Meine Geschichten
  Prolog - Über den Wolken
 
Es war bei Weitem nichts ungewöhnliches, nach England zu fliegen. Dachte sich auch Abby Ross, und sie musste es wissen, denn sie flog schon zum fünften Mal hinüber, von Deutschland aus. Ihr Vater war zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin dorthin gezogen, nachdem ihre Mutter gestorben war und hatte Abby mitnehmen wollen, doch sie wollte in England studieren und ging nicht mit. Doch sie besuchte ihn regelmäßig, ein oder zweimal im Jahr, wenn er Zeit für sie hatte.
Natürlich hätte sie ebenso gut fahren können, doch sie brauchte den Kick, den ihr das Fliegen gab. Weiter oben zu sein als alle anderen, das wollte sie. Und das war sie jetzt. Fast. Nur die Astronauten im Weltrum hatten es schöner. Die Maschine, ein Kleinflugzeug mit 90 Sitzen, sehr eng, fast wie eine Sardinendose, stand noch auf dem Flugplatz. E war zu neblig, um starten zu können. Sie wartete jetzt schon vier Stunden. Zuerst drei Stunden am Terminal, weil der Hauptserver den Geist aufgegeben hatte, und jetzt hier, weil sie wegen des Nebels nicht starten konnten. Ungeduldig trommelte Abby auf dem heruntergeklappten Tischchen vor sich, und erntete dafür böse Blicke von dem älteren Herrn neben sich. Es war ihr egal. Sie wollte endlich Fliegen, wollte zu ihren Freund, der sie sicherlich schon am Flughafen erwartete und sich fragte, wo sie denn blieb. Sicherlich regnete es drüben, und er stand dort, ohne Mantel und Schirm und wartete, nicht wissend, dass sie niemals ankommen würde.

Endlich schien sich der Nebel weit genug gelichtet zu haben, um starten zu können. Abby klappte ihr Tischchen vor sich hoch, zog noch einmal den Gurt fest und schaute aus dem Fenster. Endlich setzte sich das Kleinflugzeug in Bewegung. Langsam rollten sie die Rollbahn hinunter, die jetzt wieder frei vor ihnen lag. Die kleine Maschine wurde schneller und schneller und schließlich zog der Pilot die Nase des Flugzeugs nach oben und sie verließen den festen Boden. Abby liebte das Gefühl beim Start. Dieses Kribbeln in der Magengegend und dieses in – den- Sitz – gedrückt – werden.
Es vergingen scheinbar endlose Minuten, in denen sie das wohlige Gefühl hatte, dem Mond entgegen zu fliegen. Sie lies sich auch nicht von den gemurmelten Flüchen ihres Sitznachbarn abschrecken, dem das Fliegen nicht so ganz zu bekommen schien. Am Liebsten hätte sie geschrien vor Glück.
Sekunden später hörte das Ruckeln auf, als sich das Flugzeug wieder in die Horizontale brachte.
„… wir haben nun unsere endgültige Flughöhe erreicht. Bitte bleiben Sie angeschnallt und verlassen sie ihren Platz nicht, bis das Lämpchen über ihrem Sitz ausgeht. Rauchen sowie das benutzen eines Handys oder Laptops sind nicht gestattet.“
Abby hörte nicht zu. Sie lehnte sich in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Ob es erlaubt war, einen Diskman an zumachen? Das hatte sie auf ihren Flügen noch nicht gemacht, und der Pilot hatte nur etwas von Laptops und Handys gesagt, nicht von Diskmans.
Sie kramte den tragbaren CD-Spieler aus ihrem Handgepäck und steckte die Kopfhörer erst in die dazugehörige Buchse, dann in ihre Ohren.
Sie lehnte sich wieder zurück und schloss die Augen, bereit, sich von der Musik in den Schlaf schicken zu lassen.

Sie wachte davon auf, dass jemand schrie. Dann merkte sie, dass das ganze Flugzeug ruckelte, als wären sie in einen Sturm geraten. Mehr Leute schrien, doch sie wusste nicht, warum. Es tat einen weiteren, heftigeren Stoß und das ganze Flugzeug sackte ein ganzes Stück weit ab, so als wäre es in ein plötzliches Luftloch geraten. Sicher nur ein Unwetter, durch das sie flogen, kein Grund, sich zu sorgen… Am besten, sie schlief weiter, bis das Unwetter vorüber war, und wenn sie aufwachte, waren sie vielleicht schon gelandet…
Ein erneuter Stoß lies das Flugzeug erzittern und die Passagiere schrien auf. Wieder sackte das Flugzeug ab, diesmal so hart, als wäre etwas Schweres von oben auf es drauf gefallen. Abby riss sich die Kopfhörer aus den Ohren, ihr wurde eiskalt. Was, wenn sie abstürzten? Was, wenn sie nie in England ankäme?
Nein, sicherlich war es nichts weiter, als ein Unwetter… Doch als sie aus dem Fenster blickte, war der Himmel strahlend Blau, die Wolken weiß und gar nicht regenschwer.
Ein Donnern erklang, schraubte sich immer höher und höher und endete in einem Krachen. Etwas großes, Dunkles wischte am Fenster vorbei, einmal, zweimal.
Plötzlich splitterte etwas, ein Kreischen erklang, fast so, wie wenn man mit Fingernägeln über eine Schiefertafel kratzte, und dann war da wieder dieses Donnern.
Jetzt hatte Abby richtig Panik. Wie gebannt schaute Abby weiter aus dem kleinen Fenster, und was sie sah, lies ihr vor Schock den Mund offen stehen. Metallteile flogen durch die Luft, Rauchschwaden zogen umher und ließen sie fast nichts mehr erkennen. Plötzlich sah sie zu ihrem Horror, wie sich zwei… Klauen um den oberen teil des Flugzeugs legten. Einen Sekundenbruchteil später machte dem ganzen Flugzeug eine seitliche Rolle, Gepäckstücke flogen umher und krachten in die Sitzreihen, Menschen schrien, alles flog durcheinander. Dann knallte es einmal, zweimal laut, lauter als zuvor. Das Flugzeug drehte sich immer noch um seine eigene Achse, doch hatte es jetzt eine starke Neigung nach unten bekommen und schoss wie ein Speer Richtung Erde.
Bitte, bitte, lass uns heil unten ankommen, bitte… dachte Abby verzweifelt, auch wenn sie wusste, es würde nichts nützen.
Es ging immer nur abwärts, abwärts, abwärts, und dann kam der Aufprall.
 
  Heute waren schon 8 Besucher (10 Hits) hier!  
 
Diese Webseite wurde kostenlos mit Homepage-Baukasten.de erstellt. Willst du auch eine eigene Webseite?
Gratis anmelden