Meine Geschichten
  Mick
 
1

„Ich liebe dich. Für immer.“ flüsterte ich ihr leise zu, bevor wir auf das Bett sinken.
„Für immer?“ fragte sie zurück.
Das sie das „für immer“ so wörtlich nimmt, hätte ich nicht gedacht.
Am nächsten Morgen wache ich auf und merke, es hat sich etwas verändert.
Ich kann noch nicht genau benennen was es ist, aber langsam dämmert es mir.
„Du hast mich in ein Monster verwandelt!“ Versteht sie denn nicht, was sie mit mir gemacht hat?
„Nein. Ich habe dich vom Tod befreit. Für immer, weißt du nicht mehr?“
Aber „für immer“ ist länger als du glaubst....

2

Es ist verwirrend, wenn du das erste Mal Vampir bist. Natürlich ist das eine Einbahnstraße, ein One-Way-Ticket sozusagen, von dem du dich nicht entziehen kannst, aber dennoch ist es verwirrend. Du hast Durst, aber du weißt nicht auf was. Du schmeckst das Essen nicht mehr, das du in deiner Verzweiflung in dich stopfst, um das Drängen zu lindern, bis du instinktiv merkst, was du brauchst. Und wenn dir keiner dabei hilft, bist du verloren. Auch ich wäre verloren gewesen, hätte Coraline mir nicht gezeigt, wie es richtig geht.
Ich kann nicht sagen, das ich dankbar dafür bin, was sie getan hat, weil ich ihr nicht verzeihen kann, zu was sie mich gemacht hat, aber ein Stück weit... froh bin ich doch, das ich kein Monster geblieben bin.

3

Nachdem Coraline mich verwandelt hatte und ich nach einigen Jahren der Meinung war, mich wieder unter Kontrolle zu haben, wurde ich Privatdetektiv. Ich wollte den Menschen helfen, mich nicht an ihnen satt fressen oder sie missbrauchen.
Als dann vor dreiundzwanzig Jahren diese Frau bei mir auftauchte mit dem Bild in der Hand. Ihre kleine, vierjährige Tochter.
„Mr. St.John, Sie müssen mir helfen! Jemand hat meine Tochter entführt!“
Bis an mein Ende werde ich nie vergessen, wie diese Frau schluchzend und verzweifelt in meinen Armen hing, wie sie zusammenbrach.
Und nie hätte ich gedacht, auf was ich mich einließ, als ich diesen Fall annahm.

4

Coralines Partyhaus. Bis hier hin hatte ich die Spur verfolgt und hier fand ich das Mädchen, weinend, in einer ecke zusammengekauert. Bevor ich aber etwas anderes tun oder sagen konnte, hatte Coraline sich dazwischen geschoben und hielt das Mädchen fest.
„Jetzt können wir endlich eine richtige Familie sein, Mick.“ hauchte mir Coraline zu. Ich wollte es nicht glauben. Immerhin ist allgemein bekannt, das Vampire selbst keine Kinder bekommen können.
„Lass sie gehen.“ forderte ich sie auf, aber Coraline lächelte nur.
„Ich werde nicht zulassen, das du ihr weh tust!“
Dann stürzte ich auf sie und sah noch, wie sich das Mädchen in einer Ecke des Zimmers verkroch.

5

Der sicherste Weg, einen Vampir zu töten, besteht darin, ihm den Kopf abzuschlagen. Feuer tut es auch. Zumindest war das immer das, was ich angenommen hatte.
Ich merkte, wie ich mit Coraline rang, wie sie mir das Gesicht zerkratzte und mich schlug, wieder und wieder. Es machte mir nichts. Die Wunden heilten ja augenblicklich wieder.
Ich bekam den Holzpflock zu fassen und rammte ihn ihr ins Herz. Ein Pflock tötet einen Vampir nicht. Er lähmt ihn nur.
Dann setzte ich das Haus in Brand, mit der Gewissheit, Coraline nie wieder zu sehen und Beth gerettet zu haben.
Zweiundzwanzig Jahre später sollte ich erfahren, wie sehr ich mich getäuscht hatte...

6
Mord in Melrose. Nein...“ Sie kommt langsam auf mich zu und hat mich noch nicht gesehen. Sie ist zu sehr in Gedanken bei dem, was hier gerade abläuft. Recherchiert sie wieder für eine neue Story? Warum sonst wäre sie hier?
„Vampirattacke schockt L.A. Ja, das ist es.“ Endlich dreht sie sich zu mir um.
Zum ersten Mal nach zweiundzwanzig Jahren stehen wir uns gegenüber. Noch weiß sie nicht, das ich eigentlich ständig da war, immer in ihrer Nähe, ihr Schutzengel, ihr Held.
„Sagen Sie, was finden Sie besser: „Vampirattacke schockt L.A.“ oder...“
Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich kann es mir einfach nicht verkneifen, auch wenn die Situation alles andere als lustig ist. Sie weiß ja gar nicht, wem sie gegenübersteht.
„Ich denke nicht, das es Vampire gibt.“
Sie dreht sich um, schaut zum Brunnen zurück. Als sie sich wieder herumdreht, bin ich schon längst verschwunden.

7

„Sag doch einfach 'Auf Wiedersehen.'“ fordert sie mich lächelnd auf, als ich herum stottere wie ein Teenager.
Ich zögere eine Sekunden.
„Auf...“
Ihr Kopf bewegt sich so schnell auf meinen zu, das ich keine Chance habe, zu verhindern, was auch immer da kommen mag. Dann spüre ich ihre Lippen auf meinen und schließe automatisch die Augen, als sie mich sanft und vorsichtig küsst.
Es ist mit kaum etwas zu vergleichen, was ich erlebt habe, vor allem aber ist es schön. Das beschert einem dieses Kribbeln im Bauch, dieses Glücksgefühl.
Als sich ihre Lippen wieder von meinen lösen, mache ich die Augen auf.
„...Wiedersehen.“ sage ich atemlos, aber da ist sie schon wieder verschwunden.

8

Joseph hat mir vielleicht nicht alles erzählt, was in seinen vierhundert Jahren Existenz vor sich gegangen ist. Aber wir sind seit sechzig Jahren Freunde.
Ich hätte nicht erwartet, das er mir sein intimstes Geheimnis verrät, nicht mal, wenn wir uns tausend Jahre kennen würden.
Ich höre seine Stimme, wie sie zittert.
Seine Hand bedeckt seine Augen, damit man die Tränen nicht sieht, die in seinen Augen stehen und sich weigern zu fallen.
Sie klammern, krallen sich fest, wie sich die Worte in den Raum zu krallen scheinen, die er als nächstes ausspricht.
„Ich habe mehr als dreihunderfünfzig Jahre gebraucht, sie zu finden, und nur eines, um sie wieder zu verlieren. Für immer.“

9

Die Zeitung liegt aufgeschlagen zwischen uns. Sophias Hände sind um das Holz verkrampft. Das muss meine Ausstrahlung oder die ganze Situation sein. Ich deute auf den aufgeschlagenen Artikel zwischen uns.
„Das ist nicht die Tat eines Menschen, Miss Diego. Kein Mensch kann Ihnen solche Wunden zufügen wie die Teenager sie gehabt haben.“ In einem Impuls gehe ich zu ihrem Schreibtisch und sehe mir die Gegenstände an, die dort stehen. Ein metallener Briefbeschwerer fällt mir ins Auge.
Wie geschaffen für mein Vorhaben.
Ich nehme ihn, setze mich wieder, drücke zu.
Ein Klumpen verschrumpeltes Blech bleibt zurück.
„Vampire sind keine Sagengestalten, Miss Diego.“
flüstere ich rau und sehe sie an.
Eisblau.
Eiskalt.
Tödlich.

10

Ein paar Sekunden, in denen du nicht an den Mann denkst, der hinter dir im Auto liegt und den du für ausgeschaltet und erledigt gehalten hast. Sekunden, die sich im Nachhinein als gefährlich erweisen. Kopflos. Und so dumm.
Kaum ist der Kofferraum auf, gibst du dich dem Gefühl hin, alle Gefahren los zu sein, alles getan zu haben, was du kannst. Und erst als die Kugeln den Körper vor dir zerfetzen, weißt du, das du eben NICHT alles getan hast.
Ich hätte besser achtgeben müssen.
Ich hätte mich vergewissern müssen, das der Mann tot oder wenigstens bewusstlos ist, als ich mich wieder wichtigeren Dingen zuwand. Ich habe es nicht getan.

11

Es sind ein paar Sekunde, die über Leben und Tod entscheiden. Ab da tust du alles, um den Menschen vor dir am Leben zu erhalten. Weil er es will. Weil sie es will. Weil du selbst es willst. Aber da gibt es diese Umstände, diese Verkettungen des Schicksals, gegen die du nichts machen kannst. Du kannst dich nicht wehren oder etwas tun. Du musst es geschehen lassen. Und dann ist es zu spät, noch etwas zu ändern.
Denn dann hast du keine Kontrolle mehr, egal was du tust.
Der Tod ist immer schneller als du.
Schwarz.
Eiskalt.
Hart

12

Ich werde nie das Flehen in ihren Augen vergessen, in ihrer Stimme.
„Bitte, rette ihn. Verwandele ihn, dann wird er leben!“
Ich schweige. Es klebt alles noch zu sehr an mir. Das Blut an meinen Händen. Joshs Blut.
Ich kann es nicht.
Die Wahrheit ist: ich will es nicht. Ich habe nicht gewollt, das man mir das antut. Mich hat niemand gefragt, ob ich das werden wollte, was ich heute bin.
„Tu es, bitte! Für mich!“
Ich schüttele den Kopf.
„Das ist kein Leben, Beth!“ Immer noch tropft Blut von meinen Händen.
Und dann setzt sein Herz aus. Es ist wie ein Läufer, der hinschlägt, weil ihn das, was er getan hat, zu viel Anstrengung gekostet hat, zu viel Kraft.
Schließlich stockt es ein letztes Mal und hört dann auf.
Es ist vorbei.
Vielleicht hätte ich es wirklich verhindern können, wenn ich gewollt hätte. Aber ich konnte nicht.

13

Das ist nicht die Beth, die ich kenne. Sie ist anders. Auf eine fast schon beängstigende Weise.
„Fühlt ihr euch immer so?“ fragt sie und ihre Stimme klingt anders. Viel... nun ja, anders eben.
„Das kommt darauf an, wie du dieses Gefühl definierst.“
Sie kommt weiter auf mich zu und ich kann mich ihr gerade noch entziehen, bevor wir uns küssen. Unter anderen Umständen gerne, aber das ist nicht meine Beth.
„Du hast von dieser Droge genommen, oder?“
Sie lächelt und kommt mir immer noch nach.
„Ja. Und es fühlt sich wunderbar an.“
Vielleicht tut es das jetzt, aber nur so lange, wie du am nächsten Morgen nicht mit Kopfschmerzen aufwachst.
 
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