Meine Geschichten
  Mensch-Sein
 
Hast du schon mal jemanden bedingungslos geliebt? So sehr, dass sie dir einfach alles bedeutete? Und du alles für sie getan hättest?Wirklich alles? Hast du schon mal jemanden so geliebt, dass du dich selbst vergessen hast? Und alles, woran du dachtest, sie war?“
Ja.“
Siehst du? Ich noch nicht!“

Episode 1.05 „Ewige Jugend“


Ich hörte, wie er wieder die Treppe nach unten kam, mit einem frischen Hemd, diesmal ein schwarzes. Ich setzte mich auf die Couch, die Ellbogen auf den Knien, die Hände unter dem Kinn verschränkt und starrte das Döschen vor mir auf dem Tisch an.
„Das mit dem Biss tut mir Leid. Ich wusste mich nicht anders zu wehren.“ sagte ich langsam. Er stellte sich hinter mich und ich legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm aufschauen zu können.
„Schon in Ordnung.“ er klopfte mir auf die Schulter.“ Ich habe dich ja ziemlich in die Ecke gedrängt. Ich mache es nie wieder, ich verspreche es.“ sagte er und deutete einen Diener an. Ich schnaubte nur.
„Und, hast du dich schon entschieden?“ fragte er und seine Hände ruhten zu beiden Seiten von mir auf der Sofalehne. Ich nickte mit zusammengekniffenen Lippen und tat, als fiele mir die Entscheidung ungemein schwer und er hätte mich praktisch dazu gezwungen.
„Hol schon ein Messer und einen dämlichen Verband.“ grollte ich und knöpfte den Ärmel des Hemdes auf, das er mir geliehen hatte. Ich rollte den Ärmel bis zum Ellbogen hoch und legte ihn mit der Unterseite zuerst auf meinen Oberschenkel.

Er ging den kurzen Weg bis zur Küche und ich hörte ihn in einer Schublade nach einem Messer kramen. Verbandsmull holte er aus dem – eigentlich überflüssigen – Verbandskasten über der Spüle und setzte sich dann neben mich. Das Messer schnitt tief in meinen Arm, aber ich verzog keine Miene. Sollte er nur machen. Ich reichte ihm das kleine Döschen und er nahm eine Messerspitze von dem Präparat und strich es mir in die offene Wunde. Dann wickelte er den verband darum.
„So, fertig. Jetzt musst du eine Weile warten. Es fängt da an, wo ich es dir eingegeben habe und verteilt sich dann bis in den hintersten Winkel deines Körpers.“ sagte er und machte eine Schleife in den Verband. Bei meinem missbilligenden Blick musste er grinsen.
„Naja, so oft komme ich auch nicht dazu, dir einen verband anzulegen, von daher dachte ich, ich mache etwas, was dir nachhaltig in Erinnerung bleibt.“ sagte er feixend und ich zog den Arm unter seinem Griff hervor. Während ich meinen Hemdsärmel wieder herunter krempelte, merkte ich, wie die Hand und der ganze Arm langsam warm wurden. Vampire hatten sonst eine Körpertemperatur, die deutlich unter der des Menschen lag, aber jetzt merkte ich, wie mein Körper deutlich wärmer wurde, ganz so, als hätte ich Fieber.
Auch hatten wir sonst keinen Herzschlag – ich hatte nach ein paar Minuten des Wartens wieder einen.
Dumm. Dumm. Dumm machte es.

Ich sah Mick skeptisch an. „Okay, wie lange hält das jetzt an? Gibt es irgendwas, was ich wissen müsste?“ fragte ich und er grinste.
„Naja... ich würde nicht versuchen, Sophia auf dem vampirischen Weg zu besuchen... die würdest den Sprung nicht schaffen und selbst wenn dir das wie durch ein Wunder doch gelingen sollte, würdest du dir bei einem Absturz sicherlich was brechen. Und ich glaube kaum, dass du deine zeit als Mensch mit der Erfahrung beginnen möchtest, wie Krankenhäuser von innen aussehen.“ sagte er und das Grinsen wurde noch breiter. Er hatte sichtlich seinen Spaß – auf meine Kosten.
„Dann ist natürlich die Kühltruhe nicht der ideale Ort, es sei denn, du möchtest, dass Klein-Josef erfriert...“ Jetzt lachte er und ich versuchte ein Knurren, aber ich schaffte es nicht. Es klang eher, als hätte ein Frosch Asthma.
„Oh, das findest du wohl sehr lustig, was?“ fragte ich säuerlich, als er sich fast am Boden rollte vor Lachen.
„Also, mit anderen Worten“, sagte ich über sein hilfloses Kichern hinweg und sah auf ihn herunter, wie er versuchte, wieder Haltung anzunehmen, „soll ich mir mit Sophia das Bett teilen“ das verursachte schon wieder einen Lachanfall und ich verstand gar nicht, warum. „All die ungesunden Sachen essen, die sie auch isst und mich so benehmen wie sie? Keine lustigen Tricks oder Einschüchterungsversuche armer, hilfloser Passanten?“
Eine Hand klammerte sich um die lehne des Sofas und zog sich daran hoch. Wenig später wurde Micks Gesicht sichtbar, der angestrengt versuchte, nicht schon wieder zu lachen und dem die Lachtränen nur so aus den Augen strömten.

Er lehnte sich noch immer kichernd über das Sofa und versuchte erfolglos, sich wieder zu beruhigen. Ich schwieg, um ihm eine Chance zu geben, sich zu erholen, bevor ich fortfuhr.
„Also, ich frage das so lange, bis ich eine Antwort bekomme: Wie lange hält das an?“
Er setzte sich neben mich auf das Sofa.
„Das weiß keiner so genau. Bei mir hätte es sicherlich länger gehalten, wäre diese Sache nicht passiert. Vielleicht hast du zwei oder drei Monate Zeit, vielleicht ein halbes Jahr oder ein ganzes, ich weiß es nicht. Du wirst ja merken, wenn das Zeug nicht mehr wirkt.“
Er stand auf und ich erhob mich mit ihm. Obwohl es sonst nicht meine Art war, umarmte ich ihn spontan. Er wusste, was ich damit sagen wollte, aber ich sprach es dennoch aus.
„Danke, Mick.“ er lächelte und brachte mich zur Tür. „Kein Problem...“ ich sah, dass es ihm auf der Zunge lag, und wollte ihn mit einem Blick zum Schweigen bringen, hatte aber wie üblich keinen Erfolg.
„...Dad.“ beendete er seinen Satz. War ich ihm ein paar Sekunden vorher noch dankbar gewesen, verpuffte diese Dankbarkeit im Nu zu nichts als Wut.
„Mick,“, knurrte ich, „wie oft habe ich dir gesagt....“
„Okay, Sorry, Bruder.“ sagte er augenverdrehend und machte mir die Tür auf. Während ich nach draußen ging, bedachte ich ihn mit einem Lächeln.
„So gefällt mir das schon besser, Bruder.“ ich betonte das Wort extra. Er sollte nicht auf die Idee kommen, das noch mal zu versuchen.
Die Tür schwang hinter mir zu und ich seufzte, schob die Hände in die Taschen und wartete auf den Lift. Ich hatte ein paar menschliche Bedürfnisse zu testen.

*


Als ich bei Sophia klingelte, machte sie mir verdutzt die Tür auf und schlug bei meinem Anblick die Hände vor den Mund, um den Aufschrei zu ersticken, der ihr auf den Lippen brannte, bevor sie mir um den Hals fiel und jeden Zentimeter, den sich von mir erreichen konnte, mit Küssen bedeckte,. Während ich sie lachend hochhob und in die Wohnung trug.
„Oh Gott, ich habe mir solche Sorgen gemacht, kannst du dir das vorstellen? Ich wusste, wo du bist und all das, Mick hat es mir gesagt, aber oh Josef!“
ratterte sie herunter und ich hielt ihr sanft, aber bestimmt den Mund zu.
„Jetzt bin ich ja wieder da. Hat Mick dir erzählt was... passiert ist?“ fragte ich leise und sie legte den Kopf gegen meine Brust. Ich strich ihr eine Haarsträhne aus der Stirn und küsste sie auf den Kopf, während sie nickte.
„Dann hat er dir sicherlich noch nicht das neueste erzählt.“ sagte ich grinsend und schob ihren Kopf so, dass sie mein herz schlagen hören konnte.

Erschrocken und ungläubig riss sie den Kopf hoch und starrte mich an. Sie fasste nach meiner Hand, die nicht mehr kalt, aber so warm wie ihre war und starrte mich immer noch an.
„Wie... wie ist das möglich? Bist du... ein Mensch?“ fragte sie flüsternd und ich nickte. „Mick hatte noch etwas von dem Heilmittel Gott weiß woher, das er auch mal genommen hat und das seine Exfrau erfunden hat und ich dachte, ich könnte dir damit vielleicht einen Gefallen tun.“ sagte ich und wickelte mir eine Strähne ihres Haares um den Zeigefinger, bevor ich zusah, wie sie sich wieder entrollte.
„Also besteht keine Gefahr mehr, dass ich dich beißen könnte oder dir sonst wehtun könnte, ich esse die selben Sachen wie du auch und“, ich grinste sie verschmitzt an, „du musst dein Bett mit mir teilen.“
Sie wurde rot, wohl, weil sie, wie ich, die Zweideutigkeit des Kommentars durchaus verstand.
„Also...“ versuchte ich das Thema zu überspielen, „wie wärs, ich lade dich zum essen ein?“ Ich konnte ein kleines Grinsen nicht unterdrücken, dass ich versteckte, indem ich die Nase in ihrem Haar versenkte.
„Und dann zeigst du mir, wie man ein Bett richtig benutzt?“ sie lachte, als ich aufstand und sie mit hoch zog.
„Na komm, Abendgarderobe wirst du nicht brauchen.“ dann fiel mir etwas anderes, viel wichtigeres ein. „Ähm... ich kenne hier gar keine Restaurants... vielleicht kannst du eins aussuchen?“ fragte ich und sie nickte. „ich weiß das perfekte.“ sagte sie und führte mich zum Ferrari.

Wenig später saßen wir an einem Tisch in einer Ecke eines italienischen Nobelrestaurants, dass Sophia nicht wirklich ausgesucht hatte. Aber sie musste ja auch nicht bezahlen. Fast hatte ich gefürchtet, mit meinem Vampirismus auch mein vermögen verloren zu haben, als würde sich das Geld in meiner Tasche plötzlich zu Asche verwandeln, aber das tat es nicht Geld blieb eben doch Geld.
Die Kellnerin brachte uns die Speisekarten und ich bestellte einen Rotwein aus der Weinauswahl für uns beide. Die Weine waren auch nicht das Problem. Das Essen schon eher.
„Hilf mir mal.“ flüsterte ich über den Tisch. „ich kenne mich mit so was doch überhaupt nicht aus!“ Da war er, einer der Nachteile, wenn man ein Mensch war In den dreihundert achtzig Jahren, in denen ich keine feste Nahrung mehr zu mir genommen hatte, hatte sich einiges getan in der Speisewelt.
„ich meine... Pizza. Und da gibt’s so viele verschiedene. Ich weiß doch gar nicht, wie das alles schmeckt. Oder die Nudeln.“ sie versuchte mir bei der Entscheidung zu helfen, aber irgendwann gab ich frustriert auf.
„Ich esse einfach das, was du auch isst. Wird schon schmecken.“ sagte ich und nippte an meinem Weinglas.
„Ich esse bloß Tomaten und Mozzarella, aber wir können ja nachbestellen, wenn du dann noch Hunger hast.“

Tomate mit Mozzarella kam und ich kostete vorsichtig von meiner ersten menschlichen Mahlzeit. Wider Erwarten schmeckte es mir sogar. Sophia sah mir zu, wie ich mit sichtlichem behagen aß und verzehrte ihre Portion langsamer als ich. Als auch der letzte Rest Tomate von unseren Tellern verschwunden war und die Kellnerin abgeräumt hatte, lächelte ich Sophia an.
„Da ist noch etwas anderes, was ich ausprobieren möchte.“ sagte ich grinsend, beugte mich über den Tisch und küsste sie. „Mhh, das fühlt sich auch anders an.“ ich küsste sie wieder und sie lachte. „Anders, aber gut.“ ich stieß fast die Kerze um, aber es interessierte mich nicht. Gerade zählte nur Sophia und ich hielt nur inne, sie zu küssen, weil die Kellnerin sich räuspernd mit der Rechnung in der Hand neben uns stand. Ich bezahlte und gab sogar Trinkgeld, dann stand ich auf und half Sophia in ihre Jacke.
„Und jetzt lass uns raus finden, wozu man ein Bett noch gebrauchen kann.“ flüsterte ich ihr ins Ohr und sie kicherte verstohlen.
 
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