Meine Geschichten
  Rache
 
Sobald ich durch die Tür brach, war es, als stünde ich in einem Hochofen. Von überall schlugen mir Flammen entgegen, dass ich aufpassen musste, damit sie mich nicht verbrannten. Der schwarze Qualm, der mir entgegen schlug und mir die Sicht vernebelte, machte es schwer, irgendetwas zu sehen. Aber ich konnte Catherine riechen und hörte, wie sie vor mir davon lief. Unwillig knurrte ich und merkte, wie meine Eckzähne sich aus dem Oberkiefer schoben. Ich würde sie genau so leiden lassen, wie sie mich hatte leiden lassen die vergangenen Monate über.
Ich sog prüfend die Luft ein. Ihren Geruch über dem des Feuers und des Rauchs auszumachen war nicht gerade leicht. Die Alarmanlage heulte immer noch schrill und hoch und machte es schwer, andere Geräusche heraus zu filtern. Ihre Geräusche.

Doch wenn man einhundert Jahre Seite an Seite verbracht hatte, löste sich das Problem von allein. Ich kannte ihren Tritt so gut wie sie selbst. Nur bedeutete das für mich, dass auch sie mich gut genug kannte. Und hier in dem Gebäude gab es zu viele Ausweichmöglichkeiten für sie. Es würde eine lange Suche werden, aber eine erfolgreiche, das schwor ich mir.
Es dauerte einen Moment, bis ich ihre Fährte aufgenommen hatte, dann jagte ich los, mitten durch eine Sicherheitstür und den in Flammen stehenden Raum dahinter. Die Hitze war sie intensiv, dass ich dachte, mir würde die haut vom Körper gesengt. Vielleicht war es ohnehin besser, zu warten, bis Catherine in der Falle saß, alle Ausgänge zu verriegeln und abzuwarten, bis das Feuer sie verzehrte. Aber erstens wäre das meinen Rachegelüsten nicht gerecht geworden und zweitens wusste ich nur zu gut, dass nicht jeder Vampir starb, den man in einem brennenden Haus zurück ließ.

Coraline war nicht gestorben, als Mick sie in dem brennenden Haus zurück gelassen hatte und sie selbst war mir damals aus dem Haus in Ellisville entkommen, scheinbar ohne einen Kratzer davon getragen zu haben. Nein, das Risiko würde ich nicht noch einmal eingehen. Ich würde es gründlich machen, denn ich wollte sie los sein, ein für alle Mal.
So schnell ich konnte, rannte ich weiter, immer dort hin, wo ich ihren Geruch über den Gerüchen des Rauchs und des Feuers wahrnehmen konnte. Nichts und niemand würde mich aufhalten, außer vielleicht...
Unvermittelt stand ich vor einer Sackgasse. Ich sah genau hin, tastete die warme Betonwand mit den Händen ab und stemmte die Schulter dagegen, aber sie rührte sich nicht. In einem Gebäude wie diesem durfte es doch keine Sackgassen geben! Was war mit Fluchtwegen, Sicherheitsleitern, Notausgängen und den dazugehörigen grünen Schildern? Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das hier war ein Korridor. Links und Rechts gingen Türen ab, aber am Ende des Ganges gab es keine Tür. Wütend brüllte ich auf und Hieb die Faust in die Wand, was nur zur Folge hatte, dass mein Handgelenk brach, aber sofort wieder heilte und eine faustgroße Delle in der Wand erschien, aus der der Mörtel heraus bröckelte.

„Ich finde dich, Cathe!“ rief ich dunkel. Ich zitterte vor Wut. War es am Ende ihr Plan, mich hier einzusperren und verbrennen zu lassen? War sie am ende gar schon wieder draußen?
Wütend drehte ich mich herum und sprintete den Gang herunter. An einer Kreuzung, an der ein Gang nach links und rechts abging, hielt ich an und atmete tief durch.- keine Spur von ihrem Geruch! Sie war wie ausradiert. Doch ich wusste, dass auch das kein Zufall war. Ich Geruch war sehr wohl noch hier, aber er verflüchtigte sich immer mehr, je weiter sie sich entfernte und je mehr Zeit verging. Während ich also in der Sackgasse fest gehangen hatte, war sie schon weiter gelaufen und das Feuer hatte die Geruchspartikel verzehrt wie ein hungriges Tier ein Stück Fleisch.

Dann jedoch hörte ich ein Stück voraus ihr irres Lachen.
„Komm doch, wenn du dich traust!“ zwitscherte sie mit verstellter, zuckersüßer Stimme. Meine Antwort bestand in einem Grollen, das hinter ihr her wehte und von dem ich hoffte, dass es sie noch erreichte. Wieder lachte sie.
„Na komm doch!“ lockte sie. Aber ich war auf der Hut. Noch einmal würde ich mich nicht mehr in die Falle locken lassen, aber ich musste es versuchen, also lief ich den Gang herunter, der nach links abzweigte, ihrer stimme nach. Hier war das Feuer noch nicht vorgedrungen und das machte das laufen und atmen leichter. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und legte mir im laufen einen Plan zurecht. Ich musste ihr nicht folgen.
Ich würde sie da hin treiben, wohin ich wollte.

Doch dann fiel mir der Fehler in meinem Plan auf. Dazu hätte es einer genauen Kenntnis über das Gebäude bedurft, die ich nicht besaß und ich hatte auch keine Zeit und Gelegenheit mehr, sie mir anzueignen. Dann musste ich es auf gut Glück versuchen. Eine andere Wahl blieb mir nicht, wie ich zähneknirschend feststellte.
Doch dann kam mir eine neue Idee. Das Gebäude hatte vier Stockwerke. Wenn ich sie bis hoch in den vierten Stock treiben konnte, wo sie keinerlei Ausweichmöglichkeiten hatte, wäre das ihr Ende. Sie einfach nur vom Dach zu stürzen wäre so gut wie sinnlos, aber ich hatte etwas anderes mit ihr vor. Ich lächelte diabolisch.
„Cathe!“ säuselte ich so laut, dass sie mich sicherlich hörte.
„Wo steckst du denn?“ ich hatte noch nie etwas weniger ehrlich gemeint als den Tonfall, in dem ich das sagte. Ebenso gut hätte mir Sirup aus dem Mund kommen können, was aber nicht geschah.

Stattdessen hörte ich wieder diese Lachen, dass mich rot sehen ließ und sie wusste es genau.
„Hinter dir!“ knurrte sie plötzlich dicht neben meinem Ohr und ich bekam einen Stoß, dass ich flog, drei Meter, fünf Meter, und dann kam eine Wand.
Das Geräusch, dass verursacht wurde durch besagtes Auftreffen meines Körpers auf die Betonwand veranlasste sie zu hysterischem Kichern. Sie war vollkommen verrückt und das hätte ich ihr gern gesagt, aber ich konnte nicht. Ich musste mich erst mühsam von der Betonwand lösen.
Ein Blutstrom schoss mir aus der Nase und ich wimmerte leise vor Schmerz, als ich meine Nase erfasste und dann vorsichtig aber nachdrücklich in die richtige Form brachte. Es knackte, noch mehr Blut floss und dann hörte es urplötzlich auf. Missmutig wischte ich mir mit dem Hemdsärmel das Blut aus dem Gesicht und drehte mich dann zu ihr um, aber sie war weg.

Ich drehte mich einmal um mich selbst, um mich zu vergewissern, wohin sie gelaufen war, da sah ich sie ein paar Meter vor mir laufen, durch Rauch, der aus einer Türöffnung quoll. Zeit, das Spiel nach meinen regeln zu spielen. Ich setzte ihr nicht nach, sondern schob mich lautlos durch die Schwaden in einen Seitengang, der diesen an andere Stelle noch einmal kreuzen würde. Bevor sie wusste, wie ihr Geschah, hatte ich ihr ein Bein gestellt und jetzt war sie es, die flog. Während sie noch analysierte, über was sie gestolpert war, saß ich schräg in einer ecke der wand an der decke wie eine Spinne und grinste auf sie herunter.
Sie sah mich und bleckte die Zähne zu einem drohenden fauchen.
„Miez, miez, mieeez.“ machte ich spöttisch und grinste. „Böses Kätzchen!“ schalt ich. Mir machte das alles wahnsinnigen Spaß. Ich sah zu gern, wie die Schmähungen sie zur Weißglut brachten, wie sie schier kopflos wurde vor Wut und Geltungssucht. So auch diesmal. Und ich wusste auch im Voraus, was sie als nächstes tun würde. So hatte ich es mir ausgemalt. Alles verlief nach Plan.

In dem Moment, in dem sie sprang, ließ ich mich fallen und landete auf allen Vieren am Boden, geräuschlos und ohne mich zu verletzten.
„Ja, Katzen landen auch immer auf allen Vieren!“ spottete sie zurück, aber das kümmerte mich gar nicht.
„Komm doch herunter, dann kannst du dir an mir die krallen ein bisschen schärfen!“ lockte ich und wieder war es, als hätten wir es im Voraus durchgespielt, denn sie tat genau das, wozu ich sie hatte veranlassen wollen. Jetzt hatte sie die wand im Rücken und ich konnte tun und lassen, was ich wollte, sie entkam mir nicht mehr. Und sie würde leiden, das hatte ich Sarah geschworen.
Ich sprang auf sie zu und drückte sie gegen die Wand. Ohne Vorwarnung ruckte mein Kopf mit den gebleckten Eckzähnen vor und ich verbiss ich in ihren Oberarm, um ein großes Stück Fleisch heraus zu reißen, dass ich mitsamt der Kleidung vor ihr auf den Boden spie. Der Schrei, der ihr über die Lippen kam, war infernalisch. Ein hohes kreischen, dass so voller Schmerz war wie ein Schrei nur sein konnte. Aber das war noch nicht alles. Ich war noch lange nicht fertig.
„Ja, das tut weh, nicht wahr?“ fragte ich gefährlich sanft und sah sie mit schief gelegtem Kopf an. Die Blutung stoppte nach und nach und die Wunde schloss sich, aber die Schmerzen würden sie noch ein paar Sekunden peinigen und das musste ich nutzen. Denn durch den Schmerz geblendet würde ihre Reaktion langsamer sein oder gar nicht erfolgen. Und die nächste Wunde, die ich ihr schlagen würde, ließe sich nicht einfach so schließen.

Fast schon zärtlich nahm ich ihre Hand und hielt sie vorsichtig fest, so als könne sie bei der leisesten Regung zerbrechen.
„Du erinnerst dich doch an die Leiche, mit der du mich damals geködert hast?“ fragte ich mit samtweicher Stimme. Sie versuchte panisch, sich los zu reißen, aber so sanft mein Griff aussehen mochte für Außenstehende, so war er es nicht. Im Gegenteil.
„So weit ich mich erinnere, hast du sie ziemlich zerlegt. Du hast mir gar nicht gesagt, dass du Metzgerin bist.“ gab ich erstaunt kund und machte eine kleine Bewegung, für das menschliche Auge nicht sichtbar, aber sie spürte die Folgen und kreischte schrill auf, als ich ihren kleinen Finger in der Hand hielt. Die Trennstelle schloss sich zwar wieder, aber das würde nur so lange der Fall sein, wie sie noch genug Blut hatte, um sich wieder zu regenerieren.

Doch ich war scheinbar nicht vorsichtig genug gewesen, denn sie holte mit der Hand aus, die Finger mit den klauenartigen Nägeln zur Pranke gekrümmt. Wie ein Tiger, der nach seiner Beute schlägt, rissen mir die Nägel das Gesicht auf und ich spürte warmes Blut meinen Hals hinunter rinnen und in meinem Hemdkragen versickern. Ich fauchte und sprang wieder vor, um sie gegen die Wand zu rammen, aber sie wich seitlich aus. Ihren Arm hielt ich aber dennoch fest, setzte einen Fuß unter ihre Achselhöhle auf ihre Rippen und zog mit aller Kraft, die ich hatte. Es knirschte widerlich und knackte, als Knochen brachen, Sehnen und Muskeln und zuletzt die Haut riss und ich den ganzen Arm in der Hand hielt.
„Schade.“ meinte ich verwundert über ihre lauter werdenden Schmerzensschreie, „ich wollte dich eigentlich Finger für Finger auseinander nehmen.“

Blut sprudelte aus der Wunde, die sie mit der anderen Hand umklammert hielt, doch nach und nach verzog sich der Blutstrom und ich sah, wie sie schwankte und in die Knie brach. Der Blutgeruch berauschte mich, brachte mich dazu, mich gut zu fühlen und überlegen, stark. So mussten sich Haie oder Piranhas fühlen, wenn sie im Futterrausch entweder ihr Opfer oder sich gegenseitig zerfleischten und das Wasser getränkt wurde vom Blutduft.
Doch für sie kam langsam die zeit, in der es selbst für einen Vampir schwer wurde, noch gut zu kämpfen. Denn sie hatte keine Quelle, die sich anzapfen konnte um sich selbst wieder zu heilen. Die fehlenden Gliedmaßen würde sie ohnehin nicht ersetzen können.
Plötzlich drehte sie sich herum und sprang auf mich zu, wurde jedoch durch den fehlenden Arm aus dem Gleichgewicht gebracht und segelte an mir vorbei. Ich nutzte die Chance, die sich mir sicher nicht wieder bot und schnappte mir auch den anderen Arm, um diesen schwungvoll abzureißen und auf dem Boden liegen zu lassen, wo sich eine Blutpfütze darum bildete.

„Ohne Arme zu leben wird schwierig, oder?“ fragte ich gefährlich leise nach.
Mein Kopf näherte sich ihrem Hals und bevor sie wusste, was ich tat oder sich wehren konnte, hatte ich zugebissen und trank gierig ihr süßes Blut. Nicht so sehr, weil ich Durst hatte, sondern mehr, um sie zusätzlich zu schwächen. Sie stand nicht mehr vom Boden auf und ich stieg triumphierend über sie und kniete mich auf sie.
„Und jetzt kommen wir zum schönsten teil des Abends...“ schnurrte ich und packte ihren Kopf mit beiden Händen. Sie wehrte sich nicht, ihre Augenlider flatterten nur kraftlos, die Augäpfel rollten im Kopf nach oben als wollten sie in den Schädel hinein sehen und aus der Bisswunde, die ich ihr beigebracht hatte, bloß immer noch Blut.
Einen Moment weidete ich mich noch an dem Anblick und wünschte, ich könnte es fotografieren. So würde ich es mir besonders gut einprägen müssen. Ich drehte ihren Kopf um einen Winkel nach rechts, bei dem sogar ein vampirisches Genick nachgab, aber ihr einfach nur das Genick zu brechen reichte mir nicht. Ich drehte weiter, bis ihr Hals merkwürdig verdreht war wie eine Gummipuppe, dann riss ich ihr den Schädel von den Schultern. Ihr Körper zuckte noch einmal hoch, als wolle sie mich selbst in diesem Zustand noch einmal angreifen und eine Blutfontäne schoss hoch und tränkte meine Kleidung. Dann fiel der Torso wieder in sich zusammen und rührte sich nicht mehr. Schwer atmend drehte ich den Kopf so, dass ich in ihre Augen sehen konnte. Als würde eine Glühbirne langsam verlöschen, wich das Licht aus ihren Augen und sie wurden glanzlos und trüb. Ihre Mimik würde auf ewig zu einer Maske des Schmerzes erstarrt bleiben.

„Ich hatte dir gesagt ich würde mich rächen, oder? Jetzt kann Sarah endlich Frieden finden.“ sagte ich zu ihr, dann klemmte ich mit den Kopf unter den Arm, legte mir den Körper über die Schulter und nahm die beiden Arme mit, um sie den Flammen zu übergeben. Als ich die teile ins Feuer warf, kräuselte sich blau violetter Rauch zur Decke und vermischte sich mit dem Schwarz des Rußes und der Asche. Sekunden später würde auch von Catherine nur noch Asche übrig sein, die man nicht mehr vom übrigen Schmutz würde unterscheiden können.
Asche zu Asche, der Satz passte perfekt, dachte ich, während ich den Flammen den Rücken kehrte und nach draußen ging.
 
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