Meine Geschichten
  Das Experiment
 

Kaum war der Doktor durch die Tür geschleift worden und diese hinter ihm zu gefallen, wandte Devon Danes sich an den anderen Mann.

Wie weit sind wir mit dem Versuchsobjekt?“ fragte sie und der Soldat sagte eine Weile lang nichts. „Er lässt sich nicht beruhigen, Ma'am. Wir haben alles versucht, aber sobald jemand in seine Nähe kommt, beißt er um sich.“ gestand er zähneknirschend. Devon konnte sich gerade davon abhalten, mit den Zähnen zu knirschen. Stattdessen nickte sie stumm.

Gut, führen Sie mich zu ihm.“ Der junge Mann zögerte den Bruchteil einer Sekunde, bevor er antwortete.

Ma'am, wenn ich mir die Bemerkung erlauben dürfte, ist das keine besonders gute...“ Sie sah ihn scharf an und er schloss augenblicklich den Mund und schluckte nervös.

Was eine gute Idee ist und was nicht, entscheide immer noch ich, verstanden? Und jetzt bringen Sie mich zu ihm.“

Mit forschen Schritten verließen die beiden den Raum. Es ging Korridore herunter und durch dunkle, kaum benutzte Räume, bis sie vor einer Panzertür standen. „Den Schlüssel!“ forderte Danes barsch und erhielt ihn unverzüglich.

 

Sie schloss die Tür auf und schaltete das Licht am oberen Absatz der Treppe ein. Wenn sie hier stürzte, könnte der Soldat es noch wie einen Unfall aussehen lassen... nicht aber, wenn sie vor ihm ging und die Kameras beweisen würden, dass er sie geschubst hatte. Sie wusste, sie hatte keinen sonderlich guten Stand in dieser Einheit. Sie sah nach oben, dort hin, wo die roten und grünen Lämpchen der Überwachungskameras funkelten und blieb stehen. Dann sah sie den Soldaten auffordernd an. „Sie gehen vor.“ sagte sie und er ging vor. Hinter sich zog sie die Tür wieder zu, die mit einem unheimlichen, dumpfen Geräusch ins Schloss fiel. Wäre das Licht nicht gewesen, sie hätte nicht gewusst, wohin sie den Fuß hätte setzen sollen, aber so gelangte sie ohne Zwischenfälle am Fuß der Treppe an, wo sich eine neue Panzertür befand, die sich nicht mit einem einfachen Schlüssel öffnen ließ.

 

Dafür brauchte man schon eine Codekarte, die sie besaß. Sie holte sie hervor und steckte sie in den Schlitz, dann wechselte das rote Lämpchen auf grün und die Tür schwang zischend nach innen. Sie war aus zwanzig Zentimeter dickem Stahl, kein Laut drang daraus hervor, sollte hier jemand schreien. Ein kleiner Flur erstreckte sich vor ihr und sie behielt die Codekarte noch in der Hand. Gleich würde sie sie brauchen, wenn sie in den Raum wollte, in dem der gefangene tobte. Rechts und links von dem kleinen Flur gingen Türen zu verschiedenen Räumen ab, im Ganzen vier. In jeden davon konnte man durch eine Panzerglasscheibe sehen, was drinnen geschah. In einem der Räume befand sich angekettet an die Wand eine junge Frau, fast noch ein Mädchen. Das blonde Haar fiel ihr wie ein Vorhang vor das Gesicht und verhüllte die mittlerweile andauernd eisblauen Augen und Fangzähne vor neugierigen Blicken. Auch durch die Glasscheibe konnte Danes die Brandmale und Striemen erkennen, die ihr die Folter zugefügt hatte und die Brandblasen, die ihr das Silber der Ketten und Handschellen bei brachte.

 

Als sie sich umdrehte, verzog sich ihr Mund zu einem kleinen, triumphierenden Lächeln. Auf einer Bahre lag der zweite der Vampire, die sie gefangen hatten. Erst vor ein paar Wochen war ihr Stützpunkt im Bunker zerstört worden von einer Gruppe feindlicher Vampire. Und dann war ihnen auch noch ihr wichtigstes Forschungsobjekt abhanden gekommen. Josef Kostan. Er war sehr alt, sehr mächtig und vor allem: Sehr reich sowohl an Einfluss als auch an Geld. Wenn sie ihn überzeugen konnten, für sie zu arbeiten... Devon bekam schon bei dem Gedanken leuchtende Augen, fand aber sofort wieder in die Realität zurück, als der Mann auf der Bahre sich ruckartig erhob, dass die Lederbänder, mit denen er auf die Trage gefesselt gewesen war, rissen und er herunter stürzte. Sekundenlang lag er einfach nur schwer atmend auf dem Boden und rührte sich nicht.

 

An der Wand war eine kleine Sprechanlage eingebaut und sie drückte den Knopf.

Bringen Sie ihn unter Kontrolle.“ war alles, was sie sagte. Aber keiner der anwesenden Männer und Frauen rührte sich. „Ma'am“, vernahm sie eine Soldatin durch die Sprechanlage. Sie kam herüber und drückte den Knopf auf der anderen Seite. „Wir können ihn nicht kontrollieren, Ma'am.“ Während sie noch mit dem Rücken zu dem Vampir stand, der am Boden lag, kam plötzlich Leben in diesen. Er richtete sich auf, erst auf alle Viere, dann auf die Ballen seiner Füße und hob dann ganz langsam den Kopf. Devon Danes war keine Frau, die sich schnell gruselte, aber der Blick, der sie aus den Augen des jungen Mannes traf, jagte ihr einen eiskalten Schauer über den Rücken. Gleichzeitig fing hinter ihr die jungen Vampirin an zu knurren und riss an den Ketten, aber befreien konnte sie sich nicht. Und selbst wenn, war es unwahrscheinlich, dass sie sich durch das dicke Panzerglas arbeiten konnte, das Schüssen standhielt.

 

Doch ihre Aufmerksamkeit wurde wieder von dem Mann angezogen, der sie immer noch anstarrte und dann die Lippen zurückzog, den Kopf in den Nacken legte und einen Schrei ausstieß, dass ihr schlecht wurde. So viel Wut und Hass lagen darin, dass... Sie hatte schon früher gesehen, wie diese Bestien zu Berserkern wurden, wenn man sie nur genug reizte. Aus zahlreichen Wunden am Körper des Vampirs tropfte Blut und er hatte nicht mehr genug eigene Reserven, um die Wunden zu schließen. Im Laufe der Folter hatte er zu viel davon verloren.

Jetzt aber sprang er hoch und packte die Frau, die noch immer an der Scheibe stand, um die Taille. Ganz sanft, aber sie konnte sehen, wie die Frau unter dem zusehends stärkeren Griff zerbrach. Ein letzter, verzweifelter Blick in Richtung ihrer Chefin, bevor der Vampir ihr die Zähne mit solcher Wucht in den Hals grub, dass Blut auf die Scheibe spritzte und daran herunter lief wie dunkelrote Tränen.

Devon Danes merkte gar nicht, dass sie im Schock den Knopf der Gegensprechanlage immer noch gedrückt hielt, so gefangen war sie von dem Schauspiel, dass sich ihr bot. Der Vampir ließ von der Frau ab, als er sich satt getrunken hatte. Sie sah sogar, dass sich seine Wunden wieder schlossen und seine Haut einen gesünderen Farbton annahm, wenn das möglich war bei der Blässe, die ein Mensch im Vampirismus annahm.

 

Entsetzt sah sie zu, wie er den nächsten Mann ansprang und ihm in seiner Gier glatt den Kopf abriss. Eine Blutfontäne spritzte durch den Raum, dann warf er die Leiche auch schon fort und den Kopf gleich hinterher. Beides klatschte gegen die Scheibe. Noch mehr Blut spritzte umher und durch das herunter laufende Rot sah sie, wie der Vampir auch die letzten beiden Männer in blutige Stücke riss. An der Sprechanlage betätigte sie resignierend einen weiteren Knopf und die Scheibe stellte sich auf undurchsichtig.

Ihr persönlicher Assistent trat neben sie und beobachtete das Wüten geschockt, während die Scheibe verspiegelte und er nur noch sich selbst, sie und eine Menge Blut sah.

Gibt es einen Weg, ihm zuzusetzen?“ fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie wandte sich vom Anblick der blutbesudelten Scheibe ab. „Nun, man kann den Raum von hier draußen unter Strom setzen, aber ich denke nicht, dass ihn das tötet...“ bezweifelte der Mann und drückte nach einem Kopfnicken ihrerseits einige Tasten am Tastenfeld.

Nur aus Neugierde stellte die die Scheibe wieder auf durchsichtig und beobachtete, was geschah.

 

Sobald der Vampir mit einem Gegenstand oder Menschen in dem Raum in Berührung kam, zuckten grell gelbe Blitze auf und Rauch kräuselte sich zur Decke, wo er durch die Abluftschächte weggesogen wurde.

Über die Blutlachen am Boden schossen gelbe Blitze hinweg und brachten es zum Kochen. Die Menschen am Boden, oder was von ihnen noch übrig war, zuckten unkontrolliert hin und her. Ein Stromschlag warf den Vampir mit dem Rücken gegen die Wand und ein Ruck ging durch seinen Körper. Ein schrilles Heulen kam aus seinem Mund und selbst von hier draußen konnte man jetzt den Geruch von Blut und verbrannter Haut wahrnehmen. Angewidert wandte Danes sich ab.

Sagen Sie dem Reinigungsteam, sie sollen reingehen, wenn der Raum sich entladen hat und das Forschungsobjekt paralysiert ist.“ sagte sie, warf der Vampirin hinter ihr noch einen Blick zu, die die Zähne gefletschte hatte und wandte sich dann ab.

 

*

 

Es war nicht einmal ein Marsch von einem Tag geworden, bis wir dort ankamen, was der Arbeiter als Toledo bezeichnet hatte. Eine kleine Siedlung war es nicht, aber von hier aus würde man sicher ein Auto mieten können und Blutkonserven sowie einen sicheren Schlafplatz für die Nacht buchen können.

Ich hatte Sophia die letzte Strecke huckepack genommen. Wo Vampire die Nacht über durch liefen, mussten sie schlafen. Beth schlummerte selig auf Micks Rücken. Ryder, Guillermo und Logan sahen zerknirscht drein, wann immer ihr Blick Sophia, Beth, Mick oder mich streifte. Entschuldigt hatten sie sich. Mick war der Meinung gewesen, das sei nichts, wofür man sich entschuldigen müsse. Weil er wusste, zu was der Blutdurst einen machte. Und ich wusste es auch. Ich hatte nur immer wieder versucht, es zu vergessen.

 

Aber das hier war keine Gruppe mordlüsternder, unkontrollierbarer Neugeborener. Das waren ausgewachsene Vampire und daher in ihrem Zorn um so gefährlicher. Ich schüttelte den Kopf und folgte Lance die breite Straße herunter. Am Wegesrand kam und ein alter Mann mit seinem Esel entgegen und Lance ging zu ihm und unterhielt sich leise auf Spanisch mit ihm. Doch der Esel, dem die Anwesenheit nicht nur eines, sondern sechs erwachsener Vampire mehr als nur nicht geheuer war, riss hektisch an seinem Seil und aus seinem Maul kam ein beständiges, lautes und noch dazu nervendes „Iiiii-aaaaaah!“

Der Mann ging zu dem Esel herüber und strich ihm beruhigend über die Stirn, aber das sture Vieh wollte nicht. Der Raubtiergeruch machte ihm zu viel Angst, zumal er wahrscheinlich nicht einordnen konnte, wo er her kam. Wir waren doch freundliche Zweibeiner wie sein Gefährte, wie konnten wir eine Gefahr darstellen?

Ist ja gut, Alter.“ Er wandte sich wieder zu Lance um. „Sie sind nicht von hier?“ verstand ich, aber dann entzog sich der weitere Verlauf der Unterhaltung meinem Können der Sprache Spanisch.

Sophia wurde wach und klopfte mir auf die Schulter, damit ich sie herunter ließ. Nur zu gern kam ich ihrem Wunsch nach,denn so gern ich sie so dicht bei mir hatte, wurde sie doch langsam ein bisschen schwer.

 

Kannst du für mich übersetzen?“ fragte ich leise nach und sie nickte.

In Toledo gibt es einige Hotels, aber keines, was Ihnen vielleicht gerecht werden würde.“ flüsterte sie leise für den alten Mann.

Aber er sagt, er kann uns mitnehmen.“ Ich runzelte die Stirn.

Dann besah ich mir den Esel. „Da könnt ihr beiden Damen ja drauf Platz nehmen, aber ich setze mich nicht auf die Flohschleuder.“ flüsterte ich und erhielt einen neckischen Knuff in die Seite.

Ich denke wir werden laufen müssen. Aber er kommt gerade von der Stadt, und so weit ist es ja nun wirklich nicht mehr.“ gab sie leise zurück, gerade als Lance sich von dem alten Mann verabschiedete. Der musste seine ganze Kraft aufwenden, um den Esel von der Stelle zu bewegen, der die Ohren angelegt hatte und immer noch panisch blökte. Noch dazu hatte er alle vier Hufe fest in den Boden gestemmt, als sei er dort fest gewachsen.

Nach einigem guten Zureden bekam der Mann den Esel aber so weit, dass er mit ihm an uns vorbei lief und wir machten uns auf den Weg Richtung Stadt.

 

In Toledo erwischten wir noch ein kleines Hotel für uns alle und eine Mitfahrgelegenheit für den nächsten Morgen, die uns nach Madrid bringen würde. Etwas zu essen bekamen wir, als plötzlich drei der Serviererinnen auf unserem Zimmer blieben und wie selbstverständlich die Bluse umgekrempelten, sodass wir reihum besser als die Pulsader kamen. Für Beth und Sophia gab es normales menschliches Essen, dass sie im Zimmer nebenan verspeisten, während wir uns satt tranken.

 

Später, als drüben im anderen Zimmer Ruhe eingekehrt war – soweit denn Ruhe einkehren konnte, denn Vampire schliefen nicht bei Zimmertemperatur und sicher nicht in diesen Betten – lagen Beth und Sophia noch wach.

Was meinst du, erwartet uns noch?“ fragte Sophia von ihrem Bett aus und starrte unruhig an die Decke. Fahles Mondlicht fiel durch die dünnen Vorhänge und malte einen Streifen ins Zimmer.

Ich weiß es nicht. Lance will unbedingt nach Rom, aber ich bin nicht sicher, warum. Wegen dieser Sache, die sie besprochen haben, denke ich.“ Sie schwieg lange und irgendwann wurde es Sophia zu viel. „Denkst du... wegen dieser Liste oder den Zetteln droht den Jungs Gefahr von dieser... Legion?“ fragte sie zaghaft und Beth setzte sich ruckartig im Bett auf und starrte durch das Dämmerlicht zu ihrer Freundin herüber.

Woher weißt du von dieser Liste? Du hast sie doch nicht etwa... gesehen?“ fragte sie entsetzt nach. Ihre Stimme war nur ein Flüstern, und trotzdem verstand Sophia sie.

 

Naja... ich habe eines Tages Josefs Arbeitszimmer ein bisschen aufgeräumt und dabei ist mir ein Stück Papier in die Hände gefallen, das aus einer Schublade schaute. Es hatte sich darin verklemmt und wäre fast gerissen, aber ich war vorsichtig.“ Sie sah Beth triumphierend an aber die verzog keine Miene. Ihr Mund stand nur leicht offen wie im Schock.

Naja, ich hab sie gelesen und da stand sein Name, Mick stand drauf, Logan, eigentlich alle, die hier sind und noch eine ganze Menge weitere. Aber es stand nicht dabei warum oder was passieren soll, ich meine...“ Beth runzelte die Stirn und klappte den Mund wieder zu.

Wenn er der Liste so wenig Beachtung geschenkt hat, dass er sie nicht mal ordentlich weggepackt hat, dann... kann sie doch nicht so gefährlich sein, oder? Oder sind... diese Männer hinter uns her, wegen der Liste? Ich höre immer nur alle etwas von dieser Legion erzählen, aber was machen die? Wer ist das? Und warum...“ sie wandte sich erschrocken um, als einer der Schatten an der Wand plötzlich zum Leben erwachte und Josef ins fahle Mondlicht trat. Hatte er die ganze Zeit reglos dort gestanden und sie belauscht, oder war er eben erst gekommen?

 

Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante und nahm sie in den Arm, als wäre gar nichts. Beth wandte diskret den Blick ab, sah aber wieder hin, als Josef leise zu sprechen begann. Zuerst jedoch zog er ein eingeschweißtes kleines Büchlein aus seiner Tasche, dass sich die ganze Zeit dort befunden haben musste.

Das ist der Grund, warum die Legion mich finden und töten will und alle, die mit mir zu tun hatten oder haben.“ sagte er und legte es auf seinen Oberschenkel. Der Ledereinband des Heftchens war fleckig, brüchig und staubig, trotz der Einschweißung. Dann musste es schon so ausgesehen haben, als es in dieses Tütchen gesteckt worden war.

Hier drin liegt der Schlüssel zur Macht über uns Vampire. Und wenn sie den haben, werden sie uns ausrotten. Dann gab es uns mal.“ sagte er bitter und sah zur Seite. Beth fing seinen Blick auf und sah schleunigst weg.

Wie bist du... an dieses Buch gekommen, Josef?“ fragte Sophia leise und sah, wie er schluckte und die Augen schloss.

Willst du das wirklich wissen? Dann solltest du jetzt gut zuhören.“


 
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