Meine Geschichten
  Der Kampf im Wald
 
Die Spur, die der fremde Vampir hinterließ, führte uns in die Wälder außerhalb Seattles. Ich wusste nicht, was wir tun würden, wenn wir ihn fänden. Sollten wir ihn wirklich töten, weil ich mich verplappert hatte? Andererseits war er eine Gefahr für uns alle, wenn er weiter Menschen tötete. Und doch... er hatte nicht so ausgesehen, also könne er sich nicht beherrschen, denn sonst wäre er wohl kaum in ein Casino gegangen, indem es von duftenden Köstlichkeiten nur so wimmelte.
Während ich rannte merkte ich, dass es wohl egal war. Ich hatte kein Problem damit, ihn zu töten und Mick wahrscheinlich auch nicht. Nur die junge Vampirin machte mir Sorgen. Oder vielmehr: Sie ließ mich nachdenklich werden. Wieso hatte sie ihn beschützt? Wieso hatte sie nicht einfach zu gelassen, dass er starb?

Wir brachen durch den Schutz der Bäume und standen auf einer kleinen Lichtung. Mick und ich atmeten synchron ein. Ich roch den fremden Vampir deutlich. Er war ganz in der Nähe. Aber sehen konnte ich ihn nirgends.
„Komm raus!“ rief ich mit dunkler Stimme, weil der Vampir in mir die Kontrolle übernahm.
„Wir wissen, dass du hier bist, also zeig dich! Was du getan hast, muss bestraft werden!“ knurrte jetzt auch Mick. Über uns in den Bäumen raschelte etwas, dann landete ein schweres Gewicht auf meinem Rücken.
„Ist das so, ja?“ fragte er und ich versuchte knurrend, ihn wieder los zu werden.
Ich drehte mich einem Tänzer gleich um die eigene Achse und der Schwung katapultierte ihn von mir weg und in den nächsten Baum.
Schwer atmend stand ich vor ihm und sah auf ihn herunter.
„Na komm. Heute bin ich gnädig. Ich lasse dich selbst entscheiden, wie du sterben wirst. Du hast die Wahl – möchtest du gepfählt und geköpft, in Stücke gerissen oder verbrannt werden?“ fragte ich und lächelte höhnisch. Er wandte den Blick ab und sagte keinen Ton.
Ich stupste ihn mit der Schuhspitze an.
„He, ich hab dich was gefragt.“ Immer noch keine Reaktion. Der nächste Tritt fiel etwas heftiger aus. Er sagte nichts, wehrte sich nicht. Da wurde es mir zu viel. Ich packte ihn am Kragen und zog ihn hoch.
„He, du Wurm, ich rede mit dir! Also, wie möchtest du sterben?“ Ich schnippte mit den Fingern und Mick reichte mir Holzpflock und Feuerzeug.
Der fremde Vampir lächelte höhnisch und sah mir in die Augen.
„Macht, was ihr wollt. Ich habe keine Angst vor dem Tod. Er käme mir eigentlich sehr gelegen.“ sagte er und senkte wieder den Blick. Das machte mich stutzig. Jeder andere Vampir würde sich heftig wehren, wenn es darum ging, ihn zu töten. Dieser hier tat das Gegenteil – er wehrte sich überhaupt nicht. Er war mir eigentlich als jemand erschienen, der cholerisch und leicht reizbar war, ja zu Kurzschlusshandlungen neigte, aber warum griff er mich dann nicht an?

Hätte er mich getreten, ich hätte kurzen Prozess mit ihm gemacht. Schon das „Halt's Maul“ im Casino hatte mich wütend gemacht. Er musste mir nur noch einen Grund liefern, und ich würde ihm die Kehle raus reißen. Vielleicht war es wirklich so, vielleicht brauchte er erst einen triftigen Grund, sich zur Wehr zu setzen. Ich ließ ihn nicht fallen, wie ich es zuerst vor gehabt hatte, ich drehte mich noch einmal um die eigene Achse und ließ ihn fliegen. Ein Baum gab unter dem Aufprall nach und stürzte auf die Lichtung, am nächsten blieb er hängen und es knackte. Ich wusste, wenn er ein Mensch gewesen wäre, hätte ihn der Aufprall auf den Stamm getötet, ihm die Wirbelsäule, wenn nicht gar das Genick gebrochen, aber so heilten gebrochene Knochen innerhalb von Sekunden wieder und er schlug die Augen auf. Etwas glomm darin auf, ein Funke. Reiner Hass. Ich hatte den Blick schon oft gesehen, schon bei mir selbst. Das war es, was den Menschen bei unserem Anblick kalte Schauer über den Rücken jagte.

Langsam rappelte er sich auf. Für einen Moment sah es so aus, als wolle er sich auf mich stürzen, dann wandte er sich ab. Den Kopf gegen den Stamm gelehnt, blieb er stehen und auch ich drehte mich weg und ging. Ein Fehler. Ich hörte Mick zischen, dann sauste etwas durch die Luft und traf mich mit solcher Wucht in den Rücken, dass ich vorn überkippte und nach Atem ringen musste, weil was immer mich getroffen hatte, mir die Luft aus den Lungen gedrückt hatte. Ich rappelte mich auf und sah mich um. Der Kerl stand noch immer dort, wo er vorhin schon gestanden hatte. Zu meinen Füßen lag ein schwerer Ast, den er wohl nach mir geschleudert hatte. Ich spürte, wie sich gebrochene Rippen selbst wieder heilten und der Bluterguss, der sich sicherlich auf meinem Rücken gebildet hatte, wieder verschwand. Ich knurrte, kauerte mich nieder und fletschte die Zähne. Dann sprang ich auf ihn los. Zusammen rollten wir über den Boden, bis ich ihm den Kopf zur Seite drückte und zubiss. Sein Blut schmeckte wunderbar kühl und angenehm, dann riss er mich von sich fort. Wir spritzten auseinander und standen niedergekauert ein Stück voneinander entfernt.
„Falls du mich gerade verwandeln wolltest – da war schon jemand schneller als du.“ höhnte er und ich knurrte.

Es knallte, als wir wieder zusammenstießen. Diesmal war er es, der mich biss und ich spürte, wie das Blut meinen Hemdkragen und den rechten Ärmel tränkte. Die Wunde schloss sich sofort wieder, aber der Blutverlust setzte mir dennoch zu. Wieder sprangen wir auseinander. Ich knurrte noch immer und warf mich dann wieder auf ihn. Wir krachten in einen Baum und ich nagelte ihn fest. Meine Faust zielte auf sein Gesicht und ich zog sie zurück und ließ sie mit aller Kraft, die ich aufbrachte, auf seiner Nase landen. Es knackte brechreizerregend. Dabei konnte ich zusehen, wie die Nase wieder heilte. Der Blutstrom aus den Nasenlöchern versiegte und ich spürte starke Arme, die mich von ihm herunter zerrten.
„Josef, lass es gut sein. Du hattest deinen Spaß.“ flüsterte Mick in mein Ohr. Einen Moment achtete ich nur auf Mick, ein Moment, den unser Gegner nutzte, um um uns herum zu laufen und Mick von mir herunter zu reißen. Im nächsten Moment erwartete ich das Knacken von Knochen oder Holz, aber nichts von all dem passierte. Ich drehte mich herum und sah Mick, der hoch oben an dem Baumstamm lehnte, auf den er eigentlich mit dem Rücken zuerst hatte aufkommen müssen. Dank seiner vampirischen Fähigkeiten hatte er sich abfangen können und hing nun dort wie an einer Litfaßsäule.
Sein Gegner starrte hasserfüllt zu ihm hoch und Mick lächelte. Im nächsten Augenblick musste er sich ducken, weil ihm sonst der Ast, der mich vorhin getroffen hatte, den Schädel zu Brei geschlagen hätte. Er prallte mit einem hässlichen Splittern am Stamm ab und zerbarst in tausend Teile.
„Das ist mein Freund, dem du da die Birne einschlagen wolltest, du Bastard!“ zischte ich und warf mich wieder auf ihn. Bevor ich jedoch wieder die Faust zurückziehen und sie ihm in den Magen rammen konnte, hielt etwas meinen Schwung auf und ich sah in die grünen Augen der fremden Vampirin. Sie musste uns gefolgt sein und hielt jetzt mein Handgelenk fest, damit ich nicht mehr zuschlagen konnte.

„Nicht, bitte!“ flehte sie. „Er hat es bestimmt nicht so gemeint!“ ich knurrte und riss mich los. Langsam stand ich auf und sah sie an.
„Er hat einen Menschen getötet!“ sagte ich und zeigte anklagend auf den Vampir zu meinen Füßen. Ein Tritt beförderte ihn zu Boden, als er aufstehen wollte. Mein Fuß senkte sich auf seinen Brustkorb und hielt ihn unten.
Sie schnaubte spöttisch.
„Tust du das nicht auch, vielleicht sogar jeden Tag? Ich will nicht entschuldigen, was er getan hat, aber wenn du ihn danach beurteilst, bist du keinen Deut besser als er.“ Ich knurrte. „Dann möchte ich wissen, wovon du dich ernährst? Vielleicht... von Tomatensaft?“ fragte ich und lächelte höhnisch.
„Ich bestreite nicht, das es unsere Natur ist, aber im Gegensatz zu ihm“, Ich ruckte mit dem Kopf zu dem Stück Dreck unter meinem Fuß, „bringe ich keine Menschen in der Öffentlichkeit um, weil sich jemand verplappert hat.“
Sie lächelte mich wissend an.
„Ach, dann gibst du also zu, dass es dein Fehler ist, dass er hier ist? Wegen deinem Fehler soll jemand sterben?“ fragte sie und stemmte die Hände in die Hüften. Sie stellte sich schon wieder vor ihn und kauerte sich nieder, als ich knurrte.

Niemand gibt gerne zu, dass er einen Fehler gemacht hat, ich am Allerwenigsten. Und das sie Recht hatte, würde ich noch weniger zugeben.
„Das rechtfertigt aber nicht seinen Ausbruch. Er hätte den Geldgeber nicht umbringen brauchen!“ zischte ich. Mick neben mir knurrte ebenso, den Holzpflock schon in den Händen.
„Und was hättest du gemacht, wenn der Geldgeber eins und eins zusammengezählt hätte und vielleicht noch anderen erzählt hätte, was wir sind? Dann hättest du ihn auch umgebracht, da wette ich mit dir!“
Darüber dachte ich eine Weile nach. „Hätte ich. Aber ich hätte ihn hier im Wald umgebracht, wo niemand seine Leiche findet! Jetzt wimmelt es im Casino vielleicht gerade vor Polizisten, die sich wundern, woher die Einstichstellen an seinem Hals kommen und wie er daran verbluten konnte?“ fragte ich und legte den Kopf schief. Der Vampir sah aus,als ginge es ihn nichts an und das machte mich so wütend.
„Und wie er die Tür von außen hätte abschließen, die Luftschächte verbarrikadieren und sich selbst diese Wunden zufügen konnte, wo das Blut, dass man sicherlich in dem Zimmerchen finden wird, viel zu wenig ist, als dass er daran hätte sterben können! Und wo der Rest des Blutes hin ist, der sich nicht mehr im Körper des Geldgebers, wohl aber schon im Körper deines kleinen Freundes befindet, wird sie sicherlich auch interessieren.“ Ich sah verächtlich zu den beiden herüber. Zusammen waren sie nicht, dazu war der Streit am Anfang zu heftig gewesen. Sie schienen sich nicht einmal zu kennen und doch setzte sie sich so für ihn ein. Warum? Vielleicht aus dem selben Grund, aus dem ich damals Sophia gerettet hatte, obwohl ich sie erst seit einer Stunde gekannt hatte? War sie in ihn verliebt?

„Und du glaubst, du machst es besser, wenn der Vampir, der das getan hat, stirbt? Was ändert das? Dann gibt es immer noch andere, die da draußen Morde begehen! Wollt ihr die auch alle töten?“ fragte sie verächtlich, aber ein Blick in unsere Gesichter gab ihr die Antwort. Wir würden jeden töten, der sich nicht an bestimmte Gesetze hielt.
„Es gibt Regeln, an die man sich als Vampir zu halten hat, Mädchen!“ spie ich wütend. Sie schnaubte tief und zornig.
„Ich heiße Lielan und nicht „Mädchen“, kapiert?“ zischte sie zurück.
„Also schön, Lielan.“ Ich sprach den Namen mit so viel Verachtung aus, wie ich konnte. „Du bist erst seit kurzem Vampir, da ist es vielleicht schwer, zu verstehen, was das für Regeln sind. Jeder neugeborene Vampir hat einen Mentor, die Person, die ihn verwandelt hat! Er bringt ihm alles bei, was er wissen muss, um nicht eine rasende, blutrünstige Bestie zu werden.“ mein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln.
„Wo ist dann dein Mentor, Kleines? Eigentlich sollte er dir nicht von der Seite weichen.“ sagte ich und lächelte gefährlich. Sie senkte den Kopf und wurde rot. Mit zusammengekniffenen Lippen schüttelte sie das Haupt.
„Aha. Noch ein Grund, jemanden umzubringen. Dich und deinen Erzeuger.“ Sie knurrte und fletschte die Zähne. Mit einem Mal war der Typ – wir wussten immer noch nicht, wie er hieß – unwichtig. Ich ging ein paar Schritte auf Lielan zu und umkreiste sie, während Mick den Kerl im Augen behielt.
„Obwohl ich zugeben muss, dass du eine erstaunlich gute Selbstkontrolle hast für jemanden, der erst seit kurzem Vampir ist und dazu noch keinen Mentor hat....“ sagte ich und lief weiter bedächtig um sie herum. Sie gab sich nicht die Blöße, sich mit mir zu drehen, sondern blieb, wo sie war.
„Ich... habe etwas dagegen, Lebewesen jeglicher Art zu töten. Schon als... schon als Mensch.“ presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Aha. Noch ein Kandidat für die Dosenfutter-Fraktion.
„Also das ist der Grund, warum du ihn beschützen möchtest? Du möchtest nicht, dass er stirbt. Dass irgendjemand stirbt. Interessant., dann frage ich mich, von was du dich zu ernähren gedenkst. Tütenmilch? Tomatensaft? Nein, lass mich noch mal raten!“ sagte ich sarkastisch, „Du lebst von Gemüse, richtig? Wie ein Kaninchen. Oder eine Kuh.“ setzte ich mit spöttischem Lächeln hinzu und sie grollte, dass die Luft flimmerte.
Sie wollte sich auf mich stürzen, aber ich war schneller. Mit einem Knurren trieb ich ihr den Holzpflock in meiner Hand ins Herz. Noch bevor sie zupacken konnte, erstarrte ihre Gestalt und sie fiel zu Boden.
Ich ging zu dem Kerl herüber, der immer noch am Boden saß und zog ihn hoch.

Mick stand etwas entfernt und würde nicht hören, was ich zu sagen hätte.
„Hör zu. Ich lasse dich laufen, aber wenn ich raus finde, dass du wieder solchen Mist baust, werde ich dich finden, und dann werde ich nicht mehr so gnädig sein und dem Jammern eines kleinen Mädchens lauschen.“ sagte ich und ließ ihn los. Er starrte mich seltsam ausdruckslos an und ging davon, in menschlicher Geschwindigkeit. Auch ich machte, dass ich fortkam, allerdings in eine andere Richtung. Als wir außer Sichtweite waren, zog Mick Lielan den Pflock aus dem Herzen.
„Er hat es nicht so gemeint.“ sagte er. „Er wusste sich nur nicht anders zu helfen.“ er half ihr hoch.

Ich war schon lange außer Sichtweite der anderen, als um mich herum das Gebüsch raschelte. Ein wildes Tier, wollte ich mir selbst weiß machen, aber irgendwie gelang es mir nicht. Vielleicht war es der Typ, der jetzt auf mich lauerte und sich an mir rächen wollte?
„Komm raus, wenn du etwas von mir willst.“ knurrte ich. Dann stockte ich. Das roch nicht nach Vampir, sondern nach Mensch. Ein Grund weniger, sich Sorgen zu machen. Mit einem Menschen wurde ich leicht fertig. Ja, mit einem, nicht so leicht jedoch mit dem Dutzend, dass jetzt durchs Unterholz brach und mich umzingelte. Einen Moment war ich versucht zu schreien, aber das würde die anderen anlocken, und ich wollte nicht, dass sie auch in die Falle gingen. Denn eine Falle musste es wohl sein. Das war nicht mehr der Fackel tragende Mob des Mittelalters, diese Leute waren Professionelle. Ich erkannte Holzpflöcke, Silber und Flammenwerfer, aber mein Gehirn stand unter Strom. Ich merkte nur noch, wie ich auf einen von den Männern zusprang, da bohrte sich schon etwas spitzes durch meinen Körper und genau in mein Herz. Sekunden später wurde ich stocksteif und kippte weg.
„Das war ja gerade zu einfach.“ hörte ich einen von ihnen sagen, bevor man mir einen Sack über den Kopf zog und ich nichts mehr sah.
 
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