Meine Geschichten
  Auf den Dächern
 
„Weißt du, als ich sie das erste Mal traf, war sie gerade dabei, eine Piratenarmee aufzubauen.“
„Eine Piratenarmee?“
„Jaa, zu der zeit konntest du so was noch machen.“

Episode 1.06 „Black Crystal“


Der Aufenthalt im Krankenhaus dauert kürzer als erwartet und ehe ich mich versah, durfte ich auch schon wieder gehen. Nichts hätte mich länger dort gehalten als nötig, denn immerhin gab es jetzt eine menge zu planen.
Sophias Mutter lies uns nicht ganz den Freiraum, den wir uns gewünscht hatten, aber ich war schon froh, dass sie Sophia das ganze nicht wieder ausgeredet hatte. Gerade jetzt saß ich zu Hause. Sophia und ich hatten uns doch entschlossen, ein Haus wäre angemessener für uns zwei als eine kleine, beengende Wohnung, vor allem, da wir in absehbarer zeit zu dritt sein würden. Ich saß an meinem Schreibtisch, die Stirn in Falten gelegt, meine Hände spielten mit einem Stift und ich konzentrierte mich ganz und gar auf das Schreiben vor mir, auf dem noch die Tinte trocknete.


Lieber Mick, liebe Beth,
hatte ich geschrieben,

Es würde uns wirklich ungemein freuen, wenn ihr der Einladung folgen und zu unserer Hochzeit kommen würdet. Stattfinden wird diese am 20. August, kurz vor Mitternacht (mit Rücksicht auf bestimmte Gäste) im kleinen Kreis.

So klein würde der Kreis dann doch nicht werden, immerhin hatte ich Sophias Familie, ihre wenigen Freundinnen und meine gesamten bekannten und wenigen Freunde einladen müssen, der Großteil Vampire. Noch dazu ein ganzer Haufen Freshies, um die  wie gesagt größtenteils vampirische Festgesellschaft bei Laune zu halten. Und dann noch die ganzen Organisatorischen Dinge... Mick und Beth hatten ein bisschen geholfen, immerhin wusste zumindest Mick, worauf es ankam.
Und das brachte mich zu dem zweiten, nicht weniger prunkvollen Stück Papier, dass noch unbeschrieben vor mir lag.
Ich knabberte an meiner Unterlippe und griff nach dem Glas, was neben mir stand, um einen Schluck davon zu nehmen.
Dann setzte ich den Stift aufs Papier und fing an zu schreiben.

Lieber Mick,

Ich hätte noch eine persönliche Bitte an dich. Wie du weißt, sind wir seit fast sechzig Jahren die besten Freunde. Und da finde ich, kann man den anderen um den einen oder anderen Gefallen bitten. Ich weiß genau, du wirst jetzt grinsen und den Kopf schütteln, aber ich muss es einfach mal sagen. Du bist wie ein Bruder für mich, ich denke unsere Vergangenheit beweist das mehr als genug. Deswegen wäre es mir eine Ehre, wenn du an meiner Hochzeit nicht nur als mein Freund und Bruder dabei wärst und mir zur Seite stündest, sondern als mein Trauzeuge.


Ich legte den Stift weg und trank mein Glas aus. Dann stellte ich es weg und mein Blick blieb auf dem Foto hängen, dass mich mit Sophia und Mick zeigte, Arm in Arm, die Frau in unserer Mitte, halb im Schatten Irgendein chinesischer Tourist hatte es gemacht und ich hatte nicht gezögert und ihm das gute Stück einfach abgekauft, zumal es eine Polaroidkamera gewesen war. Sophia hatte gelacht und neckend gefragt, wie das denn aussehen würde, wenn sie dort alleine auf dem Foto auftauchen würde, die Arme komisch erhoben, als würde sie sie zwei Personen um die Schultern legen, die gar nicht auf dem Foto zu sehen waren...
Es hatte eine Weile gedauert, bis Mick und ich uns von dem Lachanfall erholt hatten und sie nicht mehr beleidigt schaute.
Ich lächelte versunken, als sie hinter mich trat und mir den Nacken massierte. Ich grollte wohlig.
„Na, schon fertig mit allen Einladungen?“ fragte sie und ich rieb mir Theatralisch die Finger. „Jaaa...“ seufzte ich und sie lachte, bevor sie mich in den Nacken küsste.
Ich schnurrte wie eine große Katze.
„Wärst du kein Vampir und damit schneller und wahrscheinlich auch sauberer was das Schreiben angeht als ich, hätte ich angeboten, dir zu helfen, aber da du nun mal schon fertig bist...“ murmelte sie in mein Ohr und ich lehnte mich weg, als ihr Duft zu intensiv und das Verlangen zu stark wurde.
Ich seufzte leise. Gerade hatte ich erst etwas getrunken, aber wenn sie in meiner Nähe war, war es, als könnte ich jede Sekunde die Beherrschung verlieren. Ob ihr Geruch nur auf mich so eine Wirkung hatte? Ich wand mich unter ihren Fingern heraus und stand auf.
„Genug geschrieben. Hast du Hunger? Wir könnten zusammen etwas kochen.“ schlug ich vor und sah sie mit schräg gelegtem Kopf an.
„Oder ich lade dich zum essen ein.“Sie lächelte leicht. Das letzte mal, als ich das gesagt hatte, war ich noch ein Mensch gewesen und sie erinnerte sich so gut wie ich daran, wie schwer mir die Auswahl des Essens gefallen war.
„Du würdest mir doch wieder nur beim Essen zuschauen. Wird dir das nicht irgendwann langweilig?“ fragte sie skeptisch und ich nahm sie in den Arm und küsste sie auf den Kopf.
„Nie. Ich könnte dir stundenlang zusehen, wie du all diese kleinen Köstlichkeiten in dich hinein futterst...“ sagte ich und ließ meine Nase ihren Hals entlangwandern.

Jetzt war es an ihr, wohlig zu grummelnd, aber ich eiste mich schneller wieder von ihr los, als ihr lieb war. Sie zog einen Flunsch.
„Na komm, ein bisschen essen wird dir nicht schaden. Du hast doch Hunger.“ sie seufzte und meine aussage wurde von einem Grummeln ihres Magens quittiert.
„Was du nicht alles hörst...“ sagte sie und striff sich eine leichte Jacke über, denn es war ungewöhnlich kühl für Ende Juni.
Ich führte sie zu meinem Ferrari und hielt ihr die Tür auf. Bis zum Restaurant kamen wir damit nicht ganz. Es war alles zugeparkt.
Vielleicht weil in der Nähe so eine Art Galaempfang stattfand. Ich wollte es nicht wissen und parkte meinen Wagen etwas weiter weg. Das letzte Stück würden wir zu Fuß zurücklegen müssen.

Keiner von uns bemerkte den Schatten, der sich an der Regenrinne herab ließ und lautlos hinter uns herlief. Erst als Sophia etwas in den Rücken fiel, drehte ich mich um, da war es aber schon zu spät. Catherine hatte Sophia schon einen tritt verpasst, der sie auf die Straße fliegen ließ, genau vor die fahrenden Autos. Ich wollte ihr nachspringen, entweder das Auto oder sie aus dem Weg stoßen, aber da traf mich etwas mit der kraft eines wütenden Nashorns und riss mich weg. Catherine hielt mich gepackt und schleifte mich eine Hauswand nach oben. Auf dem kiesbestreuten Flachdach ließ sie mich fallen und ich blieb keuchend liegen, wo ich war.
Unten hupten Autos, Bremsen kreischten, Glas splitterte. Das Aufkreischen von Metall, ein Schrei, und noch mehr zersplitterndes Glas. Menschen schrien durcheinander.
„Das muss zerreißend sein... hier oben zu sein, während die Freundin – oh Verzeihung, Verlobte – unten von Dutzenden Autos überfahren wird...“ stichelte Catherine und ich sah erschreckt über den Rand des Daches. Sophia sah ich nirgendwo, dafür aber eine Masse zerstörter Autos und Menschen, die herum liefen wie emsige Ameisen. Ich sah wieder zu Catherine.  Knurrend wandte ich mich ab und sprang nach unten.

Schnell bahnte ich mir einen Weg an den Menschen vorbei bis zu ihr, wo sie lag. Scheinbar hatte keines der Autos sie überfahren, aber sie schien dennoch verletzt zu sein. Ich krabbelte zu ihr und nahm ihr Gesicht in meine Hände.
„Sophia? Schönheit, ist dir etwas ...“ ich kam gar nicht dazu, den Satz zu Ende zu sprechen, als mir eine Hand ins kurze Haar fasste und mich groß von ihr fort riss.
Sekunden später war ich wieder mit Catherine oben auf dem Dach des Hauses. Jetzt sahen mehrere Leute zu uns hoch.
Irgendwo in der Ferne heulte eine Sirene, und ich hoffte, dass es ein Krankenwagen war, um sie weg zu bringen von hier. Ich knurrte Catherine an, aber da sprang sie schon auf mich zu und grub mir die Zähne in den Hals. Ich schrie auf, nicht so sehr vor Schmerz, mehr vor Wut, und versuchte sie von mir herunter zu befördern, aber da hatte sie schon angefangen zu trinken und ich merkte, wie ich schwächer wurde und den Widerstand aufgab.
Schließlich ließ sie ab und stand einen Bruchteil eines Lidschlages später an der gegenüberliegenden Wand, während ich auf die Knie fiel. Alles drehte sich und ich schwankte. Ich kniete gefährlich nah an der kante und würde stürzen, weswegen ich mich weit vornüber lehnte. Zitternd verharrte ich so einige Sekunden, bis der Kiesboden unter mir nicht mehr schwankte und die Steine nicht mehr schrill bimmelten. Mein Hemd war zerrissen und der Ärmel hatte sich mit meinem Blut voll gesogen und klebte unangenehm kalt auf meiner haut. Dann schoss ich hoch, riss im laufen eine Lampe aus dem Boden – warum man hier Lampen anbrachte, war mir ein Rätsel – und schwang das schwere Ende über den Kopf, während mir das Kabel funkensprühend ins Gesicht schlug. Die Stromschläge stachelten mich nur noch mehr an. Ich drosch mit der schweren Lampe auf Catherine ein, wollte ihr den Kopf zu Brei schlagen, aber genau so gut hätte ich die Lampe gegen die Hauswand donnern können, denn ebenso viel passierte. Nichts. Außer, dass die Lampe den Geist aufgab. Ich ließ sie fallen und schlug mit meinen bloßen Fäusten auf sie ein, bis sie sich befreien konnte und mich wegschleuderte.

Ich rutschte über die kante in die Tiefe und fiel. Im fallen hörte ich sie noch verrückt und irre lachen, bevor ich unten aufschlug.
Als ich mich wieder aufrappelte und aufstand, war sie schon wieder verschwunden. Unten waren Sanitäter gerade dabei, Sophia in den RTW zu laden. Einer der Männer drehte sich nach mir um, als ich hinter ihm in den Wagen steig und betrachtete entsetzt meinen Blutdurchtränkten Ärmel.
„Nicht schlimm.“ brummte ich auf seinen Fragenden Blick und setzte mich zu Sophia.
„Was hat sie?“ fragte ich leise. Ich hatte Angst, Catherines Tritt oder der Aufschlag auf die Straße könnten dazu geführt haben, dass sie das Kind verlöre, aber dann wäre sie jetzt nicht so ruhig.
„Nur drei gebrochene Rippen und eine Gehirnerschütterung.“ sagte der Sanitäter und ich atmete erleichtert aus. „Mach mir nie wieder so eine Angst, hörst du?“ fragte ich leise. Sie hatte die Augen geschlossen und schlief, während über uns die Sirenen anfingen zu heulen und sich der Krankenwagen schaukelnd in Bewegung setzte.

 
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