Meine Geschichten
  Der Ring
 
In rascher Folge tanzte der Hammer über das glühende Eisen und ließ es Funken sprühen. Vorsichtig schob Teccór es wieder zurück in sein bett aus glühenden Kohlen und wartete, während er den Blasebalg betätigte und zusah, wie die Funken in Richtung Tunneldecke schwebte wie kleine, rotgoldene Sterne. Er zog das Metallstück heraus und bearbeitete es erneut mit dem Hammer, als sich ihm von hinten zwei Gestalten näherten und ihm über die Schulter schauten. „Ah, was wird das, hm? Ein Geschenk für deine Angebetete? Oh, nein, ich sehe schon, ein Kriegsgerät schmiedest du da!“ sagte einer von ihnen. Teccór sah sich nicht nach dem Mann um, der gesprochen hatte, sondern fasste das Metallstück mit einer Zange und warf es in einen Eimer mit Wasser, der neben der esse stand. Dann erst blickte er dem Zwerg, der jetzt um die Esse herumgegangen war, ins Gesicht.
„Casâr, du wirst es nie verstehen. Ebenso wenig wie dein Bruder.“ Seufzte er.
Der Zwerg vor ihm grinste. Er hatte schulterlanges braunes Haar und einen ebensolchen Bart, beides trug er geflochten. Sein Bruder glich ihm, auch wenn er grüne Augen hatte, Casâr jedoch blaue.
„Der auch dein Bruder ist. Wenn auch zwei Jahre jünger.“ Sagte er. Teccór war so verschieden von den Zwillingen wie der Tag von der Nacht. Sein Haar und Bart war schwarz, doch auch er hatte grüne Augen. „ Daran musst du mich nicht erinnern. Und jetzt lasst mich hier arbeiten, sonst werde ich nie fertig. Dabei dachte ich, dass du dich sehr über eine neue Axt freuen würdest, Cothór.“ Er grinste den anderen Zwilling über das Feuer hinweg an. Der schnaubte nur und zog Casâr mit sich. „ Komm, Bruderherz, ich glaube, hier sind wir nicht erwünscht. Der Meister braucht seine Ruhe „ sagte er und trottete mit seinem Bruder davon. Teccór schüttelte nur den Kopf. Das man hier nicht einmal in Ruhe arbeiten konnte!
Wieder ließ er seinen Hammer auf dem Eisen hin und her springen und legte es dann wieder auf den Amboss.
Er zog einen kleinen Goldbarren aus seiner Hosentasche und betrachtete ihn eingehend. Natürlich war das Gold nicht für die Kriegsaxt seines Bruders gedacht. Dafür würde er das edle Metall nicht verschwenden, wenn es am Ende doch nur mit dem Blut abscheulicher Kreaturen besudelt würde. Nein, damit hatte er etwas ganz anderes vor. Casâr hatte unbeabsichtigt (oder nicht?) ins Schwarze getroffen, als er von dem Geschenk für seine Angebetete sprach. Diesen Ring, der aus dem Goldbarren werden würde, den würde er einer ganz bestimmten Zwergin schenken. Wie sein Herz. Er gab den Metallklumpen in eine flache Pfanne und legte sie auf die glühenden Kohlen. Verzückt sah er zu wie das Metall langsam schmolz und zu einem rotgelben See in der Mitte der Pfanne wurde. Von einem der Arbeitstische an der Wand schnappte er sich eine Gussform und goss das flüssige Metall langsam und vorsichtig hinein. Kein Tropfen durfte verloren gehen! Endlich war es geschafft. Der letzte Rest rann in die Form und jetzt musste Teccór nur noch warten, das alles fest wurde und er den Ring nach seinem Belieben schmieden und verzieren konnte.

In der Zwischenzeit nahm er den Axtkopf vom Amboss und schob ihn erneut in die Heißen Kohlen. Er erwärmte den Stahl nur, gerade so weit, dass er die Intarsien einarbeiten konnte und zog sie dann wieder heraus. Probeweise schob er einen Holzschaft durch das Auge der Axt und verkeilte es. Es hielt! Er hatte gerade den Meißel angesetzt, als ein einzelner Zwerg in die Höhle gestürmt kam. Er blieb atemlos stehen und musste sich mit den Händen an den Knien abstützen, um nicht zu fallen. „ Sie… kommen!“ keuchte er und wäre fast gestürzt.
Teccór sah ihn verständnislos an. „ Wer kommt?“ Ein scharfes Surren, und der Zwerg kippte mit einem Schrei vornüber. Ein schwarz gefiederter Pfeil steckte in seinem Rücken. Ein Elb tauchte hinter ihm auf und riss ihm grob den Pfeil aus der Wunde.
„Wir kommen, wer sonst?“ sagte er mit einer seltsam zischenden Stimme. „Los, du bist der nächste!“ Teccór dachte nicht lange nah. Er nahm die noch glühende Axt auf und rannte brüllend auf den Elb los. Dass er dabei die Gussform mit dem noch unfertigen Ring umstieß, merkte er nicht. „Verfluchtes Spitzohr!“ funkensprühend ließ er die Axt gegen den Elb fahren, doch der wich mit einer kleinen Drehung zur Seite aus. Funkenstiebend fuhr die Axt in den Boden.
Teccór hob sie erneut und drehte sich einmal um die eigene Achse, bevor er wieder zuschlug. Irgendetwas hielt seinen Schlag auf und er sah sich verwundert um. Dünne Ketten hatten sich um den Schaft der Axt geschlungen. So dünn…sie müssten doch leicht zu zerreißen sein? Er riss daran, doch die Ketten hielten stand und der Elb lachte nur. Sein langes schwarzes Haar fiel ihm wie ein Vorhang über die Augen und verdeckte für einen Moment das verschlagene Grinsen. Langsam wurde er zu dem Elb herüber gezogen und stand jetzt ganz dich vor ihm. Er ließ die Axt jedoch nicht los und kämpfte verbissen. Ohne den genauen Grund zu kennen, sah er dem Elb in die Augen. Ihr leuchtendes grün schien ihn aufzusauen, in sein Herz zu sehen und machte jeden Widerstand zu Nichte. Er spürte nicht einmal, wie er hinten überkippte. Hinter dem ersten Elb trat ein zweiter in die Höhle, der genau gleich aussah.
„ Hast du ihn umgebracht?“ fragte er.
„Nein! Er ist nur betäubt. Vielleicht brauchen wir ihn noch und sollten ihn mitnehmen?“ Der andere dachte kurz darüber nach und nickte dann.
„Nimm ihn mit.“ Der Elb hob den bewusstlosen Teccór auf und ging aus der Höhle. Sein Begleiter ließ noch ein letztes Mal einen Blick durch die Höhle schweifen und bemerkte den Goldring am Boden. Er hob ihn auf und ließ ihn grinsend in seiner Hand verschwinden. Dann verließ er die Höhle und folgte seinem Freund.

                        *********

Er erwachte mit schmerzendem Kopf und vollkommen ohne jede Orientierung. Über ihm war nur der sternenbedeckte, nachtschwarze Himmel. Seine Hände und Füße waren gefesselt und alles tat ihm weh. Schritte näherten sich und er versuchte, sich aufzurichten, als ihm eine Schwertklinge an den Hals gehalten wurde und sich einer der Elben über ihn beugte. Er starrte ihn mit seinen unergründlichen grünen Augen an und Teccór fürchtete fast, wieder ohnmächtig zu werden, doch das geschah nicht.
„Verfluchtes Spitzohr!“ zischte er. Das Schwert ritze leicht seinen Hals und der Elb zischte ihn an. „Du nennst mich einen Elben, Untergründiger? Mit denen haben wir unser Aussehen gemein, sonst nichts! Das ist unser Fluch und unsere Gabe.“ Knurrte er. „Wir sind Nachtalben. Sagt dir das etwas, Nauco?“ Teccór starrte ihn hasserfüllt an.
„Ich wollte nur das hier von dir“, sagte der Nachtalb, „das hast du wohl verloren.“ Und er hielt den Ring hoch, den Ring, den Teccór noch in der Schmiede gefertigt hatte. Der Alb drehte das goldene Schmuckstück zwischen den Fingern und ließ es dann in seiner Kleidung verschwinden. „Jetzt, wo ich das habe, wirst du sterben, Nauco. Dein Tod heißt Dagnir. Ich nehme dir das leben, aber das Land nimmt dir deine Seele.“ Plötzlich war das Schwert nicht mehr an seiner kehle, sondern schwebte über seiner Brust, wie eine Schlange, bereit zum Zustoßen…

*

„Bist du verrückt?“ zischte eine Stimme im Dunkel. Teccór ließ den Blick nicht von dem Schwert über seiner Brust. Der Alb wandte ruckartig den Kopf ab und ließ das Schwert sinken. Eine Gestalt trat aus den Schatten und stellte sich neben den Zwerg.
„Rácahón, ich…“
„Schweig! Und jetzt schnapp dir den Kurzen und dann komm. Man hat uns gefunden, wir müssen weiter!“ zischte der mit Rácahón angeredete.
Teccór wurde grob hoch gezerrt und auf die Füße gestellt. Er fühlte sich komplett erschlagen und bewegen konnte er sich durch die Fesseln auch nicht. Er wurde ein Stück mitgeschleift und dann plötzlich fallen gelassen. Er Landete mit dem Gesicht voran im Gras und hörte einen unterdrückten Schrei zu seiner rechten. Er wagte nicht aufzusehen.
„ So, jetzt bekommst du die Rechnung!“ rief eine Stimme dröhnend und wieder hörte man einen Schrei, der jäh abriss. „“Schade. Der Hat sich nicht mal richtig gewehrt. Aber was erwartet man bei einem Spitzohr.“ Brummte eine Stimme neben ihm.
„Und jetzt machen wir dich erst einmal los, ja?“ Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, und er war frei. Er rappelte sich hoch und sah sich um.
„ Cothór, du?“ fragte er überrascht. Der andere Zwerg lachte nur. Natürlich sind wir hier. Wir sind dir gleich gefolgt, nachdem wir gesehen haben, wie sie dich wegschleppten. Aber wir dachten, es ist besser zu warten, bis es dunkel ist.“
Auch Casâr war inzwischen zu ihnen gekommen. Seine Miene wirkte alles andere als glücklich.
„ Der andere…er ist weg.“
Teccór war schockiert. Nicht gerade so deswegen, weil sie den Feind nicht hatten auslöschen können, aber…
„ Der Ring!“ murmelte er bestürzt. Er ging in die Hocke und fing an, die Taschen des toten Albs zu seinen Füßen zu durchsuchen.
Cothór beobachtete ihn stirnrunzelnd. „Was bei den feurigen Abgründen machst du da?!“ wollte er wissen.
Sein Bruder richtete sich wieder auf und sah ihn an.
„ Der Ring, den ich geschmiedet habe, sie haben ihn mitgenommen… jetzt ist er weg. Der andere Alb muss ihn haben. Es… ist nichts besonderes, nur ein Schmuckstück, aber ich will gar nicht daran denken, was sie mit ihrer Magie daraus machen könnten…“ er schauderte
Seine Brüder tauschten einen langen Blick.
„Was genau soll man denn mit einem Ring machen? Vielleicht fand ihn das Spitzohr einfach schön und hat ihn mit heimgenommen für seine Freundin?“ sagte Casâr nachdenklich. „Komm, lasst uns aufbrechen. Ich will nicht länger als nötig…“
„Aber Casâr, wir müssen dem Alben nach, den Ring zurückholen! Wenn er schon nichts Wichtiges damit vorhat, will ich ihn doch wieder haben. Ich wollte ihn eigentlich jemandem schenken, und sehe nicht ein, das ihn jetzt so ein Spitzohr am Finger herumträgt!“
Die Zwillinge grinsten sich an, dann zuckte Cothór die breiten Schultern. „Also gut, wenn’s dir so wichtig ist…“
Gemeinsam machten sie sich auf den Weg, die Fährte zu verfolgen.
 
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