Meine Geschichten
  Der Anruf
 
Irgendwann merkte ich, wie sie sich mit einem Stuhl neben die Kühltruhe setzte und mir beim Schlafen zusah. Ich wollte sie packen und mit ihr davonlaufen, irgendwo hin, wo uns keiner fand und wo wir allein waren, aber ich konnte mich nicht rühren und driftete zurück ins Reich der Träume. Dachte sie, sie müsse mich beschützen? Ich war es doch, der sie beschützen musste, nicht umgekehrt!

Es verging eine Stunde, dann noch eine weitere. Schließlich klappte ich den Deckel der Truhe hoch und sah mich um. Ich fühlte mich fit und perfekt gerüstet, egal für was.
Fast hätte ich gelacht, als ich dort hin schaute, wo Sophia auf ihren Stuhl saß. Der Kopf war ihr nach vorn auf die Arme gesunken,ihr Pony flatterte bei jedem Atemzug und drohte sie zu wecken, weil er sie an der Nase kitzelte. Ich hielt einen Finger darunter, damit sie nicht durch ihr eigenes Niesen wach wurde, kletterte aus der Truhe, hob sie vom Stuhl und trug sie ins Schlafzimmer, wo ich sie unter die Decken legte und dann zurück in die Küche ging, um mich anzuziehen. Auf Zehenspitzen schlich ich wieder zurück ins Schlafzimmer und legte mich neben sie, schlang einen Arm um die schlafende Gestalt und griff nach dem Buch, was auf ihrem Nachttisch lag. Nach ein paar Seiten hatte ich mich festgelesen. Ich brauchte das licht nicht, im Dunklen hätte ich genau so gut lesen können.
Erst, als mich nach ein paar Stunden der Durst wieder quälte, ging ich in die Küche und schenkte mir ein Glas ein. Ich merkte und roch, das Mick hinter mir stand, aber ich drehte mich nicht zu ihm um. Ich füllte einfach noch ein zweites Glas mit einem Drink und hielt es ihm hin. Dann setzte ich mich rittlings auf den Stuhl, den zuvor Sophia beansprucht hatte und er setzte sich auf die Küchenzeile und sah mich erwartungsvoll an.

„Also, bist du dir jetzt klar darüber geworden, wie es weitergehen soll?“ fragte er ohne Umschweife und ich antwortete mit einem Seufzen.
„Nein.“
Er prustete in sein Glas. „Den Blick kenne ich. Josef Kostan ist verliiiiiiiieeeebt.“ säuselte er und lachte. Ich grollte. „Ha ha. Selten so gelacht.“ gab ich zurück und füllte mein Glas nach. Einen Augenblick überlegte ich, ob ich es dabei belassen und nichts sagen sollte, aber ich konnte das nicht mehr länger für mich behalten.
Ich seufzte wieder.
„Jaaaaah, vielleicht.“ erwiderte ich gedehnt. Er hatte anscheinend mit so einer Antwort gerechnet, zumindest fiel er nicht vor Überraschung vom Stuhl.

„Nur vielleicht oder tatsächlich?“ fragte er und grinste schon wieder so anzüglich.
„Lass mich ausreden, ja? Ich fühle mich... zu ihr hingezogen. Nicht wegen ihrem Blut. Zumindest nicht mehr. Also zumindest glaube ich, dass das nicht der Grund ist, ich hoffe es, also das das nicht der Grund ist, weißt du?“ er runzelte die Stirn, ein sicheres Zeichen für „Hä?“, aber er nickte.
„Und als ich vorhin kurz in der Kühltruhe ein Nickerchen gemacht habe, da war mir, ich müsse aufspringen und sie packen und fort bringen von hier, damit niemand sie mir wegnahmen kann. Ich will immer in ihrer Nähe sein, mit ihr sch...“
Er stellte sein Glas weg, sah mich an und lachte mich aus. „Achso, das habt ihr auch schon ausprobiert?“
Ich knurrte noch lauter.
„Nein. Ich will sie nicht umbringen, wenn ich es vermeiden kann. Was ich sagen will ist...“
„... das du dich buchstäblich unsterblich in sie verliebt hast. Nur dass sie nun mal nicht unsterblich ist.“ Ich nickte und starrte in die tiefen meines Glases, als würde der Inhalt gleich lebendig werden und mich erwürgen.
„Was mich zum eigentlichen Thema bringt. Was ist, wenn sie eines Tages will, dass ich sie verwandele? Was ist, wenn...“
Er sah mich an, seine Augen bohrten sich förmlich in meine.
„Wenn es so wird wie bei Sarah?“ fragte er leise und ich nickte stumm.
„Was, wenn sie nie wieder aufwacht?“ fragte ich bitter und trank mein Glas leer, stellte es weg.

Er sah mich mitleidig an. „Aber wenn du es noch nie versucht hast, wie kannst du da wissen, was passieren wird?“ fragte er und auch er stellte sein leeres Glas weg. „Bei mir hast du es doch auch geschafft. Ich bin auch wieder aufgewacht.“ sagte er tröstend, zumindest sollte es wohl tröstend sein, aber es munterte mich kein bisschen auf.
„ja, aber du warst schon mal Vampir. Dein ganzer Körper weiß, was dann auf dich zukommt. Ich habe nicht etwas völlig neues aus dir gemacht, sondern dir nur das alte wiedergegeben. Aber bei Sophia... ich möchte nicht noch einmal fünfzig Jahre in dem Glauben leben, sie getötet zu haben und das es keine Rettung mehr für sie gibt.“ Ich seufzte und schüttelte den Kopf.

Er stand auf. „Na dann. Musst du selbst wissen. Aber wenn sie dich fragen sollte solltest du wenigstens einen guten Grund haben, abzulehnen.“ sagte er und zog ein Päckchen Karten aus der Tasche.
„Lust auf eine Runde MauMau, BlackJack oder Poker?“ fragte er und ich lächelte. „Aber mit Einsatz.“ erwiderte ich und kam zu ihm an den Tisch, wo er schon die Karten ausgab. Für eine lange Zeit dachte ich nicht mehr an mein Problem, dass ich hatte. Der Geldhaufen in der Mitte des Tisches wuchs höher und höher, weil wir lange spielten und abwechselnd Geld einsetzen mussten, aber es machte Spaß. Mit Mick Poker zu spielen war immer wieder überraschend. Man wusste nie, was er für Trümpfe in der Hand hatte.

Es war schon spät, als ein Anruf auf meinem Handy einging.
Ich legte mein Blatt verdeckt auf den Tisch. „Wenn du schummelst, beiße ich dich!“ drohte ich und stand auf.
„Josef Kostan?“ fragte ich unsicher in den Hörer.
„Mr. Kostan, Paula hier. Ließe es sich einrichten, dass Sie umgehend nach New York fliegen?“ fragte sie. Anspannung und Freude schwang in ihrer Stimme mit und ich umklammerte das Handy so fest, dass ich Angst hatte, es würde mir in der Hand zerfallen.
„Gibt es...“ ich musste schlucken, um die Kehle frei zu bekommen, „gibt es einen Grund, warum ich sofort nach New York kommen sollte?“ fragte ich heiser.
Sie lachte fröhlich. „Den gibt es sogar ganz bestimmt, Sir! Miss Whitley ist aufgewacht.“
Mir fiel das Telefon aus den Händen. Das es am Boden nicht in tausend Stücke zersprang, fiel mir gar nicht auf. Ich warf Mick noch einen Blick zu, der so viel heißen sollte wie: „Erkläre Sophia alles, machst du das?“ und rauschte zur Tür hinaus.
 
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