Meine Geschichten
  Vampire existieren nicht
 
Nach dieser katastrophalen Party dauerte es einige Zeit, bis ich mich wieder unter Menschen traute. Sicherlich hatte mich dort niemand erkannt bis auf Mr. Fitzgerald und Coraline, aber das allein war schon schlimm genug. War das am Ende so geplant gewesen? Hatten die beiden mich vorführen wollen? Nein, verwarf ich den Gedanken gleich wieder, denn Coraline hatte mich an diesem Tag das erste Mal gesehen. Und wäre sie nicht gewesen, ich war mir sicher, das ich dann jetzt schon nicht mehr leben würde.

Nun waren aber eine Menge neuer Fragen aufgeworfen worden, Fragen, deren Antworten mich eigentlich nichts angingen. Dennoch interessierten sie mich brennend.
Immer noch war da die Frage, warum Mr. Fitzgerald so plötzlich nach New York verschwunden war. Und warum war er so fertig gewesen, als er wieder kam? Nahm ihn jeder geplatzte Auftrag so mit? Das konnte ich mir nicht vorstellen. Aber es ging mich ja auch nichts an, wenn er sich auf Parties betrank. So also ließ ich meine Finger von Parties, obwohl Coraline gerade mich als neues Opfer besonders anziehen zu finden schien, denn sie schickte mich alle paar Wochen eine neue Einladung.

Völlig ignorieren konnte ich sie nicht, das galt schließlich als unhöflich. Also erschien ich ab und an, für die anderen ließ ich mir passable Ausreden einfallen, durch die sie, wie ich sehr viel später heraus fand, immer sofort geschaut hatte. Vor ihr konnte man sich weder verstecken noch verstellen, sie schaffte es immer, mich zu finden oder die Wahrheit aus mir heraus zu kitzeln.
Und so unangenehm mir die Partys zuerst noch waren, desto mehr begann ich nach einiger zeit, sie zu schätzen. Es musste drei Monate her sein, das ich die erste Einladung erhalten hatte.

Inzwischen freute ich mich sogar auf diese kleinen Veranstaltungen, obwohl ich langsam das Gefühl hatte, für Coraline so eine Art Haustier zu sein, das herum gezeigt werden musste. Ihre neueste Errungenschaft, die neueste Trophäe in der Glasvitrine ihres riesigen Hauses, in dem ich nach einiger Zeit öfter verweilte als zu hause.
Meine Kollegen sagten nichts, bedachten mich jedoch mit argwöhnischen Blicken. Sie sprachen es nicht aus, aber ich konnte förmlich spüren, wie sie dachten, ich sei zum Feind über gelaufen.
Ich jedoch dachte das nicht. Sollte die ganze Bagage doch denken, was sie wollte. Ich war zufrieden so wie es war und scherte mich nicht über das Tuscheln hinter meinem Rücken oder die merkwürdigen Blicke. Alles hatte eben seinen Preis. Wenn der preis für das Zusammensein mit Coraline mein ohnehin nicht sehr großes Ansehen unter meinen Kollegen war, nahm ich diesen Preis gern in Kauf.

In diesem Moment zog ich an meinem Strohhalm, um etwas von dem Alkohol in mich hinein zu saugen, der sich in dem Glas vor mir befand. Mit Charles konnte ich immer noch nichts anfangen. Er war zwar auf jeder Party zugegen, mied mich aber mit einer Sorgfalt, die jeden anderen wütend gemacht hätte. Nicht so mich. Mir war es nur Recht, wenn er mich in Ruhe ließ. Das Erlebnis im Schrank steckte mir immer noch in den Knochen und der Blick, mit dem er mich angesehen hatte... unwillkürlich schauderte ich. Da schob sich eine vorwitzige Hand um meine Mitte und Coraline legte ihren Kopf auf meine Schulter.
„Na, hast du Spaß?“ fragte sie grinsend. Ich schielte zu ihr herüber und sagte nichts. Offenbar konnte sie auch so meine Gedanken lesen, denn sie verzog missvergnügt den Mund.

„Du solltest ein bisschen mehr Spaß haben, weißt du? Wir könnten zusammen sehr, sehr viel Spaß haben.“ sie zwinkerte mir lächelnd zu und zog mich von dem Barhocker, auf dem ich gesessen hatte.
„He...“ protestierte ich, aber sie lachte nur und zog mich auf die Terrasse.
„Na komm schon. Oder hast du Angst, nass zu werden?“ fragte sie grinsend und zog mich zu dem weitläufigen Pool, den sie hier hatte.
„Aber wir können doch nicht einfach...“ fing ich wieder an, aber da war sie schon ins Wasser gesprungen. Ihr mohnrotes Kleid blühte um sie herum auf wie Blut, das jemand ins Wasser geschüttet hatte und die Lichter im Pool gaben dem ganzen ein fremdartiges aussehen. Unwillkürlich musste ich an die Tote im Brunnen denken und zögerte, ihr nach zu springen. Es gehörte sich einfach nicht!

Coraline schien nicht so viele bedanken zu haben wie ich. Als sie sich aufrichtete ging ihr das Wasser bis zur Brust und der Stoff war verführerisch durchsichtig geworden. Mein Denken setzte für einen Moment aus und sie wusste es. Das sah ich an dem Lächeln, das sie mir zuwarf.
„Na, was ist. Hast du Angst, nass zu werden?“ neckte sie mich. Fast hatte sie mich so weit,. Das ich ihr nach sprang, nur um selbst herauszufinden, was für eine Art Frau sich unter dem mohnroten Stoff des Kleides verbarg.
Verhindert wurde das nur von einem Räuspern hinter mir. Ich drehte mich herum und sah einen reserviert wirkenden Mann hinter mir stehen, der eine Polizeiuniform trug.

„Mr. St. John?“ ich musterte ihn von oben bis unten. Scheinbar sah es nicht so aus, als wollte man mich abführen, also ließ ich mich darauf ein.
„Ja?“ fragte ich.
„Es hat einen neuen Fall gegeben, bei dem man Ihre Unterstützung benötigt.“ sagte er nur. Seufzend fügte ich mich in mein Schicksal, wollte mich aber noch ein letztes mal zu Coraline umdrehen und ihr wenigstens auf Wiedersehen sagen, aber sie war schon nicht mehr da.
Nun schon wesentlich missgestimmter folgte ich dem Polizisten zu dem Wagen, der mit sich drehenden Blaulichtern vor dem Haus parkte.

*

Merkwürdigerweise fuhren wir jedoch nicht zum Polizeirevier, sondern daran vorbei in Richtung Innenstadt.
„Können Sie mir sagen, wohin wir...“ fragte ich mein unfreiwilliges Taxi, aber ich bekam keine Antwort. Er drückte nur noch mehr aufs Gas, obwohl die Leute ihm schon Platz machten ob des Blaulichts und der heulenden Sirenen.
Wenig später wusste ich die Antwort auch so. Wir fuhren ins Krankenhaus.
„Ah, man hat eine neue Leiche gefunden, deswegen gehen wir in die Pathologie und schauen sie uns an?“ riet ich, erhielt aber wieder keine Antwort. Es war, als wäre ich ein Anfänger, dem man keine Details erzählte. Oder ich hatte wirklich meine guten Karten schon lange verspielt.

Als ich sah, das es nicht runter in die Pathologie ging, war ich einerseits erleichtert, weil das hieß, das es keine neue Leiche gab, der Täter also nicht erneut zugeschlagen hatte. Aber auf der anderen Seite hieß das auch, das etwas anderes passiert sein musste, vielleicht vollkommen unabhängig davon, was die letzten beiden male geschehen war. Wir kamen vor einem Krankenzimmer an und der Polizist, der mich her gebracht hatte, bedeutete mir kalt, selbst meinen Weg hinein zu finden. Er würde mich also nicht begleiten. Na gut, musste ich dort allein durch.

Tief einatmend zählte ich im Geiste bis fünf, dann drückte ich die Klinke herunter und machte die Tür auf. Der Anblick, der sich mir bot, hätte makaberer nicht sein können. Auf dem Bett, gehüllt in ein fadenscheiniges Krankenhausnachthemd, saß die Rezeptionistin aus Charles' Büro.
Und als wäre das nicht genug, drückte ihr ein Arzt eine dicke Schicht Mull auf eine Wunde am Hals und verband das ganze dann säuberlich. Ich entdeckte John, der in einer Ecke beim Fenster stand und sich das ganze ansah. Er beobachtete alles genau und ich war sicher, das er mir mehr würde sagen können als die Frau, die mich mit großen, rehbraunen Augen anstarrte, so voller Furcht, das sich mir alles zusammen zog. Was hatte sie gesehen, was wusste sie?
„Und, was ist es diesmal?“ fragte ich so leise, das sie mich nicht verstehen konnte und beugte mich zu John herunter. Der nahm den Blick nicht von der Dame, sondern sah sie weiterhin aufmerksam an, während er sprach.
„Scheinbar der selbe Täter. Sie ist auf dem Weg nach hause hinterrücks angegriffen worden. Der Kerl hat sie in den Hals gestochen und versucht, sie mit einem Messer zu attackieren, vermutlich um sie so zu zu richten wie die Frau, die wir im Wald gefunden haben.“ Mir drehte sich bei der Erinnerung daran der Magen um und ich atmete automatisch flach durch den Mund.

„Doch bevor es dazu kommen konnte ist wohl ein Passant aufmerksam geworden und hat sie gerettet. Der Täter flüchtete, sie kann sich aber noch an sein Gesicht erinnern und wird nachher dem Phantomzeichner Bericht erstatten.“ meinte John und zog einen Stapel Fotos aus der Innentasche seiner Jacke. Es waren Polaroidaufnahmen, scheinbar gerade erst gemacht.
„Obwohl du es vermutlich nicht sehen kannst oder willst.“ murmelte er. Ich blätterte die Bilder durch. Sie alle zeigten die Verletzungen der Frau und das Blut, das heraus strömte. Wann würde ich mich endlich daran gewöhnen?
Mir fiel dennoch auf, das es genau die gleichen Verletzungen waren wie bei der Frau im Brunnen und der toten im Wald. Jemand machte das ganz gezielt, nur fiel mir nicht ein warum.
Und irgendwie wurde ich das Gefühl nicht los, das die Frau wusste, was genau passiert war und es uns einfach nicht sagen wollte.

Und als hätte mein Gedankengang irgend ein geheimes Zeichen ausgelöst, öffnete sich die Tür und Charles Fitzgerald kam herein, gefolgt von dem Mann, der wohl der Zeichner war. Er ging sofort zu seiner Mitarbeiterin und mimte den besorgten und fürsorglichen Chef. Als gäbe es eine Rolle, in die er weniger passte.
Langsam richtete er sich wieder auf, nachdem er sich davon überzeugt hatte das alles in Ordnung war, und wandte sich zu mir um.
„Was tut er denn hier?“ fauchte er John an und ich zog eine Augenbraue hoch.
„ich arbeite hier. Ich weiß nicht, was Sie hier machen.“ gab ich hochnäsig zurück, weil ich nicht wie ein lästiges Insekt behandelt werden wollte. Diese Art von „Wertschätzung“ brachten mir in letzter Zeit schon meine Kollegen entgegen, da brauchte ich nicht noch so einen, der sich für besser hielt als er war.

„Ich kümmere mich um das Wohl meiner Mitarbeiterinnen.“ zischte er zurück und lief gefährlich rot an. John stellte sich zwischen uns, ehe der Streit eskalieren konnte.
„Es reicht.“ murmelte er mehr zu ihm als zu mir, was mich dazu veranlasste, noch eins oben drauf zu setzen.
„Ja, sehr fürsorglich, seine Mitarbeiterinnen nachts allein durch dunkle Gassen stromern zu lassen.“ spottete ich und Charles wäre mir an den Hals gesprungen, hätte John sich nicht dazwischen geworfen.
„Es reicht!“ noch immer richtete er die Worte nicht direkt an mich, zumindest sah er mich dabei nicht an. Widerwillig gab ich auf und ging zu der jungen Frau herüber, während Charles die Tür hinter sich zu machte. Interessiert betrachtete ich das Bild des Mannes, das der Phantomzeichner auf ihren Geheiß anfertigte. Und die Person, die dabei zu Stande kam, kannte ich....
 
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