Arthur war nervös. Er trat auf der Stelle, bis er Nicks Hand auf seiner Schulter spürte. Das Gewicht beruhigte ihn wieder ein wenig. Nick war rechtzeitig gekommen und die Ringe hatte er auch dabei. Soweit war es nicht weiter schlimm, aber Arthur war so schrecklich nervös.
"Bleib ganz ruhig. Du musst doch nur ein paar Worte sagen und die Braut küssen. Wenigstens der letzte Teil dürfte dir keine Probleme bereiten." sagte Nick hinter ihm mit einem Lachen in der Stimme und Arthur seufzte. "Du hast gut reden. Du hast das ganze auch schon hinter dir." Nick lachte leise. "Ja, aber damals war ich genau so nervös wie du jetzt, vielleicht noch mehr." Er hielt kurz inne, als die Orgel zu spielen begann. "Ah, ich glaube, da kommt sie."
Arthurs Kopf schoss hoch. Dann schwangen die beiden Flügeltüren der Kirche auf und die Musik nahm noch einmal an Intensität zu. Arthur verschlug es fast den Atem. Mel schwebte fast den Gang herunter auf ihn zu, am Arm seines Vaters, der sie ihm vorn übergab und sich dann auf einen Platz in der ersten Reihe setzte, neben Mels Mutter und Connor. Arthur und Nick drehte sich jetzt nach vorn um, wo der Pastor stand, aber er konnte nicht umhin, einen Seitenblick auf Mel zu werfen. Das Kleid war einfach umwerfend, wie sie gesagt hatte. Schulterfrei und ein einziges Gebilde aus cremefarbener Seide, fast keine Rüschen, nur am oberen Rand ein bisschen. Eine kurze Schleppe lag hinter ihr am Boden und ein durchsichtiger Gazeschleier verdeckte ihr gesicht. Nicht mehr lange, dachte Arthur, nicht mehr lange.
Der Pastor vor ihnen räusperte sich und sie sahen wieder nach vorn. Nick trat neben Arthur, das Kästchen mit den Ringen griffbereit in der Hand. Arthur sah noch einmal verstohlen aus dem Augenwinkel nach Mel, dann sah er wieder den Pastor an. Hinter ihm schnäuzte sich jemand in sein Taschentuch.
"Liebes Brautpaar, liebe Gäste, wir haben uns heute hier vor Gott versammelt, damit diese beiden Menschen den heiligen Bund der Ehe eingehen können. So frage ich nun dich, Melanie Susan Tank, willst du den hier anwesenden Arthur John Rigs zu deinem rechtmäßig angetrauten Ehemann nehmen, so antworte mit Ja." Mel sah ihn flüchtig an und lächelte, eine leichte Röte kroch ihr die Wangen hinauf und dann sah sie wieder nach vorn. "Ja, ich will." sagte sie mit fester Stimme und der Pastor nickte. "So frage ich nun dich, Arthur John Rigs, willst du die hier anwesende Melanie Susan Tank zu deiner rechtmäßig angetrauten Ehefrau nehmen, so antworte mit Ja." Arthur schielte zu Nick herüber und der nickte leicht mit dem Kopf, so als wollte er ihn in seinem Tun bestärken. Aber dessen bedurfte es gar nicht mehr. Er hatte sich schon vor so langer Zeit entschieden. "Ja, ich will." Er drehte sich zu Nick und nahm die beiden Ringe aus dem Kästchen, den einen gab er Mel. Sie schob ihn ihm auf den Finger und er tat das gleiche mit ihr, dann standen sie mit ineinander verschränkten Händen vor einander und sahen sich tief in die Augen.
"Da dies nun vor Gott beschlossen wurde haben die hier Anwesenden eine letzte Möglichkeit, sich gegen die Heirat aus zu sprechen. Möge er nun sprechen oder für immer schweigen." Es erfolgte keine Reaktion. Arthur hatte halb befürchtet, Mels Mutter würde etwas sagen, doch anscheinend war sie glücklich für ihre Tochter, auch wenn sie nicht einmal wusste, was genau ihr Schwiegersohn in spe eigentlich arbeitete. Ihr hatte Arthur die gleiche Lüge erzählt wie auch allen anderen. Das er in einem Büro arbeitete. Von seinem Unfall hatte er ihr nichts erzählt, auch wenn man die Narben immer noch sah, die sein Gesicht teilten. Drei blasse weiße Striche, die man besonders sah, wenn er ein Bad in der Sonne genommen hatte. Nur die wenigsten wussten, was wirklich vor einem halben Jahr im ARC passiert war, und er hielt es für besser, wenn das so blieb. Nick wusste davon, Abby, Mel und Connor, und natürlich James Lester, der in der zweiten Reihe saß, wie Arthur erst jetzt bemerkte.
Von fern drang wieder die Stimme des Pastors durch seine Gedanken. "Sie dürfen die Braut jetzt küssen." Auf diesen Satz hatte er die ganze Zeit gewartet. Er hob Mels schleier hoch und legte ihn zurück über ihren Kopf, wo er nicht im Weg war. Langsam, fast zögerlich fasste er sie um die Taille und zog sie zu sich heran, bevor er den Kopf senkte und sie küsste. In diesem Moment klatschten ein paar Leute, doch es endete so abrupt, wie es gekommen war. Er löste sich aus dem Kuss und sah hinter sich. Direkt neben dem Altar fing die Luft an zu flimmern und explodierte dann in einer Sphäre aus weißen Lichtsplittern.
*
"Scheiße!" knurrten Nick und Arthur gleichzeitig. Arthur fasste in die Innenseite seines Jackets nach der 9mm Halbautomatik und zog sie. Neben ihm zog auch Nick seine Waffe und sogar Abby und Connor standen plötzlich mit Schusswaffen von ihren Plätzen auf und richteten sie auf die Anomalie.
Jetzt kommt die Wahrheit heraus, dachte Arthur bitter, bevor er dem Pastor "Bringen Sie die Leute hier raus!" zubrüllte, obwohl der genau vor ihm stand und die Anomalie mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen betrachtete. "Was... was ist das?" flüsterte er unsicher. "Oh Gott steh uns bei, wir werden...." Arthur riss der Geduldsfaden. "Bringen Sie die Leute hier weg, verdammt!" schrie er und schubste ihn in Richtung des Flügelportales. "Und wenn alle draußen sind, verriegeln Sie das Tor hinter uns." sagte er und lies den Blick nicht von der Anomalie. Was auch immer dort gleich hindurch kam, würde nichts gutes sein.
Seine Albträume waren wahr geworden. Mel packte ihn am Arm. "Arthur, was soll das heißen? Du kannst nicht hier drin bleiben!" Er sah sie an, eine Sekunde nur. "Mel, geh einfach mit den anderen Gästen nach draußen. Wenn dich jemand fragt, erwähnst du nichts von dem, was du hier gerade gesehen hast. Geh mit ihnen in das Lokal, das wir gebucht haben und tu so, als wüsstest du von nichts. Sag, wir sind mit getrennten Wagen hin gefahren und ich stehe im Stau oder was dir gerade einfällt. Aber bitte, geh jetzt." Er schob sie mit den anderen zum Ausgang. Dann wartete er ab, bis wirklich alle Gäste draußen waren und das Tor sicher verriegelt war.
Er sah sich wieder nach der Anomalie um und seufzte leise. Auch Abby und Connor waren mittlerweile neben ihm zum Stehen gekommen und starrten weiter die leuchtende Anomalie an. Nichts tat sich. Und gerade als Arthur die Waffe sinken lassen wollte, schoss mit ausgefahrenen Klauen ein Raptor durch das Tor aus Licht auf ihn zu und sprang ihn an. Er wurde zu Boden gerissen, schaffte es aber, die Arme so weit oben zu behalten, das er schießen konnte. Gerade als der Raptor ihm die Zähne in die Kehle bohren wollte und das Maul schon aufgerissen war, setzte er ihm die Mündung der Pistole in den Rachen und drückte ab.
Es krachte laut und warmes Blut bespritzte ihn und lief seine Hände hinab, sickerte in seinen Anzug und hing als Übelkeit erregender Geruch in der Luft. Arthur wälzte den schweren Körper von sich herunter und stand auf. Vor ihm lagen noch zwei weitere tote Raptoren und Nick und Abby waren beide ähnlich mit Blut bespritzt wie er.
"Seid ihr verletzt?" fragte er und trat zu ihnen. Abby schüttelte den Kopf, doch Nick zeigte ihm einen Riss am Oberarm, nicht besonders tief, aber es blutete ziemlich. "Nur ein Kratzer." winkte er ab. "Was ist mit dir?" wollte er dann wissen und sah Arthur prüfend an. Der schüttelte nur den Kopf und sah an sich herunter. Den Anzug und das einst blütenweiße Hemd konnte er wegschmeißen. Er grummelte sauer. Das hätte der schönste Tag in seinem Leben sein sollen, und jetzt stand er hier, über und über mit dem Blut eines urzeitlichen Dinosauriers bespritzt und die drei Toten Exemplare zu seinen Füßen. Er stupste einen davon mit dem Schuh an. Er war wirklich tot. Nick kam zu ihm herüber.
"Wir müssen die drei wieder durch die Anomalie hindurch bringen, bevor sie sich schließt. Es würde zu viel Aufsehen erregen und Fragen aufwerfen, wenn sie hier blieben." sagte er und zog den ersten Saurier zu der Anomalie hinüber. Arthur half ihm und zusammen gingen sie durch die Anomalie, vergruben den ersten Raptor und holten den zweiten. Gerade hatten sie die letzte Ladung Erde über dem letzten Raptor ausgekippt, als die Anomalie flackerte und mit einem Knall verschwand. Sie waren in dieser Zeit gefangen!