Meine Geschichten
  Die Modelagentur
 
Die Adresse, bei der die Modellagentur lag, wusste ich mittlerweile auswendig, so oft hatte ich mir die Karte angesehen. Ich hielt den Wagen auf dem Parkplatz an und stieg aus. Das Gebäude hatte mehrere Stockwerke. Wie man das aus den Büchern oder Filmen kannte, musste ich jetzt sicherlich zuerst einmal ins oberste Stockwerk. Aber bevor ich das tun konnte, würde ich mich wohl anmelden müssen.
Also betrat ich das Foyer der Agentur. Eine hochgewachsene, blonde junge Frau lächelte mir schon entgegen. Ich lächelte herzlich zurück.
„Guten Tag. Ich Würde gern den Geschäftsführer sprechen.“ erklärte ich und zückte meinen Ausweis. Mit einem Mal wurde das Lächeln der Empfangsdame zu einer bestürzten Grimasse.
„Ist etwas vorgefallen?“ fragte sie nach. Ich wusste, das ich nicht offen darüber sprechen durfte, was passiert war, deswegen ließ ich es sein. Schon allein, um die Frau nicht zu beunruhigen.

„Sie verstehen sicher, dass ich darüber nur mit ihrem Vorgesetzten sprechen kann. Können Sie mich irgendwie anmelden oder dergleichen?“ fragte ich freundlich. Sie nickte kurz und nahm den Telefonhörer ab. Dann hielt sie die Muschel zu und wandte sich noch einmal zu mir um. „Wen soll ich melden?“ fragte sie. „Mick St. John.“ murmelte ich und sie nickte.
„Sir, hier ist ein Mick St. John für Sie. Von der Polizei. Soll ich... ich weiß, Sir, aber Sie sagten... okay, ich schicke ihn hoch.“
Sie legte auf und nickte mir zu. „Nehmen Sie den Aufzug bis zum letzten Stock und dann rechts am Ende des Ganges.“ gab sie mir die Wegbeschreibung. Ich dankte ihr und machte mich auf den Weg.
Die Fahrt des Aufzuges dauerte quälend lang, zumindest kam es mir so vor. Hier würde ich vielleicht endlich die Antworten auf meine Fragen finden, diesen Mord aufklären und endlich wieder ruhig schlafen können.

So schnell schien es jedoch nicht zu gehen. Ich verließ den Aufzug, der mich auf der obersten Etage ausspuckte und folgte dann dem Gang, den die Empfangsdame mir genannt hatte. Eine Tür gab es am Ende des Ganges nicht. Der Durchgang war offen und gb den Blick frei auf eine weitere kleine Empfangshalle. Eine gläserne Tür trennte wohl das eigentliche Büro vom Rest des Gebäudes. Sie war bloß angelehnt und ich hörte eine Männerstimme. Offensichtlich telefonierte dort jemand.
„Guten Tag.“ sagte ich freundlich, als ich zu ihr n den Tresen trat. Sie lächelte genau so freundlich wie ihre Kollegin zwölf Stockwerke tiefer.
„Guten Tag. Meine Kollegin hat Sie schon angekündigt. Warten Sie bitte einen Augenblick.“ ich drehte mich herum und ging zu einer Reihe Stühle, die an der rückwärtigen Wand standen. Auf einen davon setzte ich mich und ließ den Blick durch den Raum schweifen, alle Details in mich aufnehmend. Warmes Licht, helle Farben. Es gefiel mir, auch wenn ich an Stelle des Chefs nicht so sehr mit Marmor und teuren Gemälden geprotzt hätte. Aber jedem das Seine, dachte ich,während die Empfangsdame im Büro verschwand und kurz darauf wieder heraus kam. Bis dahin hatte ein besonderes Gemälde hinter ihr meine Aufmerksamkeit schon geweckt. Es erinnerte mich an etwas, das ich erst vor kurzem gesehen hatte.

Zuerst kam ich nicht darauf, was es war, aber dann traf es mich wie ein Blitzschlag. Die Tote in dem Brunnen, der mehr ein flaches Wasserbecken mit ein paar Scheinwerfern gewesen war, die die Tote perfekt ausgeleuchtet und das Wasser in ein unnatürliches Licht getaucht hatten. Wie in Trance stand ich auf und ging wieder nach vorn zum Empfangsschalter.
Die Empfangsdame hob den Kopf, aber ich beachtete sie gar nicht. Wie gebannt starrte ich das Gemälde an. Pergamentfarbener Hintergrund und darauf ein perfekter Kreis um die Figur eines Mannes. Die Details waren sehr gut heraus gearbeitet. Die Extremitäten waren vom Körper weg gestreckt wie bei...
Die Empfangsdame bemerkte, das ich nicht sie anstarrte und wandte den Blick in die Richtung, in die ich schaute.

„Ist das ein Da Vinci?“ fragte ich ehrfürchtig nach. Sie öffnete gerade den Mund, um mir zu antworten, als die Bürotür vollends aufging.
„Nur eine Kopie. Auch wenn ich mir die echte Proportionsstudie von Vitruv vielleicht leisten könnte.“ kam eine Männerstimme. Ich drehte mich um. Vor mir stand ein junger Mann, der kaum jünger sein konnte als ich mit kurzen braunen Haaren, der in einem maßgeschneiderten Anzug steckte. Er reichte mir die Hand.
„Charles Fitzgerald. Freut mich.“ murmelte er. Ich ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie. „Mick St. John, angenehm.“ stellte ich mich vor. Er warf einen Blick zu der Empfangsdame. Sein Lächeln hatte etwas wissendes, als gäbe es ein Geheimnis zwischen den beiden, das ich nicht kannte. Ich wollte es auch nicht kennen. Wahrscheinlich vernaschte er sie nach getaner Arbeit auf seinem Schreibtisch. Nicht nur wahrscheinlich, an der Art wie sie den Blick niederschlug und rot wurde.

Er stieß die Bürotür auf und deutete mit dem Arm in den Raum. Ich folgte dem Wink und trat vor ihm in den Raum. „Bitte, setzen Sie sich doch.“ er ließ sich mir gegenüber in einen bequemen Ledersessel fallen. Ein baugleiches Stück stand auf der anderen Seite, der die mir vorbehalten war oder jedem anderen, der sich hier her verirrte. Merkwürdigerweise fühlte ich mich wie eine Fliege in einer Venusfliegenfalle, die wusste, das sie hier nicht mehr entkommen würde. Ich gab mich professionell. Meine Gedanken waren Spinnerei, sagte ich mir. Der Kerl mir gegenüber sollte eher Angst vor dem haben, was ich ihm anhängen könnte oder über ihn herausfinden würde. Mich würde er nicht so leicht einschüchtern.
Ich bemerkte, das das Büro ähnlich gehalten war wie der Vorraum. Mein Gegenüber wartete geduldig, bis ich meine Observationsrunde beendet hatte, bis er sich räusperte.
„Nun, Mr. St. John, wie kann ich Ihnen helfen?“ fragte er mit samtweicher Stimme. Ich hatte gerade den Mund geöffnet, um etwas zu sagen, als wir unterbrochen wurden. Eine junge Frau öffnete die Bürotür. Es war eine andere als die, die am Empfang gesessen hatte. Wie viele hübsche, weibliche Angestellte hatte dieser Kerl eigentlich?

„Mr. Fitzgerald, wollen Sie...“ fing sie an, sah mich und schloss den Mund. „Nicht jetzt!“ kam es scharf aus seinem Mund und ohne ein weiteres Wort verschwand sie wieder durch die Tür und schloss sie fest von außen.
Der Chef der Modellagentur sah mich abwartend an. „Ja, wie können Sie mir helfen... nun, gestern Abend fanden wir eine Angestellte Ihres Unternehmens tot in einem Brunnen hier ganz in der Nähe vor.“ fing ich n und beobachtete dabei sehr genau seiner Reaktion. Sein Gesicht wirkte wie aus Stein gemeißelt. Er ließ nicht erkennen wie sehr ihn die Nachricht traf. Scheinbar nicht so sehr wie ich gedacht hatte. Hatte er kein gutes Verhältnis zu seinen Mitarbeiterinnen?
„Es handelt sich dabei um die dreiundzwanzigjährige Samantha Dunne, die gestern Abend mit zwei Stichverletzungen im Hals aufgefunden wurde. Offensichtlich ist sie daran verblutet. Können Sie mir sagen, wie es dazu kommen konnte? Gibt es jemanden, der etwas gegen Miss Dunne gehabt haben könnte? Wissen Sie, ob sie Feinde hatte? Ein eifersüchtiger Exfreund vielleicht? Oder haben Sie...“ Ich bemerkte, das ein Kugelschreiber in einer Hand um seine Finger tanzte. Er tat das ganz abwesend, fast als mache er solcherlei Tricks schon sehr lange. Er sah nicht einmal mehr hin.

„Wenn Sie damit andeuten wollen, ich hätte sie umgebracht oder jemanden darauf angesetzt das zu tun, dann können Sie gleich wieder gehen.“ erklärte er kalt. Dabei sah er mir nicht in die Augen. Immer ein schlechtes Zeichen. Menschen, die einem bei einer Befragung nicht in die Augen sahen, hatten meist etwas zu verbergen. Ich probierte es mit einer anderen Taktik. „Erzählen Sie mir mehr von Ihrem Unternehmen, Mr...?“ ich tat absichtlich so, als habe ich seinen Namen vergessen. Seine Mitmenschen zu reizen, war vielleicht kein besonders guter Weg, an Informationen zu kommen, andererseits verplapperten die meisten sich dabei und ich kam so doch an die Infos, die ich brauchen würde.
„Fitzgerald. Charles Fitzgerald.“ sagte er nun schon leicht genervt und mied immer noch meinen Blick. Dann legte er den Stift weg. „Unser Unternehmen beschäftigt sich mit der Vermittlung von Models für kleinere Events.“ erklärte er. Als sei das alles gewesen, denn er sagte nichts mehr. Ich grinste. Hatte ich doch gewusst, das er mich anlog. Ich hatte nicht die Zeit gehabt, mich großartig über das Unternehmen zu informieren, hatte aber Vorwissen.
„Kleinere Events. So so. Wissen Sie, Mr. Fitzgerald, mir ist etwas anderes bekannt.“ Ich hatte mit einer Reaktion gerechnet. Die meisten Menschen wurden spätestens jetzt nervös. Er jedoch nicht. Er tat immer noch, als ginge ihn das alles nichts an.
„Wissen Sie, mir ist bekannt geworden, Ihr Unternehmen vermittele leichte Mädchen an zahlende, mehr oder weniger alleinstehende Männer.“ sagte ich mit einem Lächeln, das den meisten Männern den Schweiß aus den Poren trieb. Er jedoch reagierte ganz anders als erwartete. Plötzlich schien er vor Zorn förmlich zu glühen.

„Wenn Sie damit andeuten wollen, mein Unternehmen würde Huren an notgeile kleine Bastarde vermitteln...“ fing er an, aber ich ließ ihn nicht ausreden. Themenwechsel war jetzt vielleicht angebracht.
„Gut, also vermittelt Ihr Unternehmen Models. An zahlende Kunden.“ trieb ich es auf die Spitze. Täuschte ich mich, oder hörte ich ein frustriertes Knurren?
„Können Sie mir sagen, an wen Sie Miss Dunne gestern vermittelt hatten?“ fragte ich nach. Er stand auf. Ein sicheres Zeichen für mich, nicht weiter darauf zu beharren. Hier würde ich keine Antworten bekommen. „Fragen Sie an der Rezeption. Meine Mitarbeiterin behält eine Übersicht über solche Dinge.“ er wies mir deutlich genug den Weg zur Tür.
„Ach, falls Sie hier anfangen wollen, ich bin sicher, wir könnten das Protokoll etwas erweitern...“ sein schnaubendes Lachen folgte mir hinaus auf den Flur. Er rief den Namen einer Frau und die junge Dame, die uns vorhin unterbrochen hatte, stürmte förmlich an mir vorbei, ein glückliches Lächeln im Gesicht. Ich wollte gar nicht genauer wissen, was die beiden dort drin jetzt machten und ging noch schneller.
Am Empfang angekommen lächelte ich wieder einnehmend. „ich muss Sie noch einmal belästigen. Können Sie mir vielleicht sagen, für wen Samantha Dunne gestern gebucht war?“ fragte ich nach. Die Empfangsdame blätterte in ihrem Kalender, dann sah sie mich verwundert an und schüttelte den Kopf. „Hier ist kein Kunde für Miss Dunne eingetragen.“ erklärte sie. Ich runzelte die Stirn.
„Können Sie mir sagen, wann Sie den letzten Kunden hatte?“ fragte ich nach und sah zu, wie sie blätterte.
„Das war... vor drei Tagen.“ erklärte sie. Ich nickte, dankte ihr und trat dann den Rückweg an. Hier gab es sicherlich nichts mehr zu erfahren.
Im Auto machte ich mir neue Notizen. Ich musste zugeben, das ich im Dunklen tappte. Der rote Faden verlor sich hier, und ich wurde den Gedanken nicht los, das das kein Zufall war.
 
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