Meine Geschichten
  Der Vogel im Käfig
 

Mit langen, selbstsicheren Schritten ging ich den Gang zum Empfang herunter. Ich war nicht annähernd so ruhig wie ich vorgab, aber schließlich musste niemand merken das ich selbst Angst vor dem hatte, was ich hier gleich tun würde. Am Tresen stand wieder die selbe Dame wie schon gestern.

Guten Tag.“ sagte sie freundlich und routiniert lächelnd. „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“ ich lächelte zurück. „Das können sie tatsächlich.“ gab ich zu und tastete dabei in meiner Tasche nach den Utensilien, die ich brauchen würde. Alles war noch da und ich hoffte, ich würde es einbauen können, bevor man mich entdeckte.

 

Sie müssen mir einfach nur sagen, ob Mr. Fitzgerald gerade in seinem Büro ist oder nicht. Ich würde ihn gern noch etwas fragen.“ gab ich Auskunft. Sie sah mich stirnrunzelnd an und schüttelte dann den Kopf. „Nein, Sir, tut mir Leid. Mr. Fitzgerald ist gestern gleich nachdem sie hier waren nach New York aufgebrochen.“ Ich runzelte fragend die Stirn. New York? Was konnte er dort wollen?

Wissen Sie, wann er wieder zurück erwartet wird?“ fragte ich und stützte mich auf den Tresen auf, um ihr besser in die Augen sehen zu können. Ich würde schon wissen, ob sie für ihren Chef log oder nicht.

 

Nein, Sir. Er hat gesagt, es könnte länger dauern. Ich glaube, er ist dort auf Geschäftsreise.“ Ich nickte nur stumm, schon in Gedanken versunken. Gut, was dieser Mann dort machte, ging mich nichts an. Aber dennoch machte es mich stutzig, das er gerade dann nach New York aufgebrochen war, als ich ihn befragt hatte. Immerhin hatte er nicht sehr bereitwillig geantwortet. Vielleicht war das einfach seine Art, aber vielleicht hatte er auch etwas zu verbergen und hatte sich aus dem Staub gemacht, bevor ich ihm weiter auf den Fersen bleiben konnte.

Hat er Ihnen eine Adresse hinterlassen? Eine Telefonnummer, auf der Sie ihn im Notfall erreichen können?“ fragte ich nach und die Sekretärin, die sich gerade mit einigen Akten auseinandergesetzt hatte, weil ich mit Denken beschäftigt gewesen war, hob den Kopf.

Tut mir Leid, Sir, aber nein. Er hat weder gesagt wo er ist noch wo man ihn erreichen kann. Mr. Fitzgerald wünscht bei solchen Reisen unter keinen Umständen gestört zu werden. Er wird dann sehr wütend und...“ Sie sprach nicht weiter, offensichtlich erschrocken, weil sie zu viel gesagt hatte, wurde rot und schloss den Mund. „Und...?“ half ich ihr charmant lächelnd auf die Sprünge. Sie senkte nur den Kopf und sagte nichts mehr, beschäftigte sich weiterhin mit ihren Akten.

 

Er ist kein schlechter Mensch, wissen Sie. Er hat es nur nicht immer einfach und...“ sie schluckte.

Und Sie helfen ihm, wenn er es nicht einfach hat?“ nahm ich sie weiter in die Mangel. Das arme Mädchen schwitzte ja schon vor Angst und sah mir nicht in die Augen.

Dann nickte sie. „Wie sehr helfen Sie ihm? Zwingt er Sie zu irgend etwas? Etwas, das Sie nicht wollen oder so nicht im Arbeitsvertrag steht? Dagegen kann man etwas tun, wissen Sie.“ plauderte ich weiter. Jetzt sah sie mich erschrocken an und schüttelte dann heftig den Kopf, das einzelne Strähnen aus ihrer blonden Hochsteckfrisur flogen. „Nein, nein! Das ist nicht so, wie Sie denken!“ rief sie bestürzt, und ich hob die Hände, um sie zu beschwichtigen. „Schon gut.“ ich richtete mich ein Stück auf und zog einen Bogen Papier aus meiner inneren Manteltasche. „Ich habe hier einen Durchsuchungsbefehl, den ich gern ausführen würde.“ sagte ich leichthin und legte ihr das Blatt auf den Tisch. Sie nahm allmählich wieder ihre normale Gesichtsfarbe an und ordnete notdürftig ihre Frisur.

 

Gut. Aber bitte, seien Sie vorsichtig.“ mahnte sie mich noch, dann ging ich an ihr vorbei ins Büro.

Das erste Mal hier zu sein, allein, war etwas vollkommen anderes. Es war zu still, wenn niemand da war, der Akten durchblätterte oder telefonierte. Oder vielleicht auch nur nieste. Ich nahm den ganzen Raum so schnell wie möglich in mir auf. Das Telefon stand auf dem Tisch, neben der Schreibmaschine. Wahrscheinlich hatte er eine Stenotypistin, der er diktierte und schrieb nicht selbst. Zu groß wäre wahrscheinlich die Gefahr, sich seine sorgfältig gefeilten Nägel zu ruinieren.

Vom Telefon führte ein Kabel zur Wand, wo es festgemacht war, damit man nicht darüber stolpern und es herausreißen konnte. Ich musste also bloß die Telefonbuchse manipulieren, an die das Telefon angeschlossen war und schon konnte ich mithören und aufzeichnen, was er mit anderen Leuten besprach. Leider würde ich dabei vermutlich nur zu hören bekommen was er sagte, aber daraus würde man hoffentlich genug ableiten können, um ihm zumindest eine Mittäterschaft nachweisen zu können.

 

Er würde ins Gefängnis wandern und ich hätte wieder einmal einen Fall hinter mich gebracht. Ein Ekelpaket weniger auf diesem Planeten. Obwohl er sich vermutlich gleich würde frei kaufen können. Das ganze Haus stank förmlich nach dem Geld, das er hineingesteckt hatte.

Ich tauchte mit meinen Gedanken wieder aus meinen Grübeleien auf und richtete meine Aufmerksamkeit wieder auf das Telefon. Ich ging zur Telefonbuchse herüber und schraubte mit einem mitgebrachten Schraubenzieher die Verkleidung herunter. Innerhalb von weniger als zwanzig Minuten war alles angebracht und es sah aus, als wäre nie jemand hier gewesen. Jetzt musste ich nur irgendwo hin, von wo aus ich die Telefonate mit anhören konnte. Suchend sah ich mich im Raum um. Der große Schrank dort schien mir ideal. Ich ging herüber und machte ihn auf. Die eine Seite stand voll mit Aktenordnern, aber die andere Seite war frei von Regalböden und gerade so hoch, das ich aufrecht darin stehen konnte. Plötzlich gab es Tumult draußen vor der Tür. Ich hörte Schritte, die plötzlich abrupt stoppten. Dann die Stimme der Sekretärin.

 

Mr. Fitzgerald, Sie sind schon wieder zurück?“ fragte sie und klang dabei so nervös, das ich mir sicher war, er hatte es auch gehört. Aber er sagte nichts, bedachte sie vielleicht nur mit einem Blick und dann raschelte schwerer Stoff. Zog er vielleicht gerade den Mantel aus?

Ja.“ kam es dann doch noch aus seiner Kehle. Beim Klang seiner Stimme lief es mir eiskalt den Rücken herunter. Sie klang verzerrt, leicht metallisch, wie bei einem Roboter. Jedenfalls nicht so, als habe er sich in dieser eisigen Januarkälte einen Schnupfen geholt.

Ähm... Sir, soll ich Ihnen...“ fing sie an, dann brach sie abrupt wieder ab. Ein Mantel wurde auf einen Haken gehängt, dann drückte jemand die Klinke der Bürotür herunter.

Nein.“ Immer noch hatte die Stimme diesen merkwürdigen Klang, den ich nicht einordnen konnte. Seine normale Stimme klang heller. Merkwürdig.

 

Vorsichtig schob ich die Tür einen Spalt auf. Gerade noch bevor er das Büro betrat, andernfalls wäre ich gesehen worden. Mitten im Raum blieb er stehen, schloss die Augen, holte tief Luft. Irgendwie schien eine Veränderung mit ihm vor zu gehen, obwohl ich nicht benennen konnte, was es war. Dann setzte er sich an seinen Schreibtisch, als sei nichts gewesen. Er zögerte zwei Herzschläge lang und lauschte. Ich atmete automatisch leiser und langsamer, um mich nicht zu verraten. Doch anstatt sich zu wundern, nahm er anscheinend seine normalen Tätigkeiten auf, drehte sich zu dem kleinen Kühlschrank, der dort stand und holte eine Flasche aus undurchsichtigem weißem Plastik hervor, aus der er drei lange Schlucke trank, die Flasche wieder zuschraubte und da hin zurück stellte, wo er sie her genommen hatte. Dann griff er zum Telefonhörer, während ich mir schmerzhaft auf der Zunge herum kaute vor Aufregung. Er musste einfach Informationen für mich haben, er musste einfach...

 

Tom? Hey. Hör zu, ich muss dringend mit dir reden. Es gibt... Ja, ich weiß. Das tut mir auch Leid, aber ich kann nichts dafür, wenn dieser Idiot meint er müsste... ja. Natürlich. Aber gleich nachdem ich es wusste war so ein Typ von der Polizei... Wofür hältst du mich eigentlich? Ich habe ihm nichts erzählt.“ Gerade noch rechtzeitig hatte ich auf Aufnahme umgeschaltet. Nun würde ich brav alles aufnehmen, was er mir vor die Füße warf, es speichern, ungesehen hier entkommen und es als Beweismittel verwenden.

Aber ich fürchte fast er ahnt etwas von unserem... kleinen Geheimnis. Ja, dann hätte er sich halt besser anstellen müssen! Er ist alt genug, er weiß, wie man so etwas anstellt. Dann hätte er... warte einen Augenblick. Ich rufe dich gleich noch einmal an. Da ist gerade eine verflucht fette Krähe gegen mein Fenster geflogen.“ Der Ton in seiner Stimme gefiel mir gar nicht. Oh oh. Nervös schluckte ich. Denn ich wusste, das das Abhörgerät, das ich benutzte, teilweise ein störendes Knacken in der Leitung produzierte. Wahrscheinlich hatte er das Geräusch genau wie ich gehört. Er legte auf und sah dem Telefonkabel nach bis zur Steckdose. Ein maliziöses Grinsen erschien auf seinen Lippen, als er aufstand und zur Steckdose herüber ging. Sie war noch leicht locker, deswegen war es für ihn kein Problem, die Abdeckung herunter zu reißen und die Wanze zu finden.

 

Vorsichtig nahm er sie zwischen Daumen und Zeigefinger, legte sie auf den Fußboden. Er hob den Fuß nur leicht und zermalmte das Wunder der Technik unter seinem polierten Absatz. Noch immer spielte dieses Lächeln um seine Lippen, als er den Blick hob und mir direkt in die Augen sah.

Mit langsamen, bedächtigen Schritten kam er mir entgegen wie ein Löwe, der sein Opfer in die Ecke gedrängt hat und nun weiß, das es ihm nicht mehr entkommen kann.

Vollkommen lautlos glitt die Schranktür auf und sein Lächeln wurde noch breiter.

Sieh mal einer an, was haben wir denn da...?“


 
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