Meine Geschichten
  Die Befreihung
 
„Ich würde wahrscheinlich sowie sterben, bei dem Versuch, dich zu beschützen.“
„Ich kann gut selbst auf mich aufpassen.“
„Ja, kannst du das? So willst du also gegen ihn kämpfen? Willst du, dass es dann so endet?!“

Episode 1.13 „Kurzes Glück“


Es dauerte fast zwei Tage, bis die Los Angeleser Vampire bei Mick eintrafen und man einen Schlachtplan entwerfen konnte. Dank Logan hatten sie einen genauen Lageplan des Bunkers, in dem Josef sich mit den anderen befand, nur die Frage war, wie holte man ihn dort heraus?
Sophia hatte es sich nicht nehmen lassen, dabei zu sein, wenn sie den Bunker stürmten, aber Mick hatte es ihr strikt verboten. So war sie nur bei der Besprechung anwesend, blass und zitternd wie schon die ganze letzte Zeit, aber sie hörte zu und schien alles in sich aufzusaugen.
„Der Vorteil diesmal ist“, sagte Logan für alle deutlich vernehmbar mit einem fiesen Lächeln, „dass wir gegen Menschen kämpfen und nicht gegen Vampire. Sie werden keine Chance gegen uns haben und nicht wissen, wie ihnen geschieht. Bevor die wissen, dass wir drin sind in ihrem komischen Laboratorium, sind sie schon tot.“ Mick sagte nichts, er sah auf den Plan, den Ryder aus dem Internet kopiert hatte. Dafür hatte er sich in irgend eine Datei einhacken müssen, die tausendmal einen Angriff auf seine Firewall gestartet hatte, bis sie endlich hatten, was sie wollten. Es war der Lageplan des Bunkers, in dem sich die Vampire aufhielten.

„Was wird da gemacht, stand das irgendwo?“ fragte Mick an Ryder gewandt, der sich gerade etwas von dem Blutvorrat eingoss, den Guillermo mitgebracht hatte. Er schüttelte den Kopf. „Früher war es wohl mal wirklich ein Bunker, so im zweiten Weltkrieg. Aber seitdem hat sich da einiges getan. Ich denke mal, das man ihn ausgebaut hat. Deswegen werden uns die Pläne hier auch nicht viel bringen.“ sagte er und tippte darauf, bevor er einen Schluck aus seinem Glas trank.
„Denn ich denke nicht, das jemand im Grundbuch Unterlagen über ein Labor hinterlegt hat, in dem Vampire gefoltert werden.“ Mick nickte. Was sollte dort auch anderes gemacht werden? Er spürte, wie Sophia neben ihm schmerzhaft zusammenzuckte und er warf ihr einen Blick zu. „Oh nein, denk jetzt nichts falsches, bitte!“ sagte er beschwichtigend. „Nur... wenn er dort von allein nicht mehr herauskommt, dann halten sie ihn dort gefangen. Und um ihn ruhig zu stellen oder um Informationen aus ihm heraus zu bekommen, werden sie sicherlich nicht einen Drink nach dem nächsten mit ihm nehmen.“ erklärte er und legte ihr den Arm um die Schulter.

„Und wie... sieht der Plan jetzt genau aus?“ fragte sie zitternd nach. Alle vier Vampire sahen sie an.
„Wir werden noch mehr Hilfe brauchen. Logan hat schon Ray angerufen, er ist mit Josef so gut befreundet wie wir alle hier. Er müsste...“, da klingelte es an der Tür. „Das wird er wohl sein“ sagte er und ging aufmachen. Wirklich stand Ray in der Tür.
„So, da bin ich, wie bestellt. Ich hab noch ein bisschen Extramaterial mitgebracht.“ sagte er und trat ins Wohnzimmer, wo er die anderen, einschließlich Sophia begrüßte.
Aus seiner Tasche holte er einen Stapel Holzpflöcke sowie kleine Schweißbrenner, die er vor den anderen auf den Tisch stellte. Als sie ihn fragend ansahen, hob er die Hände.
„Ich weiß, wir haben es eigentlich mit Menschen zu tun, aber denkt mal nach. Ich denke nicht, dass Josef der einzige Vampir da unten sein wird. Was ist, wenn die uns angreifen, während wir versuchen, unseren Freund dort heraus zu holen?“ fragte er und die anderen nickten. Das war eine berechtigte Sichtweise. So hatten sie das noch gar nicht betrachtet und sie hätten sicherlich verloren, wäre es so weit gekommen.

Ray setzte sich zu den anderen aufs Sofa und Mick goss ihm einen Drink ein, den er ihm reichte.
„Also, wir stürmen diesen Bunker, holen Josef und die anderen raus, töten alle, die sich uns in den Weg stellen und verschwinden wieder?“ fragte er nach und wieder nickten die anderen. Sophia wurde noch weißer.
„Müsst ihr sie wirklich alle töten? Ich meine“, stotterte sie, als sich die Blicke der fünf ausgewachsenen Vampire auf sie richteten, „könnt ihr nicht versuchen, das friedlich...“ Logan schüttelte den Kopf. „Sie würden nicht aufhören, uns zu jagen, Sophia! Willst du das? Es sind schon genug Vampire gestorben. Menschen gibt es genug, aber die Vampire werden immer weniger. Bald werden wir ausgestorben sein, wenn wir nichts tun und den...“ er verwendete ein so grobes Wort, das Mick Sophia die Ohren zuhielt, „den Arsch aufreißen und sie umbringen.“ Jeder von ihnen steckte sich ein paar Holzpflöcke in die Taschen und nahm einen Gasbrenner mit, für alle Fälle, bevor sie den Rest des Blutes im Kühlschrank verstauten und Mick Sophia noch einmal ansah.
„Du bleibst hier und rührst dich nicht. Wenn ich dich anrufe, haben wir Josef gefunden und sind auf dem Weg zurück. Du wartest auf meinen Anruf und machst nichts ohne meine Erlaubnis, okay?“ sagte er und wartete, bis Sophia nickend Verständnis bekundet hatte, bevor er sich mit den anderen auf den Weg zum Bunker machte.

*

Irgendwann interessierte es mich nicht mehr, wie oft sie mich folterten. Es hatte seine Gefahr verloren, wohl auch für die anderen, denn ich hörte kaum noch einen von ihnen schreien. Nur wenn sie mal wieder einen neuen gefangen hatten und folterten, hörte man ihn brüllen und wir schrien mit, bis ein Aufseher herunter kam und jedem einzelnen einen Stromschlag verpasste, so er ihn denn erwischen konnte, denn da man uns alle nicht mehr anketten konnte, waren wir zumindest in unserer eigenen Zelle sicherer als auf den Pritschen unserer Folterknechte.
Mein Herz war inzwischen schon so oft von einem Pflock durchbohrt worden und wieder geheilt, dass ich auch das schon kaum mehr spürte. Ich wusste, wie John sich fühlte. Abgestumpft, taub und leer. Ich regte mich nur noch, wenn einer der Freshies an meine Zelle kam und ich trinken durfte, um bei Kräften zu bleiben. In den zwei Tagen, die ich hier war, hatte ich mehr Schmerzen und Terror überstehen müssen als in vierhundert Jahren.
Ich flehte jeden Tag, dass meine Freunde kommen würden, aber bisher war mein Flehen ungehört verhallt.
Wie sollten sie auch jemals herausfinden, wo ich war? Meine persönlichen Sachen hatte man mir abgenommen, mein Geld, meine Ausweise, Kreditkarten und mein Handy.
Ich hörte oben jemanden fluchen, dann klatschte etwas. Ein Zischen, und dann ein langgezogener Schmerzensschrei. Ich wusste noch, wie es mir ergangen war. War das wirklich erst gestern gewesen? Heute kam niemand, um mich zu foltern, wohl aber holten sie John. Er gab keinen Ton von sich, egal, was sie mit ihm anstellten. Genauer wollte ich es gar nicht wissen.

Ich lehnte meinen Kopf gegen die Steinwand. Mir war kalt. Ich zog das zerrissene Hemd vorn vor der Brust zusammen, aber es half nicht viel. Schmerzhaft stöhnte ich auf, als meine Hände über die frischen Striemen und Brandwunden tasteten. Aus manchen sickerte noch Blut. Man hatte mir irgendwas gegeben. Vielleicht war ein Medikament oder eine Droge im Blut des Freshies gewesen. Es hatte definitiv anders geschmeckt als noch gestern. Langsam sank mir der Kopf auf die Schulter. Ich wollte nur schlafen und vergessen. Aber ich wusste, dass das nicht funktionieren würde.

*

Die Tür des Bunkers aufzubrechen war fast zu einfach. Aber kaum war das geschehen, strömten Dutzende maskierte Männer aus allen Ecken und Ende der dunklen Katakomben, in denen sich die Vampire und sie befanden. Beim Anblick dessen, was sich ihnen gegenüber stellte und was hier herein gekommen war, zogen sie ihre Waffen, aber die Vampire waren schneller. Gleichzeitig schossen die fünf vor und warfen sich ihren Gegnern entgegen. Holzpflöcken und Silber ausweichend, schlug sie eine Bresche in die Reihen. Knochen brachen, Wirbel und Sehnen, Muskeln und Haut rissen, als Mick seinem Widersacher glatt den Kopf von den Schultern riss und ihm dann die Zähne in den Halsstumpf grub, um sich satt zu trinken. Die anderen gingen mit ebensolcher Brutalität vor und verwandelten den Bunker in ein Schlachtfeld. Binnen Minuten lagen ein Dutzend der Männer entweder kopflos oder mit ausgerissenen Gliedmaßen auf dem Boden und das Blut ließ die Luft aromatischer duften und die Steine rot und schlüpfrig werden.
Logan brach zwei Angreifern den Schädel, indem er sie mit dem Köpfen aneinander schlug und dann auch von einem von ihnen trank. Während oben noch das Gemetzel tobte, schlich Mick sich davon. Nicht vor Furcht vor dem Kampf, mehr, weil er die anderen Vampire finden und befreien wollte.

*

Oben klirrte etwas. Zischen und Fauchen und das widerliche Knacken brechender Knochen ließ uns alle aufhorchen. Das klang nicht wie die übliche Folter. Blutgeruch tränkte die Luft und wehte die Treppe herunter. Ich knurrte befriedigt. „Siehst du, was hab ich gesagt? Meine Freunde holen uns hier raus.“ sagte ich an John gewandt, aber die letzte Folter hatte ihn zu sehr geschwächt. Er lag in seiner Ecke und rührte sich nicht. „John?“ fragte ich leise und fasste durch die Gitterstäbe, aber ich konnte ihn nicht erreichen.
Ich wandte mich nur um, weil mir ein vertrauter Geruch in die Nase stieg.
„Mick?“ flüsterte ich ungläubig. Ich kam zu ihm ans Gitter und fasste nach ihm. Bevor er mich hier heraus holen konnte, griff ich durch die Gitter nach ihm und drückte ihn an mich wie den verlorenen Sohn.
„Ich wusste, dass du kommst. Ich wusste es! Ich habs den anderen immer wieder gesagt, dass du kommst!“ flüsterte ich erstickt. Er nickte gegen die Gitterstäbe und ließ mich dann los. Allein durch seinen Geruch fühlte ich mich belebter, lebendiger.
Er riss das Gitter aus der Verankerung und ließ mich raus.
„Lust, ein paar Jägern in den Arsch zu treten?“ fragte er und ich nickte abwesend. Ich hatte nur Augen für John, der immer noch dort hockte und sich nicht rührte. Hatte er denn nicht gesehen, gerochen oder gehört, dass Mick hier war und mich befreit hatte?
„John?“ fragte ich wieder leise und erhielt wieder keine Antwort. Eiskalter Schmerz fraß sich in meine Eingeweide. Ich ahnte es, aber ich wollte Gewissheit. „Mick, hol ihn raus, bitte!“ flüsterte ich und sank vor dem Gitter zu Boden. Er öffnete die Tür und trat zu dem Vampir herüber, stupste ihn an und sah ihm ins Gesicht, atmete seinen Geruch ein. Es roch wie in einer Grabkammer und ich wusste instinktiv, warum. Mick zog die Hand zurück, da zerfiel die Gestalt meines Foltergenossen zu Staub, der davon geweht wurde.
„Er hat nicht stand gehalten, es tut mir leid.“ sagte Mick und stand auf. Er kam zu mir nach draußen, wo ich wie in Trance saß.
„Er hat mir immer gesagt, ich dürfte ihnen nichts sagen. Sie wollten wissen, wo andere Vampire sind und sie fangen und töten. Ich hab mich daran gehalten, weil er es mir immer und immer wieder eingebläut hat....“ sagte ich erstickt und stand auf. Ausgerechnet John, der mir immer gepredigt hatte, stark zu sein und keinem zu erzählen, wo andere Vampire waren und wie man sie fing, hatte es nicht geschafft.

Am Ende war er einer von dreizehn Aschehäufchen. Die meisten Überlebenden flehten uns um Gnade an, sie verbrennen zu lassen. Ich wollte und konnte das nicht mit ansehen und tobten mich stattdessen an den verbliebenen fünf Jägern aus, die noch im Bunker waren. Ihre Tode waren langsam, qualvoll und blutig. Ich rächte mich mit jedem abgerissenen Finger, mit jedem vergossenen Tropfen Blut für die Folter an mir und John und all den anderen Vampiren, die heute gestorben waren. Die Schmerzensschreie meiner Peiniger hallten von den dunklen Wänden wider, bevor ich mich erhob. Von meinen Händen tropfte ihr Blut, aber ich hütete mich, davon zu trinken. Von ihnen wollte ich keinen Tropfen in mir haben.
Am Ende verließen sechs Vampire den Bunker. Sechs von über zwanzig. Und irgendwie wusste ich, dass das noch nicht das Ende war.
 
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