Meine Geschichten
  Hoffnung
 
Wenn es um Coraline geht, ist bei Mick der Verstand ausgeschaltet. Du musst das verstehen, Micks und Coralines Beziehung war eine von diesen erschreckenden, völlig selbstzerstörerischen Freakshows, nach denen man sein ganzes Leben sucht und weiß, dass sie erst ein Ende haben wenn einer oder beide Beteiligten tot sind.“
Ist das deine Vorstellung von Liebe?“
Was soll ich sagen, ich bin ein Romantiker.“

Episode 1.09 „Fleur de Lis“

„Was ist denn nun genau passiert?“ fragte Beth leise und sah auf Josef herunter, der da lag wie tot. Nur das leichte Heben und Senken der Decke verriet, dass er atmete. Durch einen kleinen Schlauch in seinem Mund. Von seinem rechten Arm führte ein weiterer Schlauch zu einem Beutel Blut, der stündlich ausgetauscht wurde.
Mick sah auf seinen besten Freund herunter und schluckte. „Ich weiß es nicht genau. Ich wäre fast zu spät gekommen. Vor ein paar Wochen habe ich ihm von dem Heilmittel gegeben und er wurde ein Mensch.“ wieder war da das ferne Flattern hinter Sophias Herzschlag, das Mick ermutigte, weiter zu sprechen.
„Und irgendwer von diesen Jägern oder wie auch immer sie sich nennen mögen, ist durch das Fenster gebrochen und....“ er senkte den Blick und konnte nicht weiter sprechen. Josefs linkte Hand auf der Bettdecke zuckte leicht und beruhigte sich sofort wieder. An einen Kardialmonitor hatte Guillermo ihn gar nicht erst angeschlossen.
„... und hat auf mich geschossen.“ zum ersten mal seit der ganzen Sache sprach Sophia. Sie hatte verquollene Augen vom Weinen, ihre Wimperntusche hatte schwarze streifen auf ihr Gesicht gezeichnet und sie knüllte ein völlig durchweichtes Taschentuch in der Faust, während sie mit der anderen Hand ihre Augen bedeckte.
„Josef wollte... mich beschützen, aber er hat vergessen, dass er als Mensch nicht unverletzlich und unsterblich ist. Mick hat ihn.... hat ihn gebissen und zurück verwandelt und...“ sie hickste und akzeptierte ein frisches Taschentuch von Beth, „seine Wunden haben sich geschlossen. Wir haben ihn hier her gebracht und Guillermo hat ihm fast zwanzig Kugeln aus dem Körper geholt.“ sie schluchzte erneut und Josefs Hand zuckte schon wieder, so als wollte r nach ihrer greifen und sie festhalten.

„Sie mussten ihm jede einzelne Wunde wieder auftrennen um an die Kugeln zu kommen.“ schloss sie leise und Beth wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte die Hände vor den Mund gepresst und brauchte nun selbst ein Taschentuch. Mick schlang ihr den Arm um die Schultern und drückte sie an sich.
„Wird er es schaffen? Ich meine“, sie sah zu Josef und dem Beutel Blut, „Seine Wunden sind doch geheilt. Wieso wacht er dann nicht auf?“ Leise ging die Tür auf und Guillermo schob sich zu ihnen und blieb am Fußende von Josefs Bett stehen.
„Die Kugeln, die der Mistkerl – Verzeihung – der Attentäter verwendet hat waren aus reinem Silber.“ sagte der kleine Mexikaner schlicht. Allein das führte dazu, dass Beth entsetzt aufkeuchte und Sophia sie alle verwirrt an sah. „Was bedeutet das genau? Mick hat gesagt, er könne Josef nicht verwandeln, solange die Kugeln in seinem Körper sind, aber Josef sagte mir einmal, dass er Kugeln in seinem Körper stecken lassen könne.“ sagte sie immer noch verwirrt und Mick blinzelte hektisch.

„Normalerweise ist das auch so, obwohl“, er gab ein ersticktes kleines lachen von sich, „du dann nicht mehr durch die Metallkontrolle am Flughafen kommst. Aber das gilt für normale Munition. Silber ist reines Gift für uns. Es greift die Nervenbahnen an und führt zu Lähmungserscheinungen. Eine Genügend große Menge Silber bringt uns um.“ er nahm ein Taschentuch aus der Packung auf Josefs Nachttisch und putzte sich die Nase.
„Solange die Wunden offen waren, konnte sein Blut das Silber aus dem Körper waschen. Und eine große Menge reinen Silbers ist auch für einen Menschen nicht gerade gesund. Aber als ich ihn biss und verwandelte, schlossen sich seine Wunden und das Silber blieb in seinem Körper gefangen.“ erklärte er und sah zu Guillermo. Der Pathologe nickte. „Ich habe ihm sämtliche Kugeln entfernt, aber ich kann nicht mit Sicherheit sagen, was für einen Effekt das Silber auf sein System hatte. Es kann gut sein, dass es die Rückverwandlung hemmt oder verlangsamt und er jetzt noch nicht vollständig Vampir ist. Dass er...“
er vollendete seinen Satz nicht. Mick konnte sich denken, was er hatte sagen wollen.
„Dass er zwischen den Zuständen hängen geblieben ist und jetzt im Koma liegt?“ fragte er leise und Beth starrte ihn entgeistert an.

„Du meinst es ist wie bei...“ Mick nickte nur vage. „Genau kann man das erst sagen, wenn er wirklich nicht aufwachen sollte.“ gab Guillermo an seiner Stelle Auskunft. Irgendetwas gurgelte und Mick verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. „Geht mal was essen, ihr zwei.“ sagte er und sah Beth und Sophia an. Beth erhob sich zögernd, doch Sophia ließ den Blick nicht von Josefs Gesicht weichen und machte auch keine Anstalten, zu gehen.
„Sophia.“ sagte Mick sanft und zwang sie, ihn anzusehen. „Du hilfst Josef nicht, wenn du dich zu Tode hungerst seinetwegen. Also geh etwas essen.“ der letzte Satz war mit mehr Befehlsgewohnheit gesprochen worden und langsam stand Sophia auf und strich Josef noch einmal durch die kurzen braunen Haare.
„Aber was, wenn er aufwacht und ich bin nicht da? Oder es ihm schlechter geht? Oder er...“ Mick hielt ihr den Mund zu und sah sie eindringlich an.
„Wenn irgendwas passiert, sind Guillermo und ich auch noch da. Wir passen auf, keine Sorge. Und wenn etwas ist, rufe ich dich sofort an. Jetzt geh etwas essen!“
Sophia seufzte und ging mit Beth nach draußen. Den Gang herunter und bis zum Lift, der sie auf die oberste Etage und zur Cafeteria bringen würde.
„Kennen du und Josef euch schon lange?“ fragte die blonde Frau sanft nach, um Sophia aus ihrer Starre zu reißen. Die junge Texanerin zuckte zusammen und sah Beth verwirrt an.
„Was? Nein, er ist ja erst seit ein paar Monaten in der Stadt und... er hat mich gerettet. Vor seiner Exfreundin. Naja und seitdem... sind wir zusammen.“ erklärte sie und Beth nickte lächelnd. Der Aufzug spuckte die im Dachgeschoss wieder aus und sie gingen zusammen zur Cafeteria.
„Bei mir und Mick war es ähnlich.“ erzählte sie, während sie sich mit zwei Tabletts in den Händen in die Schlang einreihte.

„Seine Exfrau hat mich entführt, als ich vier war. Und er hat mich gerettet. Bis vor einem Jahr wusste ich nicht, dass er mein Retter ist, aber jetzt...“ sie starrte verloren in die Ferne, während die Frau an der Essensausgabe ihr einen Klecks Gemüseauflauf auf den Teller klatschte und dann mit dem nächsten weiter machte. Die beiden Frauen suchten sich einen Sitzplatz am Fenster, aber Sophia stocherte nur lustlos in ihrer Portion herum.
„Ich weiß, das klingt idiotisch, aber ich wusste vom ersten Moment an, dass ich mit ihm zusammen sein möchte.“ sagte sie langsam. „Als wir uns das erste Mal gesehen haben, wollte er sich auf mich stürzen. Er hatte Durst und ich hatte furchtbare Angst vor ihm.“ sie lachte rau und schob sich einen Bissen in den Mund, langsam kauend.
„Aber als er mir gesagt hat, was er ist und was Mick ist... da war ich fasziniert. Nicht angeekelt oder so.“ sprach sie weiter und trank von ihrem Wasser. Langsam kehrte der Appetit zurück und sie aß mit mehr Enthusiasmus.
„Und dann hat mich seine Exfreundin entführt. Das hat sich zu einer ziemlich widerlichen Schnitzeljagd entwickelt. Ich war erst nicht sicher, ob er wirklich kommt um mich zu retten. Wir kannten uns ja erst eine Stunde. Aber er ist gekommen. Und hat mich gerettet.“ sagte sie und starrte ebenso in die Ferne wie Beth zuvor, ein verträumtes Lächeln auf den Lippen.

„Naja, und dann hat er vor fast drei Wochen das Heilmittel von Mick bekommen.“ Beth hörte schweigend zu. Mick und Josef waren sich wirklich so ähnlich, so verschieden sie sonst waren. Dachte sie mit einem kleinen Grinsen und aß schweigend weiter.
„Und jetzt...“ Sophia nahm einen Schluck von ihrem Wasser und wischte sich mit der Serviette den Mund ab.
„Er wird das schaffen. Ich bin mir einfach sicher.“ in dem Moment klingelte ihr Handy und sie sprang erschrocken hoch. Sie sah auf die SMS, die sie bekommen hatte und sah dann entgeistert Beth an.
„Das war Mick. Josef ist wach!“ kreischte sie und hastete aus dem Raum, Beth folgte ihr.

*


Mick starrte blicklos auf den Körper seines Freundes, der immer noch kaum Zeichen von Regung zeigte. Er atmete noch, das war immerhin ein Fortschritt, auch wenn er das nicht unbedingt musste. Auch ohne zu atmen konnte man als Vampir leben, aber es konnte unangenehme Fragen heraufbeschwören, wenn die Menschen zu gut hinsahen, deswegen hielten es die meisten Vampire wie sie und atmeten, ohne das es nötig war. Die Luft schmeckte dann besser, weil man all die guten oder schlechten Gerüche um einen herum wahrnahm, besser als Menschen das konnten.
Mick zog noch ein Taschentuch aus der Packung und wischte sich verstohlen über die Augen. Er schluckte schwer. Wenn es Josef wirklich so ging wie Sarah... würde er die Energie, die Kraft und den Willen haben, fünfzig Jahre und mehr auf ein Wunder zu warten? Er wusste es nicht zu sagen. Vielleicht. Er hatte noch nie so lange auf etwas warten müssen, sich in Geduld üben müssen und das meist gewünschte herbeisehnen.
Vielleicht gab es Hoffnung, dass es nicht so kam. Vielleicht....
Plötzlich erregte etwas an Josef Micks Aufmerksamkeit. Seine linke Hand zuckte nicht mehr ab und zu unkontrolliert, sondern tastete zielsicher über das Laken, als suche sie etwas, was sie nicht finden konnte. Jetzt sah Mick auch, dass Josefs Augäpfel unter den Lidern ruhelos hin und her wanderten, so als versuche er mit aller Macht, etwas zu sehen, bekam aber die Augen nicht auf.
„Guillermo!“ zischte Mick und der Pathologe drehte sich zu ihm um. Er hatte mit dem Rücken zu ihm gestanden und sich Notizen zu Josefs Zustand gemacht. Gerade als er sich umdrehte, schaffte Josef das Kunststück, die Augen auf zu machen und sah sie einen nach dem anderen an.
Er sah erst Mick an, dann Guillermo und schielte dann auf den Schlauch in seinem Mund. Was er wollte war klar.
„Nun ich denke, wo die Verletzungen alle geheilt sind...“ überlegte der Mexikaner und ging zu Josef herüber, um die beiden Verletzungen an seinem Hals zu untersuchen, die den Tubus erst nötig gemacht hatten. Sie waren klar verheilt, es gab wieder Schorf noch eine Narbe, nur gesunde Haut.
„Gut, ich denke, dann können wir extubieren.“ sagte er zufrieden. Mick nahm Josefs Kopf in beide Hände und überstreckte den Nacken nach hinten, damit der Schlauch leichter aus seinem Hals gleiten konnte, während Guillermo den Tubus vorsichtig herauszog.

Kaum von dem Schlauch befreit räusperte Josef sich zwei, dreimal und versuchte zu sprechen, aber kein Ton kam über seine Lippen.
„Naja ich denke, zwei Kugeln in den Hals zu bekommen ist nicht gerade förderlich für die Gesangskarriere.“ scherzte Mick. Josef sah ihn finster an.
„Oh warte, ich hole dir Zettel und Stift.“ noch immer glucksend ging Mick nach draußen und schrieb eine SMS an Sophia, dass Josef wach sei, wie er es versprochen hatte, dann borgte er sich an der Rezeption Kugelschreiber und Block für seinen Freund und ging zurück in Josefs Zimmer.
Kaum hatte er die Tür wieder hinter sich geschlossen, wurde sie auch schon wieder aufgerissen und Sophia stürmte hindurch. Sie fiel Josef sehr vorsichtig um den Hals und hatte schon wieder Tränen in den Augen, dann setzte sie sich und starrte ihn schweigend, lächelnd und überglücklich an. Beth stellte sich zu Mick in die Ecke, der den Arm um sie legte und sie an sich zog.
Josef nahm Papier und Stift und schrieb hastig eine Nachricht darauf.
Sophia, es tut mir Leid, wenn ich dir so viel Kummer bereitet habe in den letzten tagen, ich bin bloß froh, dass dir nichts passiert ist. Allein das war die Schmerzen und die Angst hundertfach wert. Ich liebe dich.
Er reichte ihr den Block zu lesen und sie lächelte ihn an. Vorsichtig beugte sie sich zu ihm herunter und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn, was ihn dazu veranlasste,. Mit einem zufriedenen Grinsen die Augen zu schließen.
„ich dich auch.“ flüsterte sie ihm ins Ohr und er lachte, zumindest wollte er das, aber kein Ton kam.

Er nahm den Block wieder an sich, sah erst sie an und dann den Block, biss sich auf die Lippe und spielte mit dem Stift. Seine Stirn furchte sich, als er angestrengt nachzudenken schien.
Dann schien er einen Entschluss gefasst zu haben und drückte die Mine des Kugelschreibers nach draußen, um zu schreiben.
Sophia, ich weiß, du wirst mich vielleicht für verrückt halten. Und ich mich selbst auch, nebst allen anderen Anwesenden in diesem Raum.
Er hielt kurz inne und warf Mick einen vielsagenden Blick zu. Mick lächelte leicht und reckte den Daumen wortlos in die Höhe. Das schien Josef Bestätigung genug zu sein, denn er schrieb weiter.
Früher (zu meiner Zeit) galt es fast schon als unfein, einer Frau so früh die alles entscheidende Frage zu stellen. Zumindest bin ich so erzogen worden. Ich weiß nicht, wie das heute ist. Ich habe so was noch nie gemacht. Und wenn es für dich zu früh ist, dann sage mir das bitte. Ich will dich zu nichts zwingen. Wenn es für dich zu früh ist, ist das okay. Dann frage ich einfach noch mal, wenn du mir signalisierst, dass es in Ordnung für dich ist.
Diesmal schob er ihr den Block zögerlicher zu und sah dann hastig weg. Sie las, was auf dem Zettel stand und auch Mick beugte sich über ihre Schulter und las. Dann verzog sich sein Gesicht zu einem breiten Grinsen. „Du bist so ein glücklicher Bastard, Mann...“ sagte er lachend, aber Josef vermied es immer noch, sie alle anzusehen, bis Sophia ihm den Kopf herum zwang und ihn leidenschaftlich küsste. „Natürlich ist es nicht zu früh, du Idiot!“ sagte sie liebevoll und lächelte. „Ich habe darauf gewartet, dass du fragst! Was könnte ich als anderes antworten als „Ja, ich will“?“
 
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