Meine Geschichten
  Der Dunkle Bruder
 
Vorsichtig trat Rácahón in die dunkle Höhle, einzig erhellt durch das Feuer, das in ihrer Mitte brannte. Man hörte ein tiefes Grollen, wie von einem fernen Gewitter mit einem sanften, tiefen Rhythmus.
Langsam, bedacht kein Geräusch zu machen, trat er näher. Nun konnte er den großen schwarzen Drachen erkennen, der sich um das Feuer geringelt hatte, und dessen tiefe Atemzüge ihm wie das Donnern eines Gewitters vorgekommen waren.
Ein Steinchen löste sich unter seinem Tritt und rollte klackernd davon. Der Drache öffnete ein Auge, welches Rácahón nun mit einem orangen Glimmen anstarrte.
„Was willst du? Warum störst du meinen Schlaf?“ knurrte der Schwarze.
Der Alb verbeugte sich bis fast ganz auf den Boden. „Ich habe hier etwas, was Euch interessieren wird, Eure Hoheit.“
Er zog den Ring aus der Tasche und reichte ihn dem Drachen.
Der besah sich das Stück und lachte dann. „Ist das ein Scherz, den sich mein feiner Bruder ausgedacht hat, dieses Weichei? Was soll ich mit solchem Tand? Kannst du mir das erklären? Mir würde er nicht passen. Und eine Freundin, der ich das Ding schenken könnte, habe ich auch nicht. Was also soll ich damit?“
Rácahón verneigte sich wieder, dann sah er zitternd zu dem großen schwarzen Drachen hoch.
„Er ist von Magie durchdrungen, Eure Erhabenheit. Zwergenmagie, gewiss, aber…“ Der Drache spie angewidert aus. „Zwerge, sagst du? Pah! Obwohl sie gebraten nicht schlecht schmecken, wenn man sie rupft…“ Er leckte sich über die Leftzen und schnaubte. „Was soll ich mit Zwergenmagie? Mich in einen von ihnen verwandeln?“
Der Alb sah zu Boden. Als er wieder aufsah, grinste er verschlagen und hoffte, dass sein Herr gute Laune hatte. „Nein, gewiss nicht Herr. Aber Ihr könntet die Magie doch verändern. Sie zu dunkler Magie machen und für euch nutzen. Um Eure Feinde anzugreifen. Dann wärt Ihr unverwundbar und unsterblich und…“
Der Drache hob eine Klaue. „Schweig und erspar mir dein Geschwafel. Ich weiß schon, was du sagen willst. Und auch wenn du sonst nicht zu den Klügsten zählst, diese Idee hätte ich von dir nie erwartet. Sie ist brilliant. Genial. Könnte von mir sein.“ Nun war es an ihm, verschlagen zu grinsen. Er richtete sich zu seiner vollen Größe auf und spannte die Flügel, die so groß waren, dass sie die Höhlenwände streiften. Das helle Licht des Feuers fiel durch die hindurch. War er am ganzen Körper schwarz wie die naht, waren seine Flügelhäute, seine Bauchschuppen und das Segel, das seinen Hals herunter verlief, doch von einem blutigen Rot. Auf seiner linken Schulter prangte eine Tätowierung. Ein Mond, eine Sonne, umschlossen von zwei Dreiecken und zwei Kreisen in leuchtendem Gold.
Der Name dieses Drachen war Mordorháma, was Schattenflügel bedeutet.
„Es wird Zeit, meinem Bruder einen kleinen Besuch abzustatten. Aber erst, nachdem ich herausgefunden habe, was sich aus diesem kleinen Schmuckstück machen lässt.“

*

Celahir ging geduckt über dem Boden dahin, die Augen immer auf den Weg vor sich gerichtet. Er blieb vor einem niedrigen Busch stehen. Kein einziger Ast, kein Blatt war geknickt oder abgerissen Die Natur war unberührt, nicht einmal der Boden wies erkennbare Spuren auf. Der Elb fluchte leise. Maedrhos kam hinter ihm den Weg herauf, er keuchte vor Anstrengung und hielt sich die Seite.
„Was…was soll das? Wonach suchst du? Wieso suchst du etwas, was keine Spuren hinterlässt?“ schnaufte er. Celahir drehte sich um.
„Wenn du mit deinem Strom von Fragen aufhörst, bin ich vielleicht in der Lage, eine Spur zu erkennen. Aber leider hast du Recht. Diese…Wesen hinterlassen keine Spuren.“ Meinte er ärgerlich. „Wir müssen die anderen Schlüssel so schnell wie möglich finden. Wenn wir ohne sie zurückkehren, können wir mächtig Ärger bekommen. Unser Volk braucht diese Schlüssel. Zwei haben wir bis jetzt. Den der Königin und den des Fürsten Cirion. Aber wir suchen schon fast vier verfluchte Loa nach diesen Schlüsseln und uns sind nur zwanzig Enderi Zeit gegeben worden. Wir müssen wohl oder übel umkehren.“
sagte er enttäuscht. „Aber wir kommen doch nicht mit ganz leeren Händen. Einen Schlüssel haben wir doch!“ sagte Maedrhos beruhigend.
„Nein, wir kommen nicht mit ganz leeren Händen. Aber wir hätten uns mehr Mühe geben können. Wenn wir jetzt umkehren, was wir wohl oder übel müssen, dann… in der Zwischenzeit könnten die anderen Hüter längst tot und die Schlüssel entwendet sein. Wenn wir aber nicht umkehren, und einen Befehl missachten… was glaubst du, ist dir lieber: Dass wir alle dem Böen unterworfen werden, oder dass wir beide von der Königin wegen Missachtung eines Befehls eingesperrt werden?“ Maedrhos wand sich unbehaglich. „Natürlich ist keines von beidem angenehm, aber ich würde das Eingesperrtsein…. Aber wenn wir doch eingesperrt sind, wer beschafft dann die Schlüssel?“ fragte er verdutzt und  Celahir grinste. „Du erkennst also den Haken an unserem Plan. Wir gehen zurück. Die Königin kann nicht von uns verlangen, alle Schlüssel innerhalb dieser kurzen Zeit zu beschaffen. Das ist einfach unmöglich.“ Er ging zu den Pferden zurück und warf Maedrhos die Zügel seines Fuchses zu.

*

Ein paar Stunden später standen die beiden wieder im Thronsaal, unter den kühlen Blicken der Königin. Ihre dunklen Augen fixierten die beiden ohne ein Wort. Es kam Celahir wie eine Ewigkeit vor, bis sie endlich sprach.
„Ihr habt mich schwer enttäuscht.“ Ihre Hände spielten mit einem Ring. Darauf hatte sie auch ihren Blick gerichtet und es schien, als spräche sie mehr mit dem Schmuckstück als mit den beiden Elben vor ihr.
„Ihr hattet die Aufgabe, mir die Schlüssel innerhalb von zwanzig Tagen zu bringen. Das habt ihr nicht geschafft. Zwei Schlüssel. Einer davon war euch schon gegeben, was die Sache nicht weniger schlimm macht. Ihr habt versagt.“ Sie hob den Blick und sah sie an. Maedrhos wurde rot und sah zu Boden, Celahir aber blickte der Königin direkt in die Augen. „Herrin, es war uns nicht möglich, alle Schlüssel in so kurzer zeit zu finden. Niemand kann…“ Nelinómë hob die Hand und er schwieg. „Bist du sicher, Celahir, und auch du, Maedrhos, dass niemand das vermag? Ich nicht. Es ist möglich. Es ist aber nur denen möglich, die Magie beherrschen. Starke Magie. Es war… ein Test. Und ihr habt ihn nicht bestanden. Sucht in euch nach dieser Magie und kommt wieder, wenn ihr sie gefunden habt.“ Wieder sah sie auf den Ring in ihren Händen, der mit einem Mal hellorange glühte. Celahir und Maedrhos tauschten einen langen Blick.
Dann räusperte sich Celahir und die Königin hob den Kopf. „Es war… ein Test? Warum? Was sollte das beweisen? Was für gute Pfadfinder wir sind?“ fragte er wütend. Maedrhos hielt die Luft an. Aber die Königin sah keineswegs wütend aus ob dieses Ausbruchs. „Ja, Celahir. Genau das. Aber da du dich anscheinend nicht zum Fährtensucher eignest, muss ich wohl nachhelfen. Ihr könnt jetzt gehen. Ihr erhaltet morgen Nachricht von mir.“
Schweigend und rauchend vor Zorn stapfte Celahir aus dem Raum, die Tür fiel laut hinter ihm zu. Maedrhos verneigte sich vor Nelinómë. „Verzeih, Königin. Er weiß nicht, was er sagt. Es ist sein Temperament, das mit ihm durchgeht. Morgen wird er schon anders darüber denken und Euch um Verzeihung bitten.“ Dann verbeugte er sich knapp und folgte seinem Freund.



*

„Sehr gut, Aníro, weiter so! Rief Anársúle begeistert Doch nach zwei Sekunden erstarb die Flamme aus meinem Rachen und ich atmete tief durch. „ Ich kann nicht mehr! Können wir nicht eine kurze Pause machen, bitte?“ fragte ich heiser uns hustete. Ich hatte in meinem ganzen leben noch nicht so viel Feuer speien müssen wie an diesem Tag. Ich konnte nicht mehr.
Anársúle sah mich aufmerksam an. „Du musst lernen, länger als ein paar Sekunden durchzuhalten. In deinem Alter sollte man schon mehrere Minuten lang ohne Unterbrechung durchhalten können!“ sagte er. Ich drehte die Augen gen Himmel.
Er schwenkte belustigt eine Klaue vor meinem Gesicht. „Ah-ah-ah. Das brauchst du bei mir gar nicht versuchen. Du weißt genau, dass das nicht zieht. Ich versuche dir seit fünf Jahren die elementarsten Dinge des Kampfes beizubringen und du… ich dachte, du wolltest das lernen? Wer hat mir vorgejammert, seine Eltern rächen zu wollen? Wer hat mich angebettelt, ihm zu helfen?“ fragte er und spannte die Flügel aus, um sie in die Sonne zu halten. Ich knurrte leise. Meine Eltern waren immer noch ein heikles Thema für mich, auch nach fünf Jahren. Ich hatte nicht das geringste Verlangen danach, so schnell aufzugeben. Ich wollte auch nicht schwach erscheinen. Jeder wusste, dass ich das nicht war. Doch selbst nach fünf Jahren Training blieben mir noch einige grundlegende Techniken verschlossen. Das Feuerspeien klappte schon ganz gut, wenn ich es nicht über einen Zeitraum von mehr als einer halben Minuten ausüben musste. Aber genau das sollte ich lernen. Mein Feuer mit Magie zu verändern, dazu sollte ich noch lange nicht kommen. Ich war noch nicht weit genug.
„Also schön, Aníro. Wenn du es bis zur Mittagsjagd schaffst, mehr als eine Minute Feuer zu speien, darfst du den größten Anteil der Beute haben. Wenn nicht, gehst du leer aus. Einverstanden?“ Ich war fast wieder so weit, die Augen zu verdrehen. „Das ist gemeine Bestechung!“ grummelte ich heiser. „Ich kann nicht mehr.“ Anársúle lachte. „Ich glaube nicht, dass da das Problem liegt. Ich denke eher, du bist zu faul. Sonst strengst du dich auch immer an. Und jetzt?“ Er faltete die Flügel hinter dem Rücken zusammen und ging an mir vorbei. „Üb noch ein bisschen, du weißt ja, sonst gibt’s nichts zu essen!“ Lachend ging er davon und lies mich zurück.
 
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