Meine Geschichten
  Und es nimmt kein Ende...
 
Anársúle saß unbeweglich auf dem großen Felsplateau und starrte in die aufgehende Sonne. Die ersten Strahlen schoben sich über das land und warfen ihren Glanz auch auf ihn. Seine orangen und goldenen Schuppen glitzerten und er breitete die Flügel aus. Die gelbe Membran dazwischen war durchscheinend und das Licht fiel hindurch wie durch einen dünnen Vorhang. Schon konnte er spüren, wie sich sein Körper erwärmte und sein herz schneller zu schlagen begann. Anders als die anderen Drachen brauchte seine Gattung erst die richtige Körpertemperatur, um in die Luft steigen zu können. Er schloss die Augen und badete in der Wärme der aufgehenden Sonne.
Probeweise schlug er ein paar Mal mit den Flügeln, doch sie waren noch steif von der Kälte der Nacht und so wartete er weiter.
Er saß noch eine weitere Stunde so da, bis sein Körper genug aufgewärmt war. Gerade wollte er abheben, als sich Menelúne dazugesellte, die einzige Drachin in ihrem Quintett. Außer ihr und ihm waren da noch Náre, Lanthír und Halathirno. Er wandte sich zu ihr um. Sie wirkte völlig außer Atem und sah sich immer wieder gehetzt um, als würde sie verfolgt.
„Was ist denn los?“ fragte er bestürzt.
„Anár, du musst sofort mitkommen! Wir werden angegriffen!“ Sie wandte sich um und stürzte fast den steilen Felspfad hinunter, auf dem sie gekommen war. Anársúle folgte ihr hastig.
„Wenn wir angegriffen werden, warum bist du dann hier? Wie konntest du fliehen?“
Sie drehte sich um und wäre fast wieder gestolpert.
„Ich… hör zu, sie haben Thorondor und Narví umgebracht, und sie…“ sie blieb stehen und schauderte. „ Sie…“ Sie konnte nicht weitersprechen. „Wer, Menelúne? Wer macht…so was?“
Selbst im Laufen schien sie zu zittern. Ihre Augen waren vor Panik weit aufgerissen und sie lief noch schneller.
„ Es sind Elben…irgendwie.“
„Wie meinst du das, ‚irgendwie’?“ fragte er verwirrt. Schließlich war er es satt, zu rennen und schwang sich in die Lüfte.
„Sie…sehen aus wie Elben, aber sie sind ganz schwarz angezogen und ihre Pferde sind schwarz, ihre Augen glühen rot und ihre Zähne… ich habe noch nie so spitze Zähne bei einem Pferd gesehen…“ Wieder schauderte sie und sah zu ihm hoch. „Komm runter, oder willst du, das sie dich aus der Luft holen?“ zischte sie und er lachte leise. „Wie sollen sie das machen? Mit ihren lächerlichen Hölzchen, die sie Pfeile nennen?“
Sie schnaubte enttäuscht und machte einen Satz in die Luft. Wenig später flog sie Seite an Seite mit ihm und sah ihn schräg an. „Was meinst du, wie sie Thorondor und Narví töten konnten? Mit Magie natürlich, du Hohlschädel. Und dasselbe könnte uns passieren.“
Aber als sie landeten, war niemand mehr da außer ihren Gefährten.
Die drei anderen hatten die Köpfe gesenkt und starrten auf die geschändeten Körper vor ihnen. Anársúle hätte am liebsten die Flucht ergriffen angesichts der blutigen Knochen und erloschenen Augen. Er zitterte. Die anderen sahen zu auf.
„Was sollen wir jetzt machen?“ fragte Náre.
Er wandte ihm den Kopf zu. „Ich würde noch lieber wissen, wo sind die hin, die das hier getan haben?“
Náre schloss angewidert die Augen und brummte leise.
„Wir haben versucht, sie aufzuhalten, aber du siehst ja, was passiert ist. Zuerst hatten sie nur Narví, aber als Thorondor sie dann angegriffen hat, haben sie wohl nichts gegen… einen Nachtisch gehabt.“ Er schüttelte sich und senkte wieder den Kopf.
„Wie viele waren es?“ fragte Anársúle leise.
„Ich…bin nicht ganz sicher. Sechs, vielleicht sieben. Es ging alles so schnell. Und als es wieder ruhiger wurde…waren sie plötzlich nicht mehr da. Nur noch dieser Geruch der Angst lag in der Luft. Wir glauben ja, dass sie uns angegriffen haben, während wir noch nicht aufgewärmt waren und deswegen nicht schnell genug fliehen oder kämpfen konnten. Sie kamen mit dem ersten Licht des Tages von Osten, die Sonne im Rücken und brachten den Tod. “Er zitterte und hielt die Augen geschlossen. Anársúle wusste, dass er weinte. „Wir müssen unsere Freunde wenigstens anständig begraben und ihnen die letzte Ehre erweisen.“ Sagte er leise. Er öffnete sein Maul und spie seine Flammen erst auf Narví, dann auf Thorondor und sah zu, wie ihre Seelen gen Himmel fuhren. Dann senkte auch er den Kopf und ließ seinen Tränen freien lauf.
             
                        ********

Maedrhos spannte den Bogen – und schoss. Mitten ins Schwarze. Hinter sich hörte er Jubelrufe und jemand klatschte. Wenn auch nicht sehr begeistert. Er nahm die Augenbinde ab und sah sich sein Werk an. Hatte er doch Recht gehabt – mitten ins Schwarze! Er drehte sich um, ging an seinen Konkurrenten vorbei und setzte sich neben Irwaen.
„Du warst gut!“ flüsterte sie leise und kicherte. „Aber ich wette, Celahir sticht dich haushoch aus!“
Maedrhos schnaubte entrüstet. „Das glaube ich kaum.“ Er strich sich eine Strähne seines blonden Haares hinter die spitzen Ohren und sah sie aus grünen Augen – Augen wie das Licht im Frühlingslaub – dachte sie schwärmerisch, bevor sie sich zusammen riss, an.
Sie sah zu dem nächsten Elben herüber, der sich in einiger Entfernung zu den Zielscheiben aufstellte und einen Pfeil auf die Sehne legte. Er spannte den Bogen und schoss. Der Pfeil flog so schnell, das er mit normalem Auge nicht mehr zu erkennen war, selbst für sie nicht. Doch kurz darauf steckte er zitternd in der dicken Baumscheibe, mitten in der schwarzen Markierung.
Celahir schoss noch dreimal. Und er traf immer. Bis…ja bis auf den letzten Schuss. Sie konnte sehen, wie der Pfeil Millimeter neben der Markierung im Holz steckte.
Sie konnte Maedrhos neben sich aufatmen hören.
„Freust du dich etwa darüber?“ zischte sie ihm zu und sah ihn verärgert an. Er sah ungerührt zurück. „In gewisser Weise. Das heißt nämlich, dass ich den diesjährigen Bogenschießwettbewerb gewonnen habe. Zum ersten Mal habe ich ihn besiegt, verstehst du. Darf ich mich da nicht freuen?“ fragte er.
Sie fuhr fort, ihn verärgert anzustarren, bis sich die Königin Nelinómë aus ihrer Laube am Kopf des Platzes erhob. Augenblicklich verstummte all das ausgelassene Lachen und Feiern, und es wurde still. Nur die Vögel zwitscherten leise und alle Augen richteten sich auf sie.
Sie hob die Arme, wie um Ruhe zu erbitten, doch es war schon still. Als sie endlich ihre Stimme erhob, klang es so melodisch wie der Regen auf den Blättern im Wald.
„Nun, meine Freunde, werde ich darüber entscheiden, wer von euch den Bogenschießwettbewerb gewonnen hat.
Celahir, du hast dich außerordentlich gut geschlagen, so wie jedes Jahr. Und doch muss ich den Sieg jemand anderem zuerkennen, der noch ein kleines bisschen besser war als du. Maedrhos, komme bitte zu mir und nimm deinen Preis entgegen.“
Er war auf halbem Weg zu ihr, als hinter ihm jemand aufschrie und er fuhr herum.
Er konnte gerade noch sehen, wie ein Elb in der Menge stumm nach hinten kippte, einen Pfeil in der Kehle.
Er kannte diese Pfeile. Es waren dieselben, die er und all die anderen Elben auch benutzten. Aus dem Dickicht des Waldes um ihn herum kamen immer mehr Pfeile geflogen und er hatte nur noch einen Gedanken: Die Königin beschützen.
Todesmutig wollte er sich vor sie werfen, sie vor den Pfeilen beschützen, sie notfalls selber spüren, als dass sie das musste. Doch schon stand Celahir an seiner Seite, mit gespanntem Bogen und verkniffenem Gesichtsausdruck. Maedrhos wollte soeben einen Pfeil auf die Sehne legen und schießen, als ihre Feinde durch das Unterholz brachen und er zum ersten Mal wirklich sehen konnte, was dort auf sie wartete.
Das waren Elben wie er auch! Celahir hatte schon einen Pfeil abgeschossen, doch Maedrhos konnte sich einfach nicht rühren. Wie konnte man auf Leute aus den eigenen Reihen schießen?

„Schieß doch!“ wurde er von der Seite angezischt, doch er konnte sich nicht rühren.
„Wie kannst du auf deine eigenen Leute schießen, Celahir?“ fragte er entsetzt und starrte ihn an. Ein entnervtes Seufzen neben sich, ein weiterer Pfeil schoss von der Sehne und bohrte sich genau zwischen die Augen eines Elben, der gerade im Begriff gewesen war, Irwaen zu töten. Sie fuhr herum und lächelte ihnen zu, bevor sie wieder im Getümmel verschwand.
„Das sind keine gewöhnlichen Elben, siehst du das nicht? Sie sehen ganz anders aus als wir.“ Wieder flog ein Pfeil davon. Jetzt sah er sich die Gestalten genauer an. Sie waren wirklich anders. Sie waren ganz schwarz gekleidet und hatten langes schwarzes Haar, das ihnen wie ein Vorhang vor das Gesicht fiel.
Dunkelalben! schoss es ihm durch den Kopf.
Aus dem Schatten der Bäume trat ein weiterer schwarzer Geselle hervor, diesmal auf einem Pferd. Auch dieses war ganz schwarz, trug eine goldbeschlagene Stahlplatte, die sein ganzes Gesicht verdeckte, und funkelte sie aus rot glühenden Augen an. Ein Nachtmahr! Er hatte bis jetzt immer geglaubt, das seien nur Märchen gewesen, um den Kindern Angst zu machen. Aber hier sah er sie in Fleisch und Blut vor sich. Er legte einen Pfeil auf die Sehne und schoss Der Pfeil bohrte sich in die Seite des Nachtmahrs, der gequält aufschrie, bevor er unter seinem Reiter wegbrach. Doch auch der war schon tot. Celahirs Pfeil hatte ihn mitten ins Herz getroffen.
„Ich dachte, das Wettschießen wäre vorbei? Oder hast du Lust auf eine Revanche?“ fragte er grinsend und konnte sehen, dass sich auch Celahir das Grinsen nicht ganz verkneifen konnte. „Wenn du unbedingt willst…“ sagte er und legte bereits einen neuen Pfeil auf die Sehne.
 
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