen, als das es glaubhaft sein konnte. Patricia warf mir noch einen skeptischen Blick hinterher, dann verwickelten Sophia und Beth sie in ein Gespräch, während sie den Korridor hinunter verschwanden. Ich atmete tief durch. Gut, die Frauen waren außer Reichweite der Legion. Die würden Sie nicht bekommen und die Ausstellung war groß und es gab viel zu erzählen. Unwahrscheinlich, dass sie wieder zurückkommen würden, solange wir beschäftigt waren.

Mein nächster Blick galt Guillermo und Mick. „Bereit?“ fragte ich leise und erntete von beiden ein leichtes Nicken. Gerade als vier schwer bewaffnete Männer mit Sturmhauben und Tunnelkleidung herein kamen. Ich trat einen Schritt vor, die Hände vor mir verschränkt, ein – wie ich fand – väterliches Lächeln im Gesicht. Gleichzeitig fluchte ich innerlich, weil niemand mit einer Kamera zugegen war.
„Hallo Ladies.“ trällerte ich fröhlich. Ich konnte praktisch hören, wie Mick neben mir die Augen rollte, aber ein bisschen Show musste sein.
Die Männer blieben verdutzt stehen. Sie hatten mit allem gerechnet, aber damit nicht.

„Schön, dass Sie Zeit gefunden haben, mit uns auf Tauchfahrt zu gehen. Wir zeigen Ihnen...“
„Schnauze!“ kam es unter einer Haube hervor und ich lächelte immer noch, aber so, dass sie alle vier die Zähne sehen konnten, jeder so lang wie das oberste Glied meines Daumens, die sich aus meinem Oberkiefer schoben.
„Wir gehen gleich mit euch auf Tauchfahrt!“ rief der Vorderste von ihnen und sprang auf mich los. Diese Menschen waren so langsam...
„Kein Bedarf, danke.“ erwiderte ich höflich und sah zu, wie der Mann an mir vorbei rutschte und mit dem Kopf zuerst in einen Glaskasten krachte. Scherben überschütteten ihn und er blieb, wo er war.
„He Mann, was soll das?“ rief einer seiner Freunde und eilte zu ihm, um ihm aufzuhelfen. Dafür musste er an mir vorbei. Ein großer Fehler. Ich packte ihn wie beiläufig am Kragen und schleuderte ihn in die andere Richtung, in die, aus der er gekommen war. Er krachte gegen die Wand.

„Das tut mir sehr Leid, aber das kann ich leider nicht zulassen.“ meinte ich freundlich. Die verbleibenden Männer sahen nicht gerade so aus, als würden Sie sich trauen, es mit mir aufzunehmen und nahmen sich Mick und Guillermo vor, nicht wissend, oder vielleicht doch, dass die beiden ebenfalls Vampire waren.
Auch bei ihnen wurden die Eckzähne sichtbar und die Augen änderten ihre Farbe zu einem milchigen eisblau.
„Ihr räudigen Bastarde!“ schrie einer der Männer und sprang auf Mick los.
„Diese Ausdrucksweise!“ rief ich gespielt pikiert. „Wenn deine Mutter dich hören könnte....“
Der Mann wechselte urplötzlich die Sprungrichtung wie ein Gummiball, der auf ein Hindernis trifft und von diesem abprallt und schoss auf mich zu. Hatte ich nicht bei seinen beiden Freunden bewiesen, dass das keine gute Idee war?
„Ich an deiner Stelle würde mir das gut über...“ fing ich an, da zog er wie aus dem Nichts eine Pistole. Es war, als würde er in einem schwerelosen Raum, in einer Seifenblase schweben, denn einen Moment lang war es, als würde die Zeit still stehen. Wie in Zeitlupe sah ich ihn auf mich zufliegen und dann nur noch den Rauch, der aus der Mündung der Pistole quoll. Es schien physikalisch gar nicht möglich zu sein, dass er so schnell im Flug eine Pistole zog, abfeuerte und dann, so wie er es jetzt tat, auf den Füßen sicher ein Stück hinter mir landete.

Ich schien in einer Verkettung physikalischer Unmöglichkeiten festzuhängen, denn ich sah die Kugel immer noch auf mich zu schießen, schon als er hinter mir gelandet war und spürte zwei Lidschläge später den Schmerz, als sich das silbrige Geschoss in meine rechte Schulter bohrte.
Jetzt war es mit den Spielchen ein für alle mal vorbei.
Ich griff mir in den Kragen meines Hemdes, nach der Stelle, an der die Kugel eingeschlagen war und bohrte mit spitzen Finger einen Augenblick lang in der Wunde, die Augen vor Schmerz zusammen gekniffen, bevor ich die Hand wieder heraus riss, die Kugel zwischen den Fingern. Angewidert warf ich sie von mir. Sie klapperte über den Boden und rollte unter einen Tresen.
„Das reicht.“ grollte ich dunkel und ging zu dem Mann, der gerade die Kugel abgefeuert hatte. Er kniete immer noch am Boden und hob die Pistole für den nächsten Schuss. Es knallte einmal, zweimal, dreimal.

Von den Schlägen gegen meine Schultern und gegen meine Brust wurde ich ein Stück zurück geworfen. Ich nahm nichts anderes wahr. Da war nur der Schmerz. Und der Hass auf den, der mir den Schmerz zufügte. Ich war wie ein Hund, der von seinem Herrn Schläge kassiert für etwas, dass er nicht getan hat. Aber anders als der Hund duckte ich mich nicht und machte mich nicht klein. Ich unterwarf mich nicht. Und irgendwann würde auch der Hund sich nicht mehr unterwerfen und seinen Herrn anfallen. Der Zeitpunkt war nun gekommen.
Ich ging seelenruhig zu ihm herüber, während er noch versuchte, neue Kugeln in seine Pistole zu laden. Dazu würde er nicht mehr kommen. Ich hatte später noch Zeit, mir die Kugeln aus dem Fleisch zu pflücken, aber zuerst musste er sterben.
Als ich vor ihm stand, sah er auf. Und er sah die blanke Mordlust in meinen Augen glitzern. Dass er nicht mehr entkommen konnte, war klar. Ich legte ihm die Hand um den Nacken, sanft. Strich vorsichtig daran herunter und sah zu, wie sich die Härchen an seinem Nacken aufstellten.

In einem Impuls zog ich ihm die Sturmhaube vom Kopf. Ich wollte sehen, wem ich gleich das Leben nahm. Helle braune Augen blickten in meine, fast die Farbe von Karamell. Ein dünnes schwarzes Band zog sich um die Pupille und Tränen standen in seinem Augen. Er zitterte.
„Schade... aus dir hätte etwas werden können...“ murmelte ich bedauernd. Meine andere Hand griff nach unten und zog ihm die Pistole weg, so sehr er sich auch daran klammerte, es würde ihm nichts bringen. Angewidert warf ich die Waffe von mir und legte dann auch meine andere, eiskalte Hand um seinen Nacken. Sein ganzer Körper versteifte sich, weil er wusste, was nun kommen würde. Ohne ein weiteres Wort drehte ich seinen Kopf um neunzig Grad. Krachend gaben die Wirbel nach, ich konnte hören, wie Sehnen rissen und sein Kopf klappte haltlos zur Seite. Aber ich spürte keine Befriedigung bei diesem Geräusch oder bei dem Anblick, als das Licht in seinen Augen erlosch und sie kalt und glanzlos wurden, stumpf.

Sicher, meiner Rache war Genüge getan. Ich hatte keine Revanche für die Kugeln bekommen. Die würden noch ein bisschen warten müssen. Ich drehte mich zu den anderen beiden herum, die mit ihren Angreifern ähnlich verfahren waren. Bis auf das Blut, dass an der Kugel geklebt hatte, die ich mir aus dem Fleisch gerissen hatte, war kein weiteres geflossen.
„Sehr schön.“ Tot waren die Männer trotzdem ausnahmslos. Nur stellte sich uns ein weiteres Problem: Wo hin mit den Leichen? Wenn ich die Geräusche draußen vor der Tür richtig interpretiert hatte, war der Kassierer kein Problem mehr. Trotzdem ging ich nachsehen, einen der Männer über der Schulter.

Draußen bestätigte sich meine Vermutung. Der Kassierer lag bäuchlings über seinem Tresen, Blut aus zwei Schusswunden direkt oberhalb des Herzens lief daran zu Boden. Der würde sicher nicht mehr sehen, was hier passiert war, also gab ich den anderen beiden ein Zeichen und wir trugen die vier Männer nach draußen. Ein ganzes Stück mussten wir laufen, bis wir das Gebäude ganz umrundet hatten und in den Hinterhof mit den Müllcontainern kamen. Mick rief gerade anonym drinnen die Polizei für den Kassierer, als Beth, Sophia und Miss Robins wieder kamen. Patricia schrie beim Anblick des Mannes erschrocken auf und ich musste sie auffangen, weil ihr die Knie nachgaben.
„Wir müssen hier weg! Haben Sie ein Auto?“ fragte ich eindringlich und sie nickte.
„Schwarzer Ford... draußen... auf dem.... Parkplatz.“ murmelte sie und ich hob sie kurzerhand hoch und trug sie nach draußen. Wir mussten verschwunden sein, ehe hier Rettungskräfte und Polizei eintrafen. Niemand würde uns glauben, dass wir es nicht gewesen waren, die den Mann umgebracht hatten.
Wenig später saßen wir im Wagen und waren auf und davon.
 
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