Meine Geschichten
  Erstens kommt es anders...
 
John fand mich ein paar Minuten später, wie ich blass uns zitternd am Stamm einer Buche lehnte.
Er kam langsam zu mir herüber, wohl, um mich nicht zu erschrecken und hockte sich neben mich. „Wer tut so etwas?“ fragte ich heiser und richtete mich wieder ein Stück auf, mir dabei mit dem Jackenärmel den Mund wischend. Mein Frühstück versickerte irgendwo hinter mir sauer riechend im Waldboden. Aber ich hatte dafür keinen Blick. Zu sehr war ich mit eben der Frage beschäftigt, die eben aus meinem Mund gekommen war: Wer tat so etwas? Wer ermordete zwei bildhübsche junge Frauen einfach so und ließ sie dann irgendwo liegen wie Müll, den niemand mehr brauchte? Allerdings, fiel mir ein, man hatte sie ja gar nicht einfach irgendwo liegen gelassen.

Nein, man hatte sie nach einem Muster geordnet. Die erste Tote war drapiert worden wie Da Vincis Vitruv. Und die Zweite...
Ich sah John langsam an. „Wir müssen sofort zurück zur Zentrale. Ich muss etwas mit euch allen besprechen.“ sagte ich und schleifte ihn förmlich dorthin zurück, wo unsere Wagen standen.
Im Auto selbst und während der ganzen Rückfahrt versuchte ich krampfhaft, auf ein Muster zu kommen. Einen Durchblick in dem Garnknäuel roter Fäden, die sich kreuz und quer durch meinen Kopf spannen wie ein Spinnennetz.

„Also, was wolltest du uns so wichtiges erzählen, Mick?“ wir hatten uns alle in Johns kleinem, aber gemütlichen Büro versammelt. Er, ich, ein paar diensthabende Polizisten, die man mit dem Fall betraut hatte und ein Kommissar in Ausbildung.
Ich hatte mich mangels eines Sitzmöbels an die Wand neben der Tür zurück gezogen und beobachtete das geschehen von dort aus. John hatte sich eine seiner heiß geliebten Kubaner angezündet und der bläuliche Rauch wölkte durchs ganze Zimmer, das nicht einmal ein Fenster hatte.

Ich machte die Tür, neben der ich stand einen Spalt auf, damit der Rauch abziehen konnte. Ich hatte bis dahin nicht aktiv geraucht und hatte es auch nicht vor. Aber mit John zusammen zu arbeiten bedeutete nicht unbedingt, nach dem Tod auch eine saubere Lunge zu haben.
„Also, es geht darum, dass...“ fing ich an, wusste aber nicht genau, wie ich dann weiter machen sollte und zögerte. „Mach erst einmal die Tür zu, es muss ja nicht gleich das ganze Präsidium mithören.“ meinte John und widerwillig seufzend machte ich die Tür zu. Ich würde hier drin ersticken, wenn John nicht bald seine Zigarre ausmachte. Musste ich mich eben mit dem Erklären ein bisschen beeilen. Ich sah seitlich zu Bobby, der scheinbar meine Gedanken lesen konnte und zwinkerte. Ergeben seufzend holte ich tief Luft.

„Also, es geht um folgendes.“ Zu tief Luft holen war nicht gerade gesund, denn augenblicklich atmete ich einen Schwall Qualm ein und hustete. Auf einen Blick meiner Kollegen hin drückte John die kubanische Zigarre in seinem Aschenbecher aus und mir ging es sofort besser.
„Also, was ich sagen wollte“, sagte ich durch einen Strom von Tränen hindurch, der denken ließ, neben mir würden Zwiebeln geschnitten, „mir sind ein paar Dinge an den beiden Morden aufgefallen, die ich noch nicht so ganz verstehe.“ ich machte eine bedeutungsvolle pause, die John gleich dazu nutzte, dazwischen zu reden.
„Abgesehen davon das die Morde so grausam waren das man denken könnte Jack The Ripper treibe wieder sein Unwesen. So lange ist das ja nun auch wieder nicht her.“ statt die gelöschte Zigarre weg zuwerfen oder wenigstens in den Aschenbecher zu legen, behielt er sie im Mundwinkel. Sie hüpfte beim Sprechen höhnisch auf und ab, während John seine Füße auf dem Schreibtisch ablegte und mich herausfordernd ansah.

„Ja, nur das Jack The Ripper vor ungefähr achtzig Jahren umging. Nein, mich stört etwas anderes.“ Ich ging zu der tafel an der wand und nahm einen Stift.
„da wäre zuerst einmal die Todesursache. Sie sind beide durch den Stich mit einem spitzen Gegenstand in den Hals gestorben, richtig? Zumindest die erste Frau. Bei der zweiten wird es wohl der Große Blutverlust und die Schmerzen gewesen sein, als der Kerl sie ausgeweidet hat.“ Ich schauderte. Mir vorzustellen, das sie noch gelebt haben könnte, als dieser Kerl das mit ihr anstellte, ließ mich fast erneut würgen.
„Wer sagt eigentlich, das der Täter ein Mann gewesen ist? Es könnte genau so gut eine Frau...“ fing Bobby an, aber da schüttelte sowohl John als auch ich gleichzeitig entscheiden die Köpfe.

„Nein, Bobby.“ sagte ich entschieden. „Könnte es nicht.“ ich sah den fragenden Ausdruck in seinem Gesicht und sah ihm fest in die Augen, bevor ich mich von der Wand, an der ich bis gerade noch gelehnt hatte, abstieß. „Beim ersten Mord vielleicht noch, aber nach dem, was wir gerade im Wald gesehen haben schon nicht mehr. Eine Frau müsste schon sehr kräftig sein, um einem anderen Menschen solche Verletzungen beizubringen. Und sie dann noch an einen Baum zu nageln. Das ist etwas anderes, als ein Bild an die Wand zu hängen.“ ich ging langsam auf und ab, von einer nikotingelben Wand zur anderen und sah dabei nachdenklich auf den Boden.
„nein, unser Täter kann nur ein Mann sein. Also, was wissen wir noch? Die Morde wurden bei Nacht oder in den frühen Morgenstunden begangen.“ ich schrieb es hin.

„Beide Frauen waren vollkommen nackt und hatten als Verletzungen zwei punktförmige Wunden seitlich am Hals. Dazu kommt, das unser Täter religiös oder künstlerisch kundig sein muss, denn wenn man genau hinsieht war die erste Tote ausgerichtet wie Da Vincis berühmte Bewegungsstudie nach Vitruv. Der zweite Mord...“
Ich sah, das es John langsam dämmerte, darum ließ ich den Satz unvollendet und wartete darauf, das er ihn beenden würde. Die Antwort folgte schnell wie ein Pistolenschuss.
„... man hätte an die Kreuzigung Jesus denken können, finde ich.“ meinte er und erntete ein aufmunterndes Nicken meinerseits. „Ja, hätte man. Nur das man Jesus nicht den Bauch aufgeschnitten hat um alle seine Organe zu entfernen. Zumindest steht davon nichts in der Bibel.“ Und ich wusste zumindest auszugsweise, das die Bibel nicht immer Friede Freude Eierkuchen gewesen war. Hatte Gott nicht Adam und Eva aus dem Paradies verstoßen, weil sie von den verbotenen Früchten gegessen hatten? Hatte nicht Gott eine Sintflut auf die Menschen herab gerufen? Hatte nicht Gott Menschen wie Jack The Ripper geschaffen?

Plötzlich klopfte es an der Tür. Das Geräusch riss mich aus meinen Gedanken und ich drehte mich um. Noch ehe irgendwer die Person vor der Tür hinein gebeten hatte, wurde schon die Tür aufgerissen und ein atemloser Beamter kam ins Zimmer gestürmt.
„ich hab... den Bericht... aus der.... Pathologie...“ keuchte er und drückte John das Blatt Papier in die Hand. Er las es und lächelte mir dann zu.
„Sehr gut kombiniert, Sherlock.“ witzelte er in meine Richtung und gab mir das Schreiben dann selbst zu lesen.
Ich überflog es. Scheinbar hatte man der Frau die Organe fachgerecht aus dem Körper getrennt. Nur wo sich diese jetzt befanden, wusste niemand zu sagen. Auch ihr ganzes Blut schien zu fehlen. In einem Abschnitt entdeckte ich etwas, das mich stutzig machte.
„Das opfer hatte kurz vor seinem Tod Geschlechtsverkehr?“ fragte ich stirnrunzelnd nach. John nickte.
„Ja. Leider lässt sich jedoch nicht sagen mit wem.“ er zuckte die Schultern und grinste.

Ich war mir nicht sicher, ob ich es wissen wollte.
„Scheint wirklich so, als mache dort jemand Jack nach.“ vermutete Bobby aus seiner Ecke. Ich drehte mich zu ihm um. „Ja, aber Jack schnitt seinen opfern die Kehle durch und stach ihnen nicht eine Gabel in den Hals. Geschlechtsverkehr hatte er mit seinen Opfern für gewöhnlich wohl auch nicht. Wenn das an die Öffentlichkeit gelangt, dann...“ Kaum hatte ich das auch nur gedacht, schwang die Tür schon wieder auf und der junge Mann, der sich gerade nach Abgabe des Berichtes wieder zurück gezogen hatte, steckte seinen Kopf wieder zur Tür hinein.
„Chef, da draußen lungert eine ganze Meute von Reportern herum. Ich wusste nicht, was ich tun sollte...“ John sprang von seinem Stuhl auf und lief zur Tür.
„Sie auf keinen Fall rein lassen, was haben Sie eigentlich gedacht, wo wir...“ Zu spät. Ich sah gerade noch, wie mich ein Blitzlicht blendete, dann ging ein wahrer Hagel davon los, als wären wir die Täter. Stimmen schnatterten durcheinander.
„Was können Sie sagen zu den Vorfällen...“
„Handelt es sich hier wirklich um einen perversen Serienkiller...?“
„nehmen Sie Stellung zu...“
„SCHNAUZE!“ brüllte John irgendwann heiser. Es hatte keinen Zweck. Er knallte einfach nur die Tür zu und ließ die Rollläden herunter, um die Meute nicht mehr sehen zu müssen. Es blieb uns nun wohl nichts anderes übrig als hier drin auszuharren und zu warten, bis sich die Herde von Aasgeiern wieder verzogen hatte.
Nach rund einer Stunde wurde er der Schar scheinbar zu viel und sie ließen uns in Ruhe. Befreit aufatmend ging ich nach draußen, holte mir im Café über die Straße einen Kaffee und einen Donut und stärkte mich. Ich würde noch etwas anderes zu tun haben. Wieder zurück im Präsidium ging ich in den Technikraum und holte mir dort, was ich brauchte. Ich würde noch einmal zu der Modelagentur fahren. Wenn Mr. Fitzgerald mir nicht freiwillig geben wollte, was ich brauchte, würde ich es mir eben holen...
 
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